Kooperationserklärung zwischen den Vereinten Nationen und der NATO

von Redaktion FriedensForum

Die schwedische Transnational Foundation for Peace and Future Research (TFF) machte Anfang Dezember eine weitgehend geheim gehaltene Kooperationserklärung zwischen den Sekretariaten der Vereinten Nationen und der NATO bekannt. Das am 23. September 2008 von Ban Ki-Moon und Jaap de Hoop Scheffer unterzeichnete Abkommen spricht davon, dass die beiden Organisationen in den vergangenen Jahren eine effektive Zusammenarbeit in verschiedenen Ländern (Balkan, Afghanistan) entwickelt haben, wo „VN-autorisierte von der NATO geführte Operationen neben VN Friedensoperationen arbeiten“. Es soll ein Rahmen für Konsultation, Dialog und Kooperation über politische und operationale Themen auf höheren wie auf Arbeitsebenen geschaffen werden. Als wesentliche Themen werden Fragen genannt, die 1. den Schutz von Zivilbevölkerung; Aufbau von Kapazitäten, Training und Übungen; 2. Evaluation, Planung und Unterstützung für Notfälle; und 3. operationale Koordinierung und Unterstützung im Feld betreffen. In neun Fragen formuliert der Vorstand der TFF seine Position zu dem Abkommen.

Die Vereinten Nationen betrachten sie als geheim und haben sie deshalb nicht auf ihrer Homepage veröffentlicht. Die NATO händigt auf Anfrage gerne eine Kopie aus. Die Regierungen der NATO-Länder wissen davon. Die westlichen Massenmedien haben sie kaum erwähnt – die Gemeinsame Erklärung zur Kooperation der Sekretariate der VN und der NATO (The Joint Declaration on UN/NATO Secretariat Cooperation), die von den Generalsekretären der VN und der  NATO im September 2008 unterzeichnet wurde.

Diese Erklärung hätte zumindest ein paar Fragen auslösen müssen. In der Tat sollte es dem Generalsekretär Ban Ki-Moon unmöglich sein, solch ein Dokument mit irgendeiner militärischen Allianz zu unterzeichnen, schon gar nicht ohne Zustimmung der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen.

Wir meinen, dass es höchste Zeit ist, eine öffentliche Debatte über die Kooperation zwischen VN und NATO anzuregen. Offen gesagt, hätte sie beginnen müssen, als Ban Ki-Moon im Januar 2007 die NATO besuchte und feststellte: „Ich bin sehr zuversichtlich und ermutigt durch das, was die NATO zu Frieden und Sicherheit in der ganzen Welt beiträgt. Wir haben dieselben Ziele, wir sind entschlossen, in der Zukunft sehr eng zusammenzuarbeiten“ (Quelle: http://www.nato.int/docu/update/2007/01-january/e0124a.html).

Die Präambel der UN Charta sagt, dass Krieg abgeschafft werden soll. Spezifischer formuliert Artikel 1, dass Friede durch friedliche Mittel geschaffen werden soll. Es muss gefürchtet werden, dass ein VN-Generalsekretär, der meint, dass die VN und die NATO ‚die gleichen Ziele haben’, unfähig sein wird, seine Rolle als Verteidiger dieser Charta zu spielen.

Neun Fragen
1. Gemäß Artikel 100 der VN Charta ist der VN Generalsekretär der Wächter der Integrität der VN. Er/sie soll keine Anweisungen von irgendeinem Staat oder anderen Autoritäten entgegennehmen, sondern nur den Vereinten Nationen dienen. Stärkt dieses Abkommen die Möglichkeiten des Generalsekretärs in dieser Hinsicht, und stärkt es die Glaubhaftigkeit dieses Artikels in der Zukunft?

2. Die NATO ist eine auf Atomwaffen gestützte Militärallianz, die das Recht betont, Atomwaffen als erste und selbst gegen einen konventionellen Angriff einzusetzen. Ist diese Entscheidung der NATO vereinbar mit Artikel 1 der Charta, der festhält, dass Frieden mit friedlichen Mitteln geschaffen werden soll? Warum wurde anderen regionalen Organisationen, die mit zivilen Mitteln arbeiten – wie die OSZE oder die Shanghai Cooperation Organization – nicht ein ähnlicher Kooperationsstatus angeboten?

3. Das Washingtoner Abkommen der NATO von 1999 lehnt sich eng an die UN Charta an. Aber es bezieht sich nicht länger auf die überragende Autorität des VN Sicherheitsrates, sondern erlaubt der NATO das Recht zu intervenieren, wenn sie sich dem gegenübersieht, was die NATO neue Risiken nennt - ‚Umwelt’ ‚unzureichende Reformen’, ‚unkontrollierbare Bewegungen großer Menschenmassen’ und besonders ‚die Unterbrechung lebenswichtiger Ressourcen’.

Deshalb kann bezweifelt werden, ob die NATO noch zu ihrem eigenen Artikel 1 steht, der den Vorrang von Artikel 51 der UN Charta bezüglich des Rechtes der Mitgliedsstaaten auf Selbstverteidigung anerkennt. Diese Liste und Formulierung von Gebieten in der Erklärung der VN und NATO in Bezug auf mögliche Kooperation ist sehr umfassend und allgemein. Sie sollte in dem Licht der sich scheinbar ständig weiter ausweitenden Rollen, die die NATO als für sich angemessen betrachtet, gesehen werden.

Wie wahrscheinlich wird es sein angesichts des Sonderstatus, den die NATO jetzt durch dieses Abkommen erhält, dass der UN Generalsekretär und Sicherheitsrat (wo drei der fünf permanenten Sitze von NATO-Mitgliedern gehalten werden),

a) fähig sein werden, die notwendigen Unterscheidungen zwischen NATO- und VN-Aktionen aufrecht zu erhalten?

b) mögliche Verletzungen des Völkerrechts durch die NATO thematisieren werden?

c) als VN Mitglieder fähig sein werden, glaubhaft für allgemeine und vollständige Abrüstung und Abschaffung der Atomwaffen zu arbeiten?

4. Die beiden Generalsekretäre scheinen als gleichberechtigte Partner zu unterzeichnen. Die Wortwahl des Abkommens erlaubt der NATO, so zu handeln, wie sie will, sogar Mittel aggressiver Kriegsführung zu ergreifen. Statements auf der jüngsten Münchner NATO-Konferenz scheinen dies zu bestätigen. Die NATO muss der VN-Charta und anderen Normen internationalen Rechtes verpflichtet bleiben. Macht dieses Übereinkommen das klar? Wem gegenüber wird die NATO rechenschaftspflichtig sein?

5. Die NATO bombardierte Serbien/ Kosovo in 1999 ohne ein Mandat des VN-Sicherheitsrates. Ist die NATO, unabhängig von der Meinung, die man über dieser Aktion haben mag und angesichts des mangelnden Respekts führender NATO-Mitglieder gegenüber internationalem Recht und der UN Charta, eine angemessene Organisation, um von den VN mit solch speziellem Status belohnt zu werden?

6. Es wird erwähnt, dass das NATO-VN-Abkommen in den Aktionen während des Krieges in Bosnien-Herzegowina wurzelt. Falls diese Krise irgendetwas zeigte, dann war es, dass Peacekeeping und Friedenserzwingung nicht gemischt werden können und dass die VN Mitgliedsstaaten den VN viel zu wenige Ressourcen zur Verfügung gestellt hatten, um ihr Mandat erfolgreich auszufüllen. Ist dieses Abkommen ein Signal, dass die Mitglieder von VN und NATO die Behandlung Bosniens als Modell sehen und mit der gleichen Mischung von Rollen und ungleichgewichtigen Ressourcenzuteilungen fortfahren wollen?

7. Die NATO-Länder sind in diesen Monaten mit verschiedenen sehr sensiblen Themen beschäftigt - sensibel auch unter den Mitgliedern des Sicherheitsrates – wie die Krise in Georgien, die Raketenabwehrbasen in Polen und Tschechien, die NATO-Erweiterung (Georgien und Ukraine) und die sich intensivierenden Probleme in Afghanistan, in die beide Organisationen involviert sind. Ist die Unterschrift des VN-Generalsekretärs ein Beispiel guten Timings und wird er in diesem Licht nun die Erklärung dem VN-Sicherheitsrat zur Diskussion und Zustimmung vorlegen?

8. Die VN haben 192 Mitglieder. Die NATO hat 26 Mitglieder, aber steht für über 70% der Rüstungsausgaben in der Welt. Erwartet der Generalsekretär, dass die Mehrheit der VN Mitgliedsstaaten dieses Abkommen zwischen den Sekretariaten der VN und einer Militärallianz unterstützen werden?

9. Der Geist der VN soll Dialog, weltweite Konsultation und das Wohl der gesamten Menschheit sein. Doch dieses Abkommen wurde geheim gehalten und nicht auf der VN Website publiziert. Wird das Abkommen selbst und die Art und Weise, wie es zwischen zwei Individuen geschlossen wurde, nicht der Welt den Eindruck geben, dass dieses Hauptquartier der VN jetzt ein Ort für geheime Absprachen ist und dadurch die Hoffnung, die BürgerInnen in aller Welt in Bezug auf Demokratie und Transparenz haben, weiter unterminiert?

The Board of the Transnational Foundation for Peace and Future Research. 3. Dezember 2008

Dieser Text wurde der Website von TFF (http://www.transnational.org/Resources_Treasures/2008/TFFBoard_UN-NATO.html) entnommen und leicht gekürzt. Dort kann auch der Originaltext des Abkommens eingesehen werden. Übersetzung: Redaktion.

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