6x jährlich erscheint unsere Zeitschrift "FriedensForum" und informiert über Neuigkeiten aus der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeheft zu!
Stiftung INLIA
Koordination der Charta von Groningen
Die Entstehungsgeschichte der Stiftung lNLIA
Eine Gruppe örtlicher Kirchengemeinden aus verschiedenen Teilen Europas, die, in ihrer kirchlichen Arbeit stärker mit der Flüchtlingsproblematik und insbesondere mit den Schwierigkeiten von und um "abgelehnte" Asylbewerber/innen konfrontiert wurden, traf dort zusammen, Um Erfahrungen, Ideen und Informationen auszutauschen,
Aufgrund des Bedürfnisses, sich gegenseitig zu unterstützen und zu ermutigen, beschlossen sie, ein Bündnis lokaler Glaubensgemeinschaften aufzubauen; sie teilen die Sorge über die Flüchtlingsfrage und wollen sich für konkrete Unterstützung der Flüchtlinge einsetzen.
Die Charta von Groningen
Die Charta von Groningen ist der Text des Bundes, der einerseits Ausgangspunkte in Bezug auf die Flüchtlingsproblematik umfaßt und andererseits eine aktive Stellungnahme der Glaubensgemeinschaften in dieser Frage darstellt. Die sich aus diesen Ausgangspunkten ergebenden Richtlinien liefern den verschiedenen Glaubensgemeinschaften konkrete Anhaltspunkte, an denen sie die Flüchtlingspolitik ihrer respektiven Regierungen überprüfen können.
Beinahe 700 Gemeinschaften, fast 200 davon in den Niederlanden, gründen gegenwärtig ihre Arbeit auf der Charta von Gröningen, und ihre Anzahl steigt weiter an.
Die Stiftung INLIA ist also aus einer aktiven Betroffenheit von kirchlichen Gemeinschaften entstanden. Sie wurde gegründet, um das Netzwerk der "Charta von Groningen" zu koordinieren und organisatorische Hände und Füße zugeben.
Die Stiftung will Ort der Information und Unterstützung für alle sein, die sich im Sinne der Charta von Groningen mit den Nöten vom Fremden in ihrer Mitte auseinandersetzen wollen. Wo es möglich ist, will sie dazu beitragen, daß direkte Kontakte zwischen Flüchtlingen und. Glaubensgemeinschaften entstehen, so daß konkrete Hilfe und Unterstützung gewährt werden können.
Die Ausführung
Ein Appell an lokale Glaubensgemeinschaften, sich für Flüchtlinge einzusetzen, ist nur wirksam, wenn unmittelbar damit aktive Unterstützung verbunden wird, da eine Gemeinschaft, die dem Aufruf folgt, mit vielen Fragen und Problemen konfrontiert wird.
Zahlreiche Erfahrungen machen uns regelmäßig deutlich, wie wichtig es ist, Kirchen bei den Aktivitäten, bei denen ihre eigenen Erfahrungen in diesem speziellen (diakonalen) Bereich noch nicht groß sind, Unterstützung zu gewähren.
In Zusammenarbeit mit Diakonen, örtlichen Flüchtlingsräten und einer im Ausländerrecht spezialisierten Rechtsanwältin werden dann auch Fortbildungen zur Förderung des Fachwissens für lokale Glaubensgemeinschaften gegeben, so daß diese Asylbewerbern und Füchtlingen selbständig Hilfe bieten können,
Auf Anfragen aus dem In- und Ausland kann die Stiftung zu einem internationalen sog. "urgent action request" (dringender Aktionsaufruf zum direkten Verschicken von Protestbriefen und Telegrammen an verantwortliche Behörden) aufrufen, unmittelbar mit den Behörden eines Landes vermitteln oder Beistand bei individuellen Fällen geben.
Beratung für Asylbewerberinnen Außer der Koordination des Netzwerkes der Chartagemeinden setzt INLIA sich besonders für die Asylbewerberinnen ein, die "abgewiesen" sind oder denen eine Ausweisung bevorsteht. Die Asylbewerberinnen kommen meistens am Ende des Verfahrens, u.a. über Anwaltsbüros, Flüchtlingsgruppen, Kirchen, amnesty international, Aktionsgruppen usw., melden sie sich bei INLlA an. Einige hundert Akten von (fast) "abgewiesenen'' Asylbewerbern kommen jährlich zur Überprüfung ins INLIA-Büro nach Groningen. Zur Deutlichkeit muß erwähnt werden, daß der Begriff "abgewiesene" Asylbewerberinnen nicht bedeutet, daß der/die Asylbewerberin das ganze Verfahren durchlaufen hat und in letzter Instanz abgewiesen ist. In den meisten Fällen geht es gerade um die Antragstellerinnen, die noch im Verfahren sind, die aber das definitive Ergebnis (wie z.B. die Berufung gegen die Ausweisung) nicht in den Niederlanden abwarten dürfen.
INLIA strebt bei der Vermittlung immer nach einer für alle betroffenen Parteien
(Asylbewerber, Hilfeleistende und Behörden) akzeptablen Lösung.
Das kann zwischen dem Versuch, ein Bleiberecht in den Niederlanden zu bekommen, einer Weiterwanderung in ein sog. "Drittland" bis zu eine begleiteten Rückkehr ins Heimatland variieren.
Kirchenasyl
Manchmal geschieht es, daß "abgelehnte" .Asylbewerberlnnen mit Abschiebung in ihr Herkunftsland bedroht werden, unsere Stiftung aber zu der Überzeugung gelangt, daß diese Menschen eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des Flüchtlingsvertrages der Vereinten Nationen haben oder daß zwingende Gründe humanitärer Natur vorliegen, was doch noch für die Verleihung einer Aufenthaltsgenehmigung sprechen würde.
In einer solchen Situation wollen wir, nach einer gründlichen (u.a. juristischen) Untersuchung, Kirchenräte und Diakonien einladen, sich der Sache anzunehmen. Obwohl wir in beratender Funktion an der kirchlichen Aufnahme teilhaben (bzw. bei konkreten Fragen Unterstützung geben) unterliegt jeder konkrete Beschluß diesbezüglich der alleinigen Verantwortung der jeweiligen Kirchengemeinde selbst.
Nach sorgfältigen, intern geführten Überlegungen können sie beschließen, diese Menschen legal aufzunehmen und die Behörden davon zu unterrichten, um so die unmittelbar drohende Abschiebung zu verhindern, bis eine Lösung gefunden wurde.
"Kirchenasyl" besteht juristisch gesehen eigentlich überhaupt nicht und genießt darum auch keinen gesetzlichen Schutz. Die Aufnahme von Asylbewerbern, die mit Abschiebung bedroht werden, ist in den Niederlanden vollkommen legal, wenn sie bei den zuständigen Behörden gemeldet ist.
Ein Tagesauffang ist immer erlaubt, Nachtauffang nur dann, wenn die zuständigen Behörden davon unterrichtet werden und wenn es sich nicht um eine als "unerwünscht" eingestufte Person handelt.
Bis jetzt hat "Kirchenasyl", das durch Kirchen auf Aufforderung der Stiftung INLIA gewährt wurde, bei ungefähr 190 Menschen schließlich zum Erfolg geführt.
Da die Entscheidung zum "Kirchenasyl" erst nach gründlicher Untersuchung und genauen Überlegungen gefällt wird, wenn wirklich keine andere Möglichkeit mehr besteht und eine Abschiebung nach unser aller Überzeugung unrechtmäßig wäre, wird die Arbeit der Stiftung INLIA von den zuständigen staatlichen Behörden ernst genommen. "Kirchenasyl" dient also nur als "last resort".
Die Charta von Groningen
- Die Lage der Flüchtlinge und der Asylsuchenden in Europa ist alarmierend. Die europäischen Regierungen neigen allgemein dazu, ihre Grenzen zu schließen und den Zustrom einer wachsenden Anzahl von Füchtlingen und Asylsuchenden zu stoppen. Es werden auf nationaler und regionaler Ebene legislative und bürokratische Maßnahmen aller Art ergriffen. Zunehmend werden der Flüchtlingsbegriff und die Genfer Konvention über Flüchtlinge von 1951 und 1967 restriktiv ausgelegt. Als örtliche Kirchen, Pfarrgemeinden, Gemeinschaften und Basisgruppen fühlen wir uns in unserer Verantwortung als Christen zum Handeln aufgerufen. Flüchtlinge und Asylsuchende führen uns vor Augen, wieviel Gewalt und Unrecht auf der Welt herrschen, Die Belastung und die Erschwernisse, die sich aus der Gewährung des Schutzes für Flüchtlinge ergeben, zu scheuen, heißt, diese Gewalt und dieses Unrecht als ein Problem aller Menschen zu ignorieren. Unser Glaube, daß Gott die Einheit der Menschheit will, läßt uns diese Weigerung von uns weisen und die Partei der Flüchtlinge und Asylsuchenden ergreifen.
- Parteinahme bedeutet für uns in erster Linie, daß wir uns bei der Zusammenarbeit auf örtlicher Ebene nach besten Kräften anstrengen wollen, um Flüchtlinge und Asylsuchende aufzunehmen. Doch zusätzlich bedeutet es, da wir den Druck auf unsere Regierungen dahingehend verstärken müssen, daß sie in ihrer Asylpolitik nicht nur vom nationalen und europäischen Interesse ausgehen dürfen, sondern vielmehr eine großzügige Auslegung der internationalen Abkommen über Flüchtlinge und Menschenrechte gewährleisten müssen. Wir verpflichten uns, unsere Länder aufzufordern, sich an der weltweiten Lastenverteilung so zu beteiligen, wie es Europas Stellung in der Welt und in der Geschichte und die aus dieser Stellung resultierende Verantwortung gebieten.
- Wenn wir mit guten. Gründen annehmen können, daß ein Flüchtling oder Asylsuchender, dem die Ausweisung droht, keine wirklich menschliche Behandlung erfährt oder Beschlüsse gefaßt werden, die die Qualität seines weiteren Lebens ernsthaft beeinträchtigen können, dann verpflichten wir uns, ihn aufzunehmen und zu schützen, bis eine für alle Teile annehmbare Lösung gefunden ist. Wir würden dabei eine offene. Auseinandersetzung mit unseren Regierungen oder unmittelbare Solidaritäts- und Protestaktionen nicht scheuen, wenn es die Situation unserer Meinung nach erfordert.
- Wir werden auch weiterhin örtliche, nationale und internationale Gremien und Kirchenverbände an ihre Verantwortung in Bezug auf Angelegenheiten und Probleme der Flüchtlinge und Asylsuchenden erinnern und werden diese Gremien und Verbände dazu drängen, ihrer Verantwortung mit eigenen Mitteln und · Möglichkeiten gerecht zu werden.
- Da wir uns selbst als Partnerin einem Bundlokaler Kirchen und Basisgruppen betrachten, die die Partei der Flüchtlinge und Asylsuchenden ergreifen, versprechen wir einander Unterstützung und Solidarität und bemühen uns darum, andersgläubige Gemeinden und sonstige zu Partnern in diesem Bund zu machen.
Koordination der Charta von Groningen, Rode Weeshuisshaat 1-3, NL 9712 ET Groningen; +31/50/138181, Fax +31/50/144944.