Buchbesprechung

Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit - Die Geschichte der War Resisters’ International

von Christian Scharnefsky

Die War Resisters’ International (WRI) gehört zu den größten Dachorganisationen pazifistischer Gruppen weltweit. Sie wurde 1921 in Bilthoven (Niederlande) gegründet, verlegte 1923 ihr Büro nach London und hat heute 90 Sektionen in 43 Ländern. Grundlage der WRI ist ihre Prinzipienerklärung: „Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten.“ Die WRI tritt für die Anerkennung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung auch aus nicht-religiösen Gründen ein und unterstützt Kriegsdienstverweigerer, die im Gefängnis sitzen oder auf der Flucht vor staatlicher Verfolgung sind.

Allerdings versteht sich die WRI nicht in erster Linie als „Kriegsdienstverweigerer-Gewerkschaft“, sondern vielmehr als politische Organisation, die dazu beitragen will, durch eine gewaltfreie Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse hin zu mehr persönlicher Freiheit und sozialer Gerechtigkeit alle Kriegsursachen endgültig zu beseitigen. Die Auseinandersetzung über Möglichkeiten und Grenzen des absoluten Pazifismus und über das Konzept einer antikapitalistisch ausgerichteten gewaltfreien „Sozialen Revolution“ hat die WRI seit den 1920er Jahren daher ebenso geprägt wie ihr Einsatz für einzelne Kriegsdienstverweigerer. Viele Kontinuitäten und Brüche in der Entwicklung der WRI sind auch für andere in der Zwischenkriegszeit entstandene transnationale Friedensorganisationen charakteristisch und in vergleichender Perspektive aufschlussreich. Dennoch ist die Geschichte der War Resisters’ International – abgesehen von Studien zu einzelnen nationalen Sektionen – bisher kaum wissenschaftlich erforscht worden, und man ist im wesentlichen auf die Veröffentlichungen der WRI selbst angewiesen. Dazu gehört auch das Buch von Devi Prasad „War Is a Crime Against Humanity. The Story of War Resisters’ International”.

Devi Prasad, 1921 in Indien geboren, war von 1962 bis 1972 Generalsekretär und von 1973 bis 1975 Vorsitzender der WRI. Sein Buch umfasst zwei Teile. Im ersten Teil (Kapitel 1 – 5) legt er die geistigen Grundlagen des radikalen Pazifismus dar und gibt einen Überblick über die Kriegsdienstverweigerung bis 1914, die auf die Mitglieder religiöser Gruppen beschränkt war. Im Ersten Weltkrieg entstand dann aber auch eine größere Bewegung von nicht-religiös motivierten Verweigerern. Die meisten dieser „Conscientious Objectors“ kamen aus Großbritannien, und von ihnen gingen auch die stärksten Impulse zur Gründung der War Resisters’ International aus. Die Geschichte der WRI behandelt Prasad dann im zweiten Teil seines Buches (Kapitel 6 – 17), wobei er sich auf den Zeitraum von 1921 bis 1975 beschränkt.

Die Schlüsselfigur der ersten Jahrzehnte der WRI war der britische Kriegsdienstverweigerer Herbert Runham Brown (1879 – 1949), der erst 1919 aus der Haft entlassen worden war und von 1923 bis 1949 als ehrenamtlicher Sekretär der WRI arbeitete. Herbert Runham Brown gelang es, die WRI innerhalb weniger Jahre zu einer Organisation auszubauen, die regelmäßig eine Zeitschrift sowie Broschüren und Flugblätter in verschiedenen Sprachen herausgab, über das Schicksal einzelner Kriegsdienstverweigerer informierte und ihnen Hilfe zukommen ließ. Vor allem aber trat die WRI durch ihre Dreijahreskonferenzen in Erscheinung, die gerade in den 1920er und 1930er Jahren ein zentrales Forum für den Austausch zwischen den verschiedenen Richtungen der Friedensbewegung boten. Eine wichtige politische Initiative der WRI war das „Internationale Manifest gegen die Wehrpflicht“ von 1926, und auf der 4. WRI-Dreijahreskonferenz 1934 in Welwyn (Großbritannien) stellte der niederländische Pazifist Bart de Ligt erstmals seinen umfassenden Plan einer Kampagne gegen jede Art von Krieg und Kriegsvorbereitung zur Diskussion. Der Beginn des Spanischen Bürgerkrieges 1936 bedeutete dann die erste Zäsur für die WRI, da ein Teil der Mitglieder für die militärische Verteidigung der Republik und der „Sozialen Revolution“ in Spanien plädierte und die WRI verließ. Die verbliebenen Aktivisten hielten dagegen an ihrer absolut gewaltfreien Position fest, organisierten aber humanitäre Hilfe für die spanische Zivilbevölkerung, auch wenn sie damit indirekt den bewaffneten Kampf unterstützten. Humanitäre Hilfe für Flüchtlinge aus dem besetzten Europa wurde die zentrale Aufgabe der WRI im Zweiten Weltkrieg, zumal das Büro in London im Gegensatz zu den meisten nationalen Sektionen weiterhin arbeitsfähig blieb. Die schon vor 1939 augenfällige Dominanz britischer Aktivisten innerhalb der Internationale führte allerdings auch dazu, dass die WRI die vom nationalsozialistischen Deutschland ausgehende Gefahr unterschätzte und noch 1942 für einen Ausgleich zwischen Hitler und den Westmächten eintrat, da nur so der Krieg sofort beendet werden könne.

Nach 1945 musste die WRI ihr Konzept der Kriegsverhinderung durch radikale Kriegsdienstverweigerung überprüfen und neue Antworten auf die Herausforderungen des Kalten Krieges und die Bedrohung durch Atomwaffen finden. Der Einsatz für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung blieb zwar weiterhin ein Schwerpunkt, die WRI beteiligte sich seit den 1950er Jahren aber auch an Kampagnen des Zivilen Ungehorsams und organisierte Proteste gegen den Vietamkrieg sowie gegen die Niederschlagung des „Prager Frühlings“. In den 1970er Jahren bemühte sich die WRI darüber hinaus, ihre Haltung zu den bewaffneten Befreiungsbewegungen in der „Dritten Welt“ zu definieren, die einerseits von der Sympathie für die politischen Ziele dieser Bewegungen bestimmt war, aber andererseits auch im Einklang mit der absolut gewaltfreien Position der WRI stehen musste.

Devi Prasads Buch beschließt ein Anhang, der Dokumente, ein Register und vor allem Fotos enthält. Dennoch erhebt er zu Recht nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Studie, denn er setzt sich weder mit dem Forschungsstand auseinander, noch verwendet er in nennenswertem Umfang Sekundärliteratur. Das müsste kein Nachteil sein, aber leider ist das Buch auch keine kompakte “Story” der WRI, deren besonderer Reiz in der Bewertung der Ereignisse durch einen prominenten Aktivisten wie Devi Prasad liegen könnte. Es handelt sich vielmehr um eine Darstellung mit Hilfe von zahlreichen langen Zitaten aus WRI-Dokumenten, die nur durch sehr wenig eigenen Text des Autors miteinander verbunden sind und oft recht unvermittelt enden oder ineinander übergehen.

Prasad, Devi (2005) War is a Crime Against Humanity. The Story of the War Resisters' International. London: War Resisters’ International. ISBN: 0-903517-20-5. 557 S. Für 35 € plus Versandkosten zu beziehen bei Weber & Zucht, Versandbuchhandlung & Verlag, Tel. 0561 – 519194, e-mail: wezu [at] zuendbuch [dot] de, www.zuendbuch.de .

Diese Rezension wurde bereits in H-Soz-u-Kult, 12.09.2006 (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2006-3-181) veröffentlicht, und vom Friedensforum gekürzt.

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Christian Scharnefsky arbeitet an einer Dissertation über die WRI.