Zu den diesjährigen Ostermärschen:

Kriege verhindern - Einsatzkräfte auflösen

von Bernd Guß
Initiativen
Initiativen

Die Ostermärsche sind das "Aushängeschild" der Friedensbewegung. Während der Osterzeit werden ihre Aktivitäten sowohl in der Presse als auch in der Öffentlichkeit verstärkt wahrgenommen. Dies liegt u. a. daran, dass die Ostermärsche für viele Friedensinitiativen /-gruppen vor Ort die wichtigste Aktivität im Verlauf des Jahres darstellen. Die Ostermärsche haben sich im politischen Bewusstsein vieler als fester Bestandteil des friedenspolitischen Engagements eingeprägt. Hinzu kommt, dass in einzelnen Orten Ostermärsche seit über zwanzig Jahren in Folge durchgeführt werden. Ein Grund der Wahrnehmung durch die Presse ist sicherlich die Nachrichtenflaute während der Osterzeit.

Die Aktivitäten der Friedensbewegung stellen in dieser Zeit ein Feld dar, auf welches die MedienvertreterInnen immer wieder gerne zurückgreifen. Gestärkt wird dies durch die lange Tradition der Ostermärsche, die bis in die 60er Jahre zurückreicht. Schon damals reichte das Themenspektrum der Ostermärsche von Abrüstung und Frieden bis hin zu Fragen der Demokratie und internationaler Solidarität. Nach einer Flaute der Ostermarschbewegung in den 70er Jahren und deren Wiederbelebung Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre erreichte die Bewegung in den 80er Jahren ihren Höhepunkt. Genau an jenen Jahren der Hochzeit versuchen MedienvertreterInnen die Ostermarschbewegung von heute zu messen. Zum Repertoire der Presse gehören die Fragen nach den TeilnehmerInnenzahlen und der Vergleich zwischen einst und jetzt. Jedes Jahr scheint sich die Frage aufs Neue zu stellen: Gibt es die Friedensbewegung eigentlich noch?

Auf der Basis einer positiven Grundstimmung gegenüber den Ostermärschen stehen die Friedensinitiativen /-gruppen jedes Jahr vor dem Dilemma: Wie können wir uns von dem Maßstab der Quantität freimachen und mit Qualität überzeugen? Die Herausforderung besteht darin, die öffentliche Auseinandersetzung über die Ostermärsche an deren inhaltlichen Aussagen und nicht nur an den TeilnehmerInnenzahlen zu orientieren.
 

Wie in den Jahren zuvor, so hat die Friedensbewegung es auch in diesem Jahr geschafft dieser Herausforderung gerecht zu werden und klare friedenspolitische Positionen bezogen. Es sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass die Friedensbewegung bei den diesjährigen Ostermärschen auch dem Anspruch nach Quantität gerecht geworden ist. An über 60 Orten haben Aktivitäten stattgefunden, von kleineren Informations- und Mahnveranstaltungen bis hin zu traditionellen Demonstrationen und Sternmärschen. Die Vielzahl der Veranstaltungen haben gezeigt, dass die Friedensbewegung über eine funktionierende Infrastruktur verfügt, dass sie nach wie vor lebendig und eine Basisbewegung mit der Orientierung auf die Arbeit vor Ort ist.

Die Ausstrahlung der Ostermärsche geht jedoch über die eigentliche Veranstaltung hinaus. In der Regel finden in den einzelnen Orten entsprechende Vor- und Nachbereitungen statt, die genauen Aktivitäten werden abgestimmt und ein entsprechender Aufruf diskutiert. Dieser Prozess zieht sich oft über Monate hin; dessen positive Wirkung liegt darin, dass auf breiter Ebene eine friedenspolitische Diskussion geführt und das Anliegen der Friedensbewegung in der Öffentlichkeit auch wahrgenommen wird.

Zweifellos, mit den Hochzeiten der Friedensbewegung der 80er Jahre können sich die Ostermärsche dieser Zeit nicht messen lassen. Sollten sie auch nicht, denn die Zeiten haben sich grundlegend gewandelt. Der dominierende Ost-West-Konflikt hat sich aufgelöst, die Probleme und friedenspolitischen Herausforderungen sind vielschichtiger und komplexer geworden. Folglich können auch keine einfachen Antworten gegeben werden, die friedenspolitische Auseinandersetzung muss den veränderten Rahmenbedingungen gerecht werden.

Neben der Öffentlichkeit ist die Politik ein weiterer Adressat der Friedensbewegung. In zahlreichen Ostermarschaufrufen wird nicht nur die Kritik an der herrschenden Außen- und Sicherheitspolitik deutlich, auch friedenspolitische Alternativen spielen eine entscheidende Rolle. Der Tendenz der weiteren Militarisierung setzt die Friedensbewegung die Forderung nach einer Zivilisierung der Politik entgegen. Vor allem der Umbau der Bundeswehr in eine Interventionsarmee spielt dabei eine zentrale Rolle, denn dieser ist eng verbunden mit der neuen NATO-Strategie, einer neuen Aufrüstungsära, steigenden Rüstungsausgaben und der zunehmenden Orientierung auf militärische Konfliktlösungen. Die Friedensbewegung setzt dem die Forderung nach Auflösung der Krisenreaktionskräfte entgegen, die damit verbundenen Aufrüstungsprogramme sind zu stoppen und die freiwerdenden Mittel in zivile Projekte zu investieren. Es gilt zivile Konflikt- und Krisenprävention zu fördern und Rüstungsexporte zu stoppen. Unverkennbar ist in den Positionen der Friedensbewegung die Enttäuschung und Wut über die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung erkennbar. Der selbstgesteckte Anspruch aus dem rot-grünen Koalitionsvertrag, wonach deutsche Außenpolitik Friedenspolitik sein solle, wurde ins Gegenteil gekehrt - deutsche Aussenpolitik ist Kriegspolitik. Die deutsche Beteiligung an dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien kann weder vergessen werden, noch lässt sie sich durch Lügen oder Selbsttäuschungen rechtfertigen. Die für Friedensforschung und Zivilen Friedensdienst zur Verfügung gestellten Mittel erweisen sich zunehmend als Peanuts im Vergleich zu den mindestens 221 Mrd. DM, die für das Militär in den nächsten Jahren bereitgehalten werden.

Bei einem Vergleich der einzelnen Ostermarschaufrufe lassen sich in diesem Jahr auffallend viele Gemeinsamkeiten erkennen (bei allen auch weiterhin bestehenden regionalen Differenzierungen, so z. B. in jenen Regionen, wo konkrete Probleme vor Ort angesprochen werden - Stichwort zivile Nutzung von Militärgelände). Deutlich werden diese Gemeinsamkeiten durch zwei Appelle bzw. durch deren inhaltliche Aussagen: Der Appell "Kriege verhindern - Einsatzkräfte auflösen" und der Appell an die Bundesregierung "Raketen abrüsten statt abwehren!"

Eine atomare Bedrohung existiert nach wie vor, ist jedoch für viele Menschen nicht mehr so wahrnehmbar wie in den Jahren der Blockkonfrontation. Das von den USA geplante Raketenabwehrsystem provoziert eine erneute Rüstungsspirale und erhöht die atomare Gefahr. Die Bundesregierung wird in dem Appell "Raketen abrüsten statt abwehren" aufgefordert, sich für ein Verzicht auf dieses Programm einzusetzen und alles dafür zu tun, dass weiter abgerüstet wird.

Mit dem Appell "Kriege verhindern - Einsatzkräfte auflösen" wird der Umbau der Bundeswehr in eine Interventionsarmee abgelehnt und der Bundestag aufgefordert die Einsatzkräfte aufzulösen, die damit verbundene Beschaffung neuer Waffen und Ausrüstungen zu stoppen und die eingesparten Mittel für zivile Projekte zu investieren.

Mit diesen Forderungen hat sich bei den diesjährigen Ostermärschen ein gemeinsames Anliegen der einzelnen Friedensgruppen /-initiativen herauskristallisiert, dass auch in den künftigen Wochen und Monaten von Bedeutung sein wird.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die diesjährigen Ostermärsche gezeigt haben, dass die Friedensbewegung auch in Zukunft aktiv sein muss. Die Ostermärsche werden solange Bestandteil der friedenspolitischen Auseinandersetzung sein, solange Krieg und Militär ein Mittel der Politik bleiben. Solange die Politik am Prinzip der bewaffneten Sicherheit und am militärischen Denken festhält solange wird auch die Forderung der Friedensbewegung aktuell bleiben: Kriege verhindern - Einsatzkräfte auflösen.

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Bernd Guß arbeitet beim bundesweiten Ostermarschbüro Ffm und engagiert sich im Bundesausschuss Friedensratschlag.