„Krieger.Denk.Mal.“

Kriegsdenkmäler

von Robert Hülsbusch
Initiativen
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Es kann und muss eine Aufgabe von Pazifist*innen und Anti-Militarist*innen sein, sich mit den Denkmälern aus früheren Zeiten zu beschäftigen. Zahlreiche Vorschläge für einen Umgang mit Kriegsdenkmälern  lassen sich an vielen Orten in der Bundesrepublik finden. Ich möchte aus der Region um Nottuln drei Ideen hinzufügen.  

Die Hammermethode
In dem kleinen Dorf Buldern steht ein großes Denkmal, eine Pyramide aus Feldsteinen, darauf der Adler mit ausgebreiteten Schwingen. Auf einer Steinplatte stand bis 2000 dieser unsägliche Spruch zu lesen: „Den Helden von Stalingrad! Wir leben, weil sie starben!“

Bis eines Tages, nicht im Dunkel der Nacht, am helllichten Tag, ein junger Mann aus Buldern mit einem großen Hammer vor das Denkmal trat und diese Platte mit einem Schwung zerschlug. Nebenan war Markt und viele Bulderaner bekamen die Aktion mit. Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Auch die konservative Lokalpresse berichtete darüber - nicht ausgesprochen entsetzt. Drei Tage später veröffentlichte sie sogar einen Leserbrief, der diese „Entsorgung“ der gnadenlosen Kriegspropanda und der absurden Geschichtsfälschung ausgesprochen lobte. Die Dorfspitze sah sich gemüßigt, eine neue Platte anzubringen. Der alte Spruch kam dafür nicht mehr infrage. Der neue heißt nun: „Den Opfern von Krieg und Gewalt!“

Infotafel und Peace-Banner
In Havixbeck zwischen Nottuln und Münster steht eine Kriegergedächtniskapelle, erbaut im Jahr 1921. Im Innern sind die Namen der gefallenen Soldaten aus Havixbeck aus den beiden Weltkriegen aufgelistet. Auch etwa bis zur Jahrtausendwende war die Kapelle am Volkstrauertag Ziel einer Abordnung von Fahnenträgern, ehemaligen Soldaten und dann und wann auch einer Partnerkompanie der Bundeswehr, um der „gefallenen“ Soldaten zu gedenken. Bis Schülerinnen und Schüler der Anne-Frank-Gesamtschule, die in unmittelbarer Nachbarschaft steht, sich mit dieser Kapelle auseinandersetzten. Ergebnis dieser Beschäftigung im Unterricht war das Anbringen einer kleinen Info-Tafel, die die Kapelle einordnet und mit der Kriegspropaganda aufräumt. Heute findet an dieser Stelle immer noch die Gedenkfeier zum Volkstrauertag statt. Ohne Bundeswehrsoldat*innen, dafür auch unter Beteiligung des lokalen Friedenskreises. Gedacht wird aller Opfer der beiden Weltkriege. Und Mitglieder des Friedenskreises hissen immer an diesem Sonntag zwei Flaggen. Auf der einen steht das Wort „Frieden“ – bunt und künstlerisch in vielen unterschiedlichen Sprachen. Auf der anderen wird gemahnt: „Du sollst nicht töten! Verhandeln statt schießen!“

Eine konzertierte Umgestaltungs- und Erinnerungsaktion
Eine kleine Kapelle an der Katholischen Kirche in der Gemeinde Nottuln fordert  „Erinnerung, Versöhnung und Frieden“ und das in einer ganz besonderen Weise. 2008 wurde dafür der Grundstein gelegt. Die Friedensinitiative Nottuln (FI) hatte den Antrag gestellt, dass auch in Nottuln dem „Unbekannten Deserteur“ ein Denkmal errichtet wird. Die breite Diskussion darüber mündete in den Vorschlag des damaligen Pfarrdechanten Bernhard Tietmeyer, doch die Kapelle an der Katholischen Kirche, die bis dahin als „Kriegergedächtnis-Kapelle“ diente, zu überplanen. Intensive Gespräche fanden zwischen der Katholischen Kirchengemeinde, der Kameradschaft Ehemaliger Soldaten und der Friedensinitiative statt. Das Ergebnis ist die heutige Kapelle: Statt der dunklen Türen mit dem Eisernen Kreuz laden nun helle, mit durchsichtigem Glas besetzte Türen in die Kapelle ein. Der Schriftzug, in diese Glastüren eingraviert, verrät die neue Funktion der Kapelle: „Erinnerung, Versöhnung, Frieden“.  Und auch im Innern der Kapelle wurde „aufgeräumt“. Die wichtigste Neuerung:  Der in Stein gemeißelte Spruch „Die Heimat neigt sich in Ehrfurcht, Treue und Dankbarkeit vor der Größe Eures Opfers!“ wurde entfernt. Nun sind zwei kurze Texte auf den weißen Wänden der Kapelle aufgebracht: „Wir gedenken aller im Krieg Vermissten und Getöteten aus Nottuln.“ Und: „Wir gedenken aller, die durch ihr Nein zum Krieg gelitten haben und leiden.“ Endlich wird auch derjenigen gedacht, die Nein sagten, auch derjenigen, die desertierten. Und das an prominenter Stelle im Ort. An der rechten Seite liegt weiter das Buch mit den Namen der getöteten Soldaten aus Nottuln. Links gegenüber ist nun eine „Mitmach“-Wand. Ein Zitat aus dem Evangelium nach Lukas dient als Überschrift und Motto: "… unsere Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens" (Lk 1,79). Dort haben Besucher*innen der Kapelle schon einige Notizen in diesem Sinne angepinnt. Auch Menschen, die aus der Armee desertierten. So besuchte der Deserteur Ludwig Baumann auf Einladung der Friedensinitiative die Kapelle. Am Volkstrauertag vor einigen Jahren hielt er gar die Ansprache und erzählte die Geschichte seiner Desertion. Auch André Shepherd, US-Bürger der aus der US-Armee, die den Irak in Schutt und Asche legte, desertiert ist, besuchte diese Kapelle und war über die Gestaltung erfreut. Am 8. Mai 2020 gedachten – ganz coronagemäß - der Pfarrdechant der Kirchengemeinde und ein Vertreter der Nottulner FI des Endes des Zweiten Weltkrieges. Ein gemeinsamer Text wurde in der Lokalpresse veröffentlicht und hängt seitdem in der Kapelle: U.a. ist dort zu lesen:

„Wir denken an die jungen Männer aus Deutschland, die Soldat wurden und ehrlich dachten, sie würden ihr Land verteidigen  - und sie wurden doch nur als Kanonenfutter für einen Angriffskrieg missbraucht, getrieben von einer gnadenlosen NS-Propaganda und befehligt von der deutschen Generalität, die Hitler und seinen Wahnplänen diente, gesegnet von den Teilen der Kirchen, die den Kampf gegen den Bolschewismus predigten. Wir denken an die, die durch ihr Nein zum Krieg leiden mussten, die Deserteure, die ihr Gewehr ins Kornfeld warfen, weil sie diesem Krieg nicht mehr dienen wollten oder weil sie einfach Sehnsucht hatten und nach Hause wollten. An die Soldaten, die menschlich mit Kriegsgefangenen umgingen, ihnen Brot zustecken, die Juden versteckten und die dann als Kriegsverräter verurteilt und hingerichtet wurden.  
Krieg ist eine Krankheit  – keine Lösung ...  (Eugen Drewermann )
Wann wird man je verstehen!“

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Robert Hülsbusch, Friedensinitiative Nottuln.