Kriegsdienstverweigerung als Solidarität mit dem irakischen Volk

von Friedhelm Schneider

Wegen seiner Kriegsdienstverweigerung stand der Zeitsoldat Giorgos Monastiriotis sieben Jahre lang im Visier der griechischen Militärjustiz.

Die Vorgeschichte
Als Giorgos Monastiriotis gleich nach der Schule zum Wehrdienst eingezogen wird, hat er von seiner beruflichen Zukunft noch keine festen Vorstellungen. Klar ist nur so viel: Für den jungen Mann aus Korfu sehen die zivilen Ausbildungs- und Berufsperspektiven alles andere als rosig aus. Das nicht nur in Griechenland übliche Zusammenspiel von Wehrpflicht und Rekrutierungsanreizen entfaltet auch bei Monastiriotis seine Wirkung: Noch während seiner Grundwehrdienstzeit kann er dafür gewonnen werden, sich für fünf Jahre als Zeitsoldat bei der griechischen Marine zu verpflichten. Der Beginn seines militärischen Einsatzes verläuft unspektakulär: Giorgos hat ausschließlich Aufgaben der Navigations- und Instrumentenkontrolle wahrzunehmen. Auf die Frage, was er beim Militär gelernt habe, wird er später antworten: „Warten und schlafen“.

Kriegsdienstverweigerung und Strafverfolgung
Im Mai 2003 kommt es zu jenem Vorfall, der Monastiriotis aufwecken und aktivieren, ja sein ganzes Leben einschneidend verändern soll: Die Fregatte „Navarino“, auf der er Dienst tut, soll an den Persischen Golf entsandt und im Rahmen der Operation „Enduring Freedom“ eingesetzt werden. Monastiriotis weigert sich, seiner Einheit zu folgen, und erklärt, dass er seinen Vertrag mit der Kriegsmarine kündige. In einer öffentlichen Stellungnahme betont er: „Aus Gewissensgründen lehne ich es ab, das erbarmungslose Gemetzel am irakischen Volk zu unterstützen oder irgendwie dazu beizutragen. Der Krieg hört nicht auf, denn selbst jetzt, nach seinem offiziellen Ende, werden weiter Menschen, ja sogar Kinder getötet. Meine Verweigerung ist das Mindeste an Solidarität, was ich dem irakischen Volk und auch der friedlichen Gesinnung des griechischen Volkes schuldig bin.“

Im September 2004 verurteilt das zuständige Marinegericht den Kriegsdienstverweigerer zu 40 Monaten Gefängnis. Nach 22 Tagen Haft wird er bis zur Berufungsverhandlung auf freien Fuß gesetzt. Erst im März 2006, fast drei Jahre nach seiner Verweigerung, wird er aus der Armee entlassen. An die Rückkehr in ein normales Zivilleben ist bis dahin nicht zu denken. Da das Militär Giorgos’ zivile Ausweispapiere unter Verschluss hält, ist er zu einer Schattenexistenz ohne bürgerliche Identität gezwungen: Weder kann er einen Arbeitsvertrag abschließen noch ein Konto einrichten oder auch nur ein Telefon auf seinen Namen anmelden. Auslandsreisen kommen nicht in Frage.

Auch nach Monastiriotis’ offiziellem Ausscheiden aus dem Militär reißt die Prozessserie nicht ab, die der Teufelskreis von wiederholten Einberufungen und Verurteilungen als Deserteur in Gang gebracht hat. Ginge es nach den erstinstanzlichen Urteilen der Marinerichter in Piräus, so säße Monastiriotis für insgesamt 55 Monate hinter Gittern und die unbequeme Problematik gedienter Kriegsdienstverweigerer wäre erst einmal weggesperrt.

Der letzte Prozess
Am 18. Februar 2010 kommt es im Athener Militärgericht zur entscheidenden Berufungsverhandlung. Fast sieben Jahre ist es her, seit Monastiriotis als erster griechischer Berufssoldat den Einsatz im Persischen Golf verweigerte und damit ins Fadenkreuz der Militärjustiz geriet.

Monastiriotis’ Prozess dauert eine Stunde. Ausführlich wird die Vorgeschichte des Berufungsverfahrens referiert. Monastiriotis selbst wird erneut vernommen, der Verteidiger befragt Zeugen nach den internationalen Menschenrechtsstandards, die durch die griechische KDV-Praxis verletzt werden. Während der Vorsitzende Richter betont, politische Forderungen seien bei ihm an der falschen Adresse, unterstreicht der Staatsanwalt, Berufssoldaten hätten sich der Funktionsfähigkeit des Militärs unterzuordnen und dabei Menschenrechtseinschränkungen in Kauf zu nehmen.

Nachdem das Gericht sich zu einer ausgedehnten Beratung zurückgezogen hat, kommt es zur Urteilsverkündung: Der Angeklagte erhält eine Haftstrafe von fünf Monaten, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Da Giorgos Monastiriotis inzwischen nicht mehr der Armee angehört und somit keine erneute Einberufung befürchten muss, bedeutet das Urteil für ihn vor allem anderen: Nach langen Jahren erlittener Repressionen kann er erstmals wieder ein Leben führen, das nicht der Verfolgung durch Militärbehörden ausgesetzt ist.

Sechs Tage nach dem Monastiriotis-Prozess verabschieden im Straßburger Europarat die Vertreter des Ministerkomitees eine Empfehlung zu den Menschenrechten von Armeeangehörigen. Darin heißt es u.a.: „BerufssoldatInnen sollten die Streitkräfte aus Gewissensgründen verlassen können.“* Nicht nur in Griechenland, das sich gern auf seine historische Rolle als Wiege der Demokratie beruft, ist man von der Verwirklichung dieses Rechts Lichtjahre entfernt.

* Recommendation CM/Rec(2010)4 vom 24.02.2010, Ziffer 42.

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Friedensbewegung international
Friedhelm Schneider leitet die Arbeitsstelle Frieden und Umwelt der Pfälzischen Landeskirche und ist Sprecher des im Mai 2011 gegründeten Netzwerks Friedensbildung Rheinland-Pfalz.