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„Aber was wird das Ende von alledem sein?“
Kriegsgefahr angesichts der Grenzen des Wachstums
von
„Die kapitalistische Produktion kann nicht stabil werden, sie muss wachsen und sich ausdehnen, oder sie muss sterben. [...] Hier ist die verwundbare Achillesferse der kapitalistischen Produktion. Ihre Lebensbedingung ist die Notwendigkeit fortwährender Ausdehnung, und diese fortwährende Ausdehnung wird jetzt unmöglich. Die kapitalistische Produktion läuft aus in eine Sackgasse.“ (1) So formulierte Friedrich Engels bereits im Jahr 1892 das Grunddilemma des industriellen Kapitalismus und verbindet es mit der bangen Frage, die hier als Überschrift gewählt wurde. Dass die Agonie des Systems noch mehr als hundert Jahre andauern sollte, ändert nichts an der Richtigkeit des Befundes. Die aktuellen Krisenerscheinungen, die oftmals recht oberflächlich auf singuläre unmittelbare Ursachen zurückgeführt werden, bestätigen in der Gesamtschau den säkularen Trend, den der Club of Rome bereits 1972 beschrieben hat. Die politischen Reaktionen darauf erscheinen zunehmend als sprunghaft irrational (Trump!) und aggressiv.
Während unsere ökologischen Lebensbedingungen zunehmend erodieren, bricht zugleich die für das kapitalistische Wachstum unentbehrliche Rohstoffbasis weg. Das gilt zunächst für die fossilen Energiequellen, die weltweit immer noch mehr als 80 % der Primärenergie bereitstellen. Der rapide Prozess ihres Versiegens wurde in den letzten zwanzig Jahren vom Fracking-Boom in den USA überdeckt, der nun aber in recht kurzer Frist an sein – wahrscheinlich recht abruptes – Ende gelangt. Selbst die ansonsten recht zweckoptimistische Internationale Energieagentur sagt dieses Ende für die nächsten fünf Jahre voraus.
Ausgerechnet eine Studie aus dem Umfeld der Bundeswehr macht uns auf die damit verbundenen Sicherheitsrisiken aufmerksam: „Der Peak Oil kann dramatische Konsequenzen für die Weltwirtschaft haben. [...] Eine auf unbestimmte Zeit schrumpfende Wirtschaftsleistung stellt einen höchst instabilen Zustand dar, der unumgänglich in einem Systemkollaps endet. Die Sicherheitsrisiken einer solchen Entwicklung sind nicht abzuschätzen ...“ (2)
Vom „Cheney-Report“ über die NATO-Doktrin samt den entsprechenden Strategischen Konzepten bis hin zum „European Defense Paper“ bildet genau diese Situation die Grundlage der strategischen Überlegungen der Militärs. Der Fracking-Boom seit 2005 in den USA hat uns lediglich eine Atempause von zwei Jahrzehnten gewährt.
Ausstieg aus fossiler Energie?
Das Rohstoff-Dilemma gilt aber in nicht geringerem Maß für die verzweifelten Bemühungen um eine Dekarbonisierung unserer Ökonomie. In einem Veranstaltungsprospekt der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) heißt es in diesem Sinne: „Der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern ist klimapolitisch überfällig. Das aktive Phase-out des fossilen Erdöls erfordert zugleich einen Einstieg, ein aktives Phase-in von noch mehr Metallen. [...] Erdöl war immer mit geo- und sicherheitspolitischen Fragen verbunden. [...] Der Zugriff auf Erze und Metalle ist ebenfalls mit Machtfragen und damit mit Geopolitik verbunden. Der sich anbahnende Kampf um die Vormachtstellung zwischen den USA und China gibt dazu einen Vorgeschmack.“ (3)
Während Metalle wie etwa Eisen oder Bauxit (Aluminium) unproblematisch sind, weil sie in ausreichender Menge und leicht abbaubar in der Erdkruste vorhanden bzw. leicht zu recyclen sind, ist die Situation hinsichtlich anderer Metalle äußerst prekär. Die künftige Knappheit macht sich teilweise bereits bemerkbar. Daten des US Geological Survey zeigen, dass zum Beispiel für Kupfer, Zink, Platin, Cadmium, Zinn, Chrom, Molybdän und Nickel der „Peak“ in den nächsten drei Jahrzehnten erreicht sein wird. Die Knappheit betrifft aber auch Metalle und sog. „Seltene Erden“, die gerade für die Umstellung auf erneuerbare Energien wesentlich sind und teilweise als nicht oder nur sehr schwer substituierbar gelten (Cadmium und Neodym im Bereich der Solar- und Windenergie, Lithium für Elektromotoren, Platin für Brennstoffzellen ...). Im Zuge der Dekarbonisierung ist in diesem Bereich mit einer Vervielfachung des Verbrauchs um einen zweistelligen Faktor zu rechnen. (4)
Die EU hat deshalb 34 Rohstoffe zu „kritischen“ bzw. „strategischen“ erklärt, darunter Kupfer, Nickel, Kobalt, Lithium, Grafit, Bauxit und Seltene Erden (insgesamt 17 Metalle). Letztere werden fast zu 100 % aus China importiert.
China
Insgesamt befinden sich 97 % der aktiven Minen und 48 % der bekannten Reserven in China. Darüber hinaus investiert China viel im Ausland (Afrika und Lateinamerika) in den Bergbau, sichert sich Schürfrechte, investiert in Infrastruktur (Belt-and-Road-Initiative, auch bekannt unter der Bezeichnung „neue Seidenstraße“). Zudem hat China im Bereich der Verarbeitung etlicher Metalle ein technisches Monopol inne. Dies ist der eigentliche Hintergrund für die Verschärfung der Spannungen zwischen den USA, der NATO und der Volksrepublik China. Wie sehr sich China der Bedeutung seiner Rohstoffe als strategischer Waffe bewusst ist, wird gerade im Kontext der aktuellen Zollpolitik der USA deutlich. Nach einem Lieferstopp würde unsere Produktion binnen weniger Wochen zum Stillstand kommen. China könnte die westlichen Industrien in einem Handelskrieg binnen kürzester Zeit lahmlegen. Die meisten Länder verfügen nicht einmal über Notreserven.
Die Tatsache, dass die gemischte, autoritär gelenkte Wirtschaft Chinas das Land zum Sieger in einem Globalisierungsprozess gemacht hat, den gerade die USA und die EU brutal vorangetrieben haben, und die Tatsache, dass die Hegemonie der USA keine hinreichende ökonomische Grundlage mehr hat und sich hauptsächlich auf die militärische Vorherrschaft (mit mehr als 800 Militärbasen weltweit) stützt, wird bei uns ideologisch zu Weltmachtambitionen einer brutalen chinesischen Diktatur umgedeutet.
Kampf um eine neue Weltordnung
Dass der Kampf um eine neue Weltordnung ganz zentral um den Zugang zu Rohstoffen stattfinden wird, hat nicht zuletzt Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato siʼ in Erinnerung gerufen: „Es ist vorhersehbar, dass angesichts der Erschöpfung einiger Ressourcen eine Situation entsteht, die neue Kriege begünstigt, die als eine Geltendmachung edler Ansprüche getarnt werden.“ (Laudato siʼ, 57)
Die zunehmende Bedrohung des Wohlstands in den Industrieländern befördert Gewaltbereitschaft im Inneren und Kriegsbereitschaft nach außen. Die Selbstverständlichkeiten unserer „imperialen Lebensweise“ beginnen zu erodieren. Die unvermeidlichen Wohlstandseinbußen, die das mit sich bringt, lassen Menschen innergesellschaftlich zunehmend aggressiv auf schwächere soziale Gruppen, insbesondere auf Fremde, reagieren und verstärken vermutlich auch die Bereitschaft, die Verteidigung unserer Privilegien mittels Krieg zu akzeptieren und aktiv zu unterstützen. Die bisher genossenen Privilegien werden quasi als selbstverständliches „Menschenrecht“ nach innen und außen mit Zähnen und Klauen verteidigt. In Deutschland zumal ist eine zunehmende Zustimmung zu einer historisch beispiellosen Aufrüstung, der umfassenden Militarisierung der Gesellschaft und der Vorbereitung auf Kriege um die knapper werdenden Ressourcen festzustellen. Umso dringlicher wäre es angesichts dieser Situation, den Zusammenhang zwischen der unausweichlichen, solidarisch zu gestaltenden „industriellen Abrüstung“ (5) und der dringend gebotenen präventiven militärischen Abrüstung politisch wirkungsvoll zu artikulieren und die entsprechenden Koalitionen zwischen einer radikalisierten Klimagerechtigkeitsbewegung und den verbliebenen PazifistInnen innerhalb der Friedensbewegung herzustellen.
Anmerkungen
1 MEW 22, 327
2 Zentrum für Transformation der Bundeswehr, Peak Oil – Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen, Hamburg 2010, 47–50.
3 Zitiert bei Winfried Wolf, Mit dem Elektroauto in die Sackgasse. Warum E-Mobilität den Klimawandel beschleunigt, Wien 2020, 9.
4 Bruno Kern, Industrielle Abrüstung jetzt! Abschied von den Technik-Illusionen, Marburg 2024, 104–105.
5 Siehe dazu vor allem Kern, Anm. 3. Vgl. auch friedensforum 6/2021, 25–26.