Im Jahre Null nach dem Golfkrieg

Kriegssteuerboybott - Antwort auf die finanzielle Beteiligung am Golfkrieg

von Reinhard Egel

Das "Schlimmste" ist nicht passiert? (Giftgas, Atombombe). Das Schlimmste ist passiert: Krieg ist scheinbar wieder  führbar geworden. Nachrichtensperre und Kriegspropaganda haben funktioniert. Viele - auch manche in der Friedensbewegung - sahen sich gezwungen, den Krieg hinzunehmen, zu rechtfertigen; eine Alternative zum Krieg war für sie zuletzt nicht mehr vorstellbar.

Hunderttausende sind getötet und ver­wundet worden. Für die Überlebenden ist ein Frieden in Gerechtigkeit und Würde nicht in Sicht. Die wahren Opfer und die langfristigen Folgen des Krieges können wir bisher nur erahnen.
An diesem Krieg waren und sind wir alle beteiligt - durch Zustimmung und durch die militärische Hilfe unserer Re­gierung und vor allem durch mehr als 15 Steuer-Milliarden. Wir alle zahlen Steu­ern. Die Abrechnung kommt erst noch. Am 1. Juli werden Steuern erhöht - (auch) für die Finanzierung des Krieges. Wie können wir als KriegsgegnerInnen damit am besten umgehen? Es wird schwierig sein, die Regierung und die Mehrheit der Bevölkerung davon zu überzeugen, daß es falsch war, was sie getan haben - auch wenn wir es als Ver­brechen, Schuld oder Sünde bewerten. Die Unlust in der Bevölkerung, (mehr) Steuern zu zahlen, ist auch kein Motiv, das uns weiterhelfen wird, solange nicht eine klare Willensentscheidung dazu kommt: "Mit meinen Geld darf niemand töten."

Ein derartiger Entschluß ist dem der persönlichen Kriegsdienstverweigerung vergleichbar. Das große Interesse der Medien und der Öffentlichkeit am Steu­erboykott sollte uns nicht täuschen; ent­scheidend für den Erfolg wird die be­harrliche Haltung vieler Einzelner sein. Ein Recht auf Kriegssteuerverweigerung muß erst erkämpft werden.

Die Aktion "Kein Geld für Krieg!"
Am Tag, als die Absicht der Bundesre­gierung bekannt wurde, die Steuern für den Krieg zu erhöhen, rief die Friedens­steuerinitiative zu einem umfassenden Steuer- und Finanzboykott des Krieges auf. Seither haben ca. 50.000 Menschen unsere Aufrufe und Infoschriften erhal­ten; eine weit größere Zahl erfuhr von der Aktion "Kein Geld für Krieg" über die verschiedensten Medien. Einige hundert (oder tausend?) haben bereits konkret Zahlungen an den Staat verwei­gert, viele bereiten sich noch darauf vor.

Die Aktion läuft weiter. Einen neuen Hö­hepunkt soll sie am 1. Juli erhalten. Mit dem Fernrücken des Golfkrieges besteht die Gefahr, daß die Menschen wieder zur "Tagesordnung" übergehen. Wer jetzt in seinem/ihrem (Ge-)wissen auf­gerüttelt ist, sollte sich dem Netzwerk "Friedenssteuer" anschließen und die Aktion "Nicht von meinen Steuern!" mit vorbereiten.

Das Netzwerk "Friedenssteuer"
Das Netzwerk Friedenssteuer soll Ein­zelne und Gruppen dabei unterstützen, den Gewissenskonflikt bei der Mitfi­nanzierung von Krieg und Militär in politisches Handeln umsetzen. Ziel ist, auf dem Weg einer gewaltfreien Aktion die Befreiung vom Militärsteuerzwang zu erreichen. Die Hauptaufgabe des Netzwerkes Friedenssteuer ist es, den Erfahrungsaustausch zwischen den Menschen, die Steuern verweigern, zu fördern.

Wir wollen eine Organisation ohne "Vereinsmeierei" und Bürokratie und mit möglichst klaren Entscheidungs­strukturen und effektiver Arbeit auf­bauen.

Ab Ostern 91 gibt es einen kurzen Rundbrief mit dem Wichtigsten und mit Hinweisen auf weiterführende Informa­tionen. TrägerInnen des Netzwerkes sind Kontaktpersonen in verschiedenen Städten und Regionen oder auch (betrieblichen) Zusammenhängen.

Die Aktion "Nicht von meinen Steu­ern!"
Ohnmacht und Wut angesichts des Golfkrieges zu erleben, war für viele ein Schlüsselerlebnis. Wir werden noch lange diese Erfahrung innerhalb der Friedensbewegung aufarbeiten müssen. Daß wir für den Krieg (und für weitere Kriege) zur Kasse gebeten werden, kommt jedoch durch die Steuererhö­hungen nocheinmal verschärft auf uns zu. Für den Aufbau einer Gewaltfreien Aktion ist es wichtig, zukunftsorientiert zu arbeiten.

Wir planen, vom 29.6. bis 1.7. 1991 Aktionstage unter dem Motto "Nicht von meinen Steuern" durchzuführen und bitten alle Gruppen und Organisationen der Friedensbewegung, sich daran zu beteiligen - auf dem Hintergrund ihrer jeweiligen charakteristischen Arbeit.

Besonders wichtig ist die Beteiligung von ganz vielen Einzelpersonen, Ein­richtungen und Betrieben, die mit der Mitfinanzierung von Krieg und Militär ernsthaft Schluß machen wollen. Die Aktionstage sollen der Auftakt für eine umfassende Kampagne zur Befreiung vom Militärsteuerzwang werden.

"Kein Mann, keine Frau, keine Arbeit und kein Geld für Krieg und Militär!" Das ist auch unser Fernziel. Wir be­ginnen damit, unsere eigene Mitwirkung in Frage zu stellen und der zu widerste­hen.

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Reinhard Egel ist Koordinator der Ak¬tion "Kein Geld für Krieg"