Kriegsverherrlichende Bücher in die Stadtbüchereien?

von Peter Kratz

Sollen kriegsverherrlichende Bücher in Stadtbüchereien auch für Ju­gendliche frei zugänglich und ausleihbar sein? Diese Frage stellt sich, nachdem die "Bonner Initiative Gemeinsam gegen Neofaschismus" in der Bonner Stadtbücherei über Jahre hin immer wieder Dutzende von NS- und kriegsverherrlichenden Büchern einschlägig bekannter Auto­ren und Verlage fand, sie der Öffentlichkeit präsentierte und ihre Maga­zinierung forderte.

Die Bonner Stadtbücherei ist nach dem Supermarkt-Prinzip organisiert: Mit ei­nem "Einkaufs"-Korb gehen die Benut­zerInnen durch die Regale, laden Bücher ein, die ihnen interessant vorkom­men und lassen die Ausleihe am Aus­gang registrieren. Daher sind auch Bücher, die kaum in die Hände von Ju­gendlichen geraten sollten, hier für alle frei zugänglich. Nach einer Magazinie­rung einschlägiger Literatur wäre diese immer noch ausleihbar, sie Mate je­doch gezielt im Katalog gesucht und mit der Signatur bestellt werden. 

Mißverhältnis bei Anschaffun­gen

Die "Bonner Initiative" hat in den Jah­ren 1988, 1989 und 1990 jeweils am 8. Mai die frei zugänglichen Bestände der Bücherei nach NS- und kriegsverherrli­chender Literatur geprüft. Dabei fiel auf, da· die Stadtbücherei Bonn offenbar in den 70er Jahren, als eine Welle solcher nicht wissenschaftlicher, sondern apolo­getischer Kriegs- und NS-Literatur den Buchmarkt überschwemmte, kräftig eingekauft hatte. Kriegsdarstellungen aus der Sicht führender Nazis waren zahlreich im Bestand vorhanden.

Nazi-Autoren berichten vom Krieg

Es ließ sich anhand der eingestempelten Rückgabedaten zeigen, da· diese Bücher keineswegs zu den Landenhütern zählten. Die schlimmsten Fülle, die ge­funden wurden, waren z.B.:

Wilfred von Oven, Adjutant von Goeb­bels: Hitler und der Spanische Bürger­krieg; Zitat: "Sie kämpften als deutsche Soldaten. Sie machten ihrem Lande Ehre." Es sei "Hitler politische Weit­sicht" gewesen, "der roten Gefahr in ei­nem verwirrten Spanien entgegenzutre­ten".

Adolf von Thadden, ehemals NPD-Vor­sitzender: "Guernica - ein Bomben-Schwindel".

Leon Degrelle: Die verlorene Legion. Degrelle war Führer der belgischen Waffen-SS, wurde nach 1945 zum Tode verurteilt und bereitete 1989 aus dem spanischen Exil die 100-Jahr-"Feiern" der 

Neonazis zu Hitlers Geburtstag mit vor. Gegen dieses widerwärtig rassistische Buch über den Kampf der Waffen-SS an der Ostfront aus der Bonner Stadtbüche­rei stellte das Jugendamt der Stadt Bonn inzwischen auf öffentlichen Druck hin einen Indizierungsantrag bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften. 

Ein Foto-Buch über "Stuka-Oberst Ul­rich Rudel. Einziger Träger der höchsten Tapferkeitsauszeichnung", die ihm Hitler verliehen hatte, preist diese langjährige Leitfigur des Neofaschismus als "Beispiel für die Jugend, nicht nur die Jugend Deutschlands, sondern Euro­pas".

In dem Buch "Die Nürnberger Ge­schichtsentstellung" werden "weitere Beweise für Hitlers Friedenswillen" präsentiert, die angeblich vom Nürnberger Tribunal mißachtet worden seien. Der Angriff auf die Sowjetunion 1941 wird als "Präventivkrieg" hingestellt. 

 

In Titel wie "Der Kampf der Wüsten­füchse" (über die Rommel-Armee), "Die Männer von Narvik" (über den deut­schen überfall auf Norwegen) oder "Der Kampf um Kreta" ist der Zweite Welt­krieg ein Abenteuer-Roman heldenhaf­ter deutscher Männer. Das Foto-Buch "Deutsche Pioniere 1939 bis 1945" zieht auch gleich die Verbindung zur Gegen­wart: "Eisenbahnpioniere auf allen Kriegsschauplätzen Europas im Ein­satz", heißt es da, "in Norwegen, in Rußland," und eine Seite weiter: "...und bei der Bundeswehr".

Wer diesen Nazischund auf Landser­heftchen-Niveau anschaffte und warum, diese Frage lie· die Stadt Bonn bis heute unbeantwortet. Vielleicht geschah es ja auf Wunsch der vielen "Ehemaligen", die in der Hardthöhe saßen und sitzen und vor ihren Söhnen mit "Heldentaten" prahlen wollen. 

Magazinierung abgelehnt ...

1988 ergab ein Gespräch mit dem Bon­ner Oberbürgermeister Hans Daniels, der die Errichtung eines Deserteurs-Denkmals in Bonn ablehnte, da· er auch die Magazinierung dieser Literatur ab­lehnt: man habe ja auch Marx (!) im Regal, sei also ausgewogen. Zwei An­fragen der Fraktion Die GrÅnen im Bonner Stadtrat zu diesem Thema er­brachten ebenfalls nur ablehnende Ant­worten: "Die Stadtbücherei hat keine 'NS-, kriegsverherrlichende und neofa­schistische Literatur' in ihren Bestän­den", hie· die Antwort im Juni 1990. Denn nur, was ausdrücklich "verboten" worden sei, trägt für die Verwaltung der Bundeshauptstadt diese Etiketten, die gesamte Nazi- und Landser-Romantik, mit der Jugendliche zum Neofaschismus und zur Gewalt geleitet werden, jedoch nicht. Selbst dann nicht, wenn sie aus einschlägig bekannten, z.T. im Verfas­sungsschutzbericht genannten Verlagen kommt. 

... und doch magaziniert

Allerdings leerten sich gleichzeitig die Regale. Offensichtliche Hammer wie das Rudel-Buch oder die "Nürnberger Geschichtsentstellung" verschwanden. Z.T. wurden sie magaziniert, z.T. waren sie ein Jahr später auf nicht geklärte Weise nicht mehr im Bestand. 

Nazi als "Historiker"

Obwohl inzwischen in den frei zugäng­lichen Regalen der Stadbücherei Bonn große Lücken klaffen, wo bisher kriegs­verherrlichende Literatur stand, weil frie­denspädagogische Literatur nicht in demselben Maße angeschafft wurde, wie die apologetischen Schlachten-Bücher über die Weltkriege aufgrund öf­fentlichen Drucks entfernt werden mußten, fand die "Bonner Initiative Gemeinsam gegen Neofaschismus" auch im Mai 1990 wieder Einschlägiges. Be­sonders die Bücher von Paul Carell alias Paul Karl Schmidt, vor 1945 SS-Unter­sturmbannführer und Propaganda-Chef im Nazi-Außenministerium, nach 1945 Autor zahlreicher Bücher über den Zweiten Weltkrieg. 

CDU will SS-Autor beibehalten

In der Sitzung des Bonner Kulturaus­schusses, die das Problem dieses Lite­raturbestandes auf Antrag der GrÅnen im Juni 1990 debattierte, stellte sich der CDU-Sprecher auf die Seite Schmidt/Carells: dies sei keine apolo­getische Kriegsliteratur, beschied er ge­gen den Protest der GrÅnen und der SPD, die GrÅnen und die "Bonner In­itiative" seien lediglich hysterisch bzw. wollten auf Kosten anderer Publizität. 

Kein Deserteurs-Denkmal für Bonn - aber Kriegsliteratur

Hätte es sich bei diesen Büchern um se­riöse militärhistorische Literatur gehan­delt, niemand hätte Kritik geübt. Bei der Einseitigkeit des Bestandes, der Offen­heit, mit der Bücher aus rechtsextremi­stischen Verlagen aus Steuergeldern an­geschafft und angeboten werden, und bei der Unverschämtheit der politisch Verantwortlichen, Tatsachen zu leug­nen, die Ausleihe solcher Literatur auch an Jugendliche zu rechtfertigen und gleichzeitig ein Deserteurs-Denkmal für Bonn abzulehnen, war energischer Pro­test angemessen.

Die Bonner Stadtbücherei ist sicher kein Einzelfall. In anderen rechts regierten Städten werden AntifaschistInnen und PazifistInnen sicher ebenso fündig wer­den, wenn sie sich auf die Suche ma­chen. 

Peter Kratz ist Mitglied der Bonner In­itiative Gemeinsam gegen Neofaschis­mus.

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt
Peter Kratz ist Mitglied der Bonner In­itiative Gemeinsam gegen Neofaschis­mus.