Herhausen im Kreuzfeuer der Kritik

Kritische AktionärInnen auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank im Mai 1989 in Frankfurt

von Thomas Gerhards

Seit einigen Jahren tauchen in den Aktionärsversammlungen der großen bundesdeutschen Aktiengesellschaften Aktionärinnen auf, die nicht in das Bild vom "normalen" Kleinaktionär passen wollen. Sie stellen kritische Fragen zur Geschäftspolitik, aber nicht, weil sie eine höhere Dividende verlangen das wäre ja "normal", sondern weil sie politische und moralische Fragen zu den Geschäften der großen Unternehmen einbringen wollen. Kritische Aktionärinnen gehen da: von aus, daß sie als Anteilseignerlnnen Mitspracherechte bei der Geschäftspolitik haben. Diese wahrzunehmen und gleichzeitig die Öffentlichkeit über die oft verschwiegene Skrupellosigkeit der Unternehmen zu informieren, ist ihr Ziel.

Wir, d.h. Mitglieder von Pax Christi, des AK Kein Geld für Apartheid, des BUND, BBU und BUKO, traten zum vierten Mal als "Kritische Aktionärlnnen der Deutschen Bank" an. Zur diesjährigen Hauptversammlung hatten wir Gegenanträge auf Nichtentlastung von Vorstand und Aufsichtsrat gestellt. Sie betrafen die Beteiligung der Bank an der mörderischen Schuldenkrise der Dritten Welt, ihre unmoralischen Geschäfte mit Südafrika, die bedrohliche  Machtkonzentration der Bank und ihre internationale Rolle als Förderer des liberalen Kapitalismus. Im Vorfeld wurden unsere Anträge - so bestimmt es zum Leidwesen der Banker das Aktiengesetz - an alle 310.000 Aktionäre versandt. Unerwartet viele solidarisierten sich mit un-seren Anliegen, so daß wir mit knapp tausend Stimmrechten zur Hauptversammlung in der Alten Oper in Frankfurt anreisten (Die Abstimmung ergab am Ende sogar 24 000 Stimmen gegen den Vorstand).
Von vornherein konnten wir die Diskussion dort bestimmen. Vorstandssprecher Herrhausen mußte sich gleich zu Anfang für einige peinliche Fehler seiner Mitarbeiter entschuldigen. Zur gewohnten rhetorischen Brillanz kam er daher nicht. Unsere fünf  ausführlichen Redebeiträge brachten ihn arg in Bedrängnis.
Daß die Bundesrepublik zur Nr.1 als Geschäftspartner des Unrechtsregimes in Südafrika aufgestiegen ist, mußte Herrhausen nun 'amtlich' bestätigen. Mehrere Redner forderten den Vor¬stand eindringlich auf, die Geschäftsbeziehungen abzubrechen. Die Behauptung der Bank, Apartheid abzulehnen, bleibt in höchstem Maße unglaubwürdig. Die Handelsfinanzierungen der Deutschen Bank spielen vielmehr eine wichtige Rolle zum Machterhalt des Botha-Regimes.
Eine spürbare Entlastung der hochverschuldeten Länder der Dritten Welt hat nicht stattgefunden. Der Zwang zum Export führt auch zum Raubbau an der Natur, wenn etwa in Brasilien mit. Unterstützung der Deutschen Bank große Flächen Regenwald für gigantische Industrie-projekte weichen müssen. Immerhin plante die Bank eine umfassende Kofinanzierung im Rahmen des 2. Energiesektorkredits der Weltbank.
Herrhausen setzt sich zwar mit vielen schönen Worten für die Schuldnerländer ein, doch bisher sind keine nennenswerten Taten gefolgt. Die Masse der armen Bevölkerung leidet weiter¬hin an der Last der Schulden. Spenden der Bank an Madagaskar und den Su¬dan sind daher reine Augenwischerei, um Kritiker zu beschwichtigen.
Die Beteiligung am 7 Mrd-DM-AKW Mülheim-Kärlich sowie an den brasi¬lianischen Atomkraftwerken ANGRA II und III kritisierten wir scharf. Die Deutsche Bank ist zum größten Machtzentrum der Bundesrepublik geworden. Sie ist völlig unkontrollierbar, kontrolliert aber selbst ein unübersehbares Geflecht von Unternehmen, die auch an Rüstungsproduktion und -exporten in die Dritte Welt beteiligt sind (Fusion von Daimler/MBB). Wir erinnerten auch an die historische Rolle der Bank im Faschismus. Schließlich kritisierten wir das agressive Vorgehen der Deutschen Bank bezüglich der Deregulierung und Liberalisierung der Finanzmärkte. Die Deutsche Bank leistet da aktive Beihilfe zur Steuerhinterziehung über ihre Luxemburger Tochter. Doch nicht genug damit!
Vor der Alten Oper demonstrierten knapp hundert Menschen gegen die skrupellose Geschäftspolitik der Bank. Wir hatten aus Bonn unser bewährtes 'Goldenes Kalb' mitgebracht. In Anlehnung an das biblische Motiv (Ex 20) verkörpert es die Vergötzung des Geldes und Profits, der sich die Banker drinnen hingaben.
Alles in allem: Das Echo in Presse, Funk und Fernsehen war beachtlich. Wir meinen, unser Ziel, den öffentlichen Druck auf die Bank zu verstärken, wurde voll erreicht. Auch wenn wir dort nie Mehrheiten für uns gewinnen werden, so wurde das verletzliche Image der Bank doch getroffen. Wir wollen weitermachen.
Am 26. Mai wird die Dresdner Bank in Frankfurt und am 30.Mai die Commerzbank in Düsseldorf ihre Aktionärsversammlung abhalten. Das soll nicht ungestört geschehen. Schon jetzt werden phantasievolle Aktionen vorbereitet.
Wir meinen: Jeder/jede kann mitmachen und auf seine/ihre Bank Druck ausüben:

  • Geht zu Euren örtlichen Filialen und stellt unbequeme Fragen!
  • Falls Ihr oder Bekannte Aktien be¬sitzt: Nehmt Euer Stimmrecht selbst wahr oder übertragt es auf die Kriti¬schen Aktionäre! (co/ Georg Her¬ter, Professor-Neeb-Str.za, 6501 Saulheim)
  • Geht zu den kommenden Hauptver¬sammlungen und bringt Euren Protest zum Ausdruck!
  • Macht Veranstaltungen zum Thema 'Banken und unser Geld!

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Thomas Gerhards, Kürfürstenstr. 68, 53 Bonn 1, 22 95 40, 31 Jahre alt, Schrei­ner/Dipl.Theologe und Sozialwissen-schaftler. Mitglied von Pax Christi Bonn und "Kritische Aktionäre der Deutschen Bank".