Landminen

Landmines are banned, Mr. President!

von Angelika Wilmen
Hintergrund
Hintergrund

Es ist ein Tag im August 2012 in einem Waldstück 50 Kilometer nördlich von Sarajevo in Bosnien und Herzegowina. Ibrahim Bijelic sammelt mit seinem 6-jährigen Sohn Tarik Holz. Unbeabsichtigt löst der Junge mit einem großen Ast eine Mine aus. Im Bruchteil von Sekunden kommt es zu einer Explosion, die Vater und Sohn zu Boden wirft. Selbst schwer verletzt, trägt Ibrahim seinen Jungen so schnell er kann durch den Wald zur Straße. Zufällig fährt ein Nachbar mit dem Auto vorbei und hält an, doch der Junge ist bereits tot, verblutet an einer Schrapnelle, die sein Herz durchbohrt hat. Auch der Vater trägt Verletzungen davon. Schnellere Bewegungen fallen ihm seit dem Unfall schwer, doch die Metallstücke können nicht herausoperiert werden, solange sie nicht an einem Platz in seinem Körper zur Ruhe kommen.

Das Schicksal der Familie steht nur exemplarisch für ein Erbe, mit dem Bosnien und Herzegowina 25 Jahre nach Ende des dreijährigen Bürgerkrieges zu kämpfen hat. Laut einer Schätzung des Bosnia & Herzegovina Mine Action Center aus dem Jahr 2018 liegen noch immer etwa knapp 80.000 Minen entlang der ehemaligen Frontlinien vergraben. Etwa 2,3 % der Landesfläche sind aufgrund von Landminen unzugänglich. Jährlich sterben dort bis heute zwischen drei und neun Menschen durch Minenunfälle.

Zwei Jahre nach Ende dieses Bürgerkrieges unterzeichneten 164 Länder im Jahr 1997 den Minenverbotsvertrag, der den Einsatz, die Lagerung, die Herstellung und den Handel mit Antipersonen-Minen verbietet. Die USA nahmen zwar am Ottawa-Prozess zum Verbot von Landminen teil, haben aber die Konvention offiziell nie angenommen oder unterzeichnet. Allerdings verfolgte die Obama-Regierung seit 2014 das Ziel, den Einsatz dieser Waffen möglichst weitgehend einzuschränken.

Von dieser Politik seines Vorgängers rückt US-Präsident Donald Trump nun ab. Am 31. Januar 2020 verkündete er eine neue Landminenpolitik, die es US-Truppen wieder erlaubt, jederzeit und überall auf der Welt Antipersonenminen einzusetzen. Ebenso dürfen US-Unternehmen die Produktion von Antipersonenminen wieder aufzunehmen. Diese Entscheidung steht nicht nur in diametralem Widerspruch zum Beschluss der Obama-Administration, sondern ignoriert auch das völkerrechtliche Verbot von Antipersonenminen durch die „Ottawa-Konvention“.

Das Landminenabkommen wäre vermutlich nicht zustande gekommen ohne den öffentlichen Druck eines weltweiten Bündnisses aus Nichtregierungsorganisationen, dem Internationalen Bündnis gegen Landminen (International Campaign to Ban Landmines, ICBL). 1997 erhielt die Kampagne für ihre Rolle beim Zustandekommen des international verbindlichen Abkommens gegen Antipersonenminen den Friedensnobelpreis.

Arbeit der IPPNW
Die deutsche IPPNW hat sich aktiv an dem Bündnis gegen Landminen beteiligt. Im Auftrag der Hohen Flüchtlings-Kommissarin der Vereinten Nationen (UNHCR) rief die Ärzteorganisation bereits 1994 ein Pilot-Projekt in Guatemala zur Wieder-Ansiedlung von Geflüchteten ins Leben. Mehr als 10 Jahre vor dem Abschluss eines Friedensvertrags litt Guatemala unter dem Krieg zwischen der Regierungsarmee und der Guerillaorganisation "Ejército Guerrillero de los Pobres". Bei seinem Ausbruch waren 50.000 Einwohner*innen der Region Ixcan nach Mexiko geflohen. Obwohl der Konflikt noch andauerte, ermunterten die Regierungen von Mexiko und Guatemala die Geflüchteten zur Rückkehr in ihre alten Dörfer. Die Heimkehrer*innen fanden aber Land vor, das wegen Landminen und anderer über den Boden zerstreuter Sprengsätze nur unter großen Gefahren zu bewohnen und zu bestellen war. Die Rückkehrer*innen forderten von der guatemaltekischen Regierung, dass ihre Dörfer von Landminen gesäubert würden, bevor sie sich dort wieder ansiedelten. Der Druck auf das UNHCR, Maßnahmen zu ergreifen, die Dörfer von Minen zu befreien, wurde immer größer.

Im Rahmen des IPPNW-Projektes sollten Menschen in den betroffenen Regionen im umsichtigen Umgang mit Landminen und in Minensuchmethoden geschult werden, um einen Beitrag zu leisten zur Verhütung von Verletzungen und Tod durch Landminen. Die IPPNW sandte vier Experten in Sachen Minenbeseitigung zur Schulung der örtlichen Bevölkerung in die Dörfer Vera Cruz und Tercer, die zur Kooperative Ixcan Grande in Guatemala gehören.
In der eineinhalbjährigen Dauer des Projektes wurden insgesamt 150.000 Quadratmeter auf Minen abgesucht. Die UNO bewertete das Projekt als Erfolg und auch der Deutsche Bundestag würdigte die Initiative, die in einen Gesetzentwurf der guatemaltekischen Regierung mündete, beim Minenräumen Hilfe zu leisten, Geld zur Verfügung zu stellen und die Bevölkerung aufzuklären.

Mehr als 3.000 Tote pro Jahr
Die Gefahr durch Landminen ist auch heute noch groß: Laut dem aktuellen Landminen - Monitor starben im Jahr 2018 3.059 Menschen durch Landminen, 3.837 wurden verletzt. Noch immer lagern in über 60 Ländern Landminen. Antipersonenminen gehören zu den Waffen, die besonders grausame Verletzungen verursachen und wahllos töten, da sie nicht zwischen Freund und Feind unterscheiden, was gegen jede Regel des Völkerrechts verstößt. Der jahrzehntelange Einsatz von Antipersonenminen hat ein langfristiges Erbe an Tod, Verletzung und Leid hinterlassen. In mehr als 80 Prozent aller Fälle töten oder verletzen sie völlig unbeteiligte Zivilist*innen - oftmals erst Jahre später. Die Ottawa-Konvention zum Verbot von Antipersonenminen, die inzwischen von 164 Staaten, darunter sämtlichen EU-Staaten, ratifiziert wurde, verbietet jeglichen Umgang mit dieser Waffenkategorie. Dennoch leben heute immer noch mehr als 60 Millionen Zivilist*innen mit der täglichen Angst vor Landminen und explosiven Kriegsmunitionsrückständen.  

„Präsident Trumps Kehrtwende in der Landminenpolitik ist ein Schritt in die Vergangenheit und sendet genau die falsche Botschaft an diejenigen, die daran arbeiten, die Welt von Landminen zu befreien. Sie ist zugleich eine fatale Ermunterung an alle Despoten und Menschenrechtsverletzer dieser Welt, wieder auf geächtete Waffen zu setzen“, beklagt Thomas Küchenmeister, Geschäftsführender Vorstand der Berliner Menschenrechtsorganisation Facing Finance e.V. und langjähriger Koordinator der Kampagne für das Verbot von Landminen in Deutschland.

Trump verteidigte seine Entscheidung mit dem Hinweis auf eine Beschränkung auf Anti-Personen-Minen mit eingebauter Selbstzerstörung. Damit will er offensichtlich den Vorwurf entkräften, er setze erneut auf Waffensysteme, die vor allem Zivilist*innen gefährden. Dazu erklärte der IPPNW-Vorsitzende Dr. Alex Rosen: „Auch wenn Trump sogenannte ‚intelligente‘ Antipersonenminen verspricht: Bisher hat noch kein Waffensystem fehlerfrei funktioniert. Landminen sind zu recht international geächtet. Auch die neuen Minen werden also Opfer fordern und jedes Opfer ist eines zu viel“.

Die Nichtregierungsorganisationen Facing Finance, IPPNW Deutschland, Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner*innen und urgewald forderten am 18. Februar um Rahmen einer Protestaktion und eines Straßentheaters vor der US-Botschaft in Berlin, Pariser Platz/Brandenburger Tor die Rücknahme von Trumps Entscheidung und den Beitritt der USA zur Ottawa-Konvention.

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