Flughafen Leipzig/Halle 3./4.9.2011

Lebenslaute probt den Widerstand - Interview mit Marcus Beyer

von Redaktion FriedensForum
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Die Vorbereitungen auf antimilitaristisches Klassik-Konzert am (Kriegs-)Flughafen Leipzig/Halle laufen in höchsten Tönen. Lebenslaute ist eine weltweit einzigartige offene Gruppe, die seit 25 Jahren klassische Musik mit politischer Aktion verbindet. Dieses Jahr kommt Lebenslaute in die Region Leipzig/Halle, um gegen die militärische Nutzung des Flughafens Halle/Leipzig zu protestieren. Vom 24.-26. Juni waren bereits über 60 MusikerInnen von Lebenslaute sowie AktivistInnen von „Nein zum Kriegsflughafen“ in der Attac-Villa in Könnern (Sachsen-Anhalt) zum Vorbereitungs- und Probenwochenende. Wir haben mit Marcus Beyer gesprochen, der sich seit 1994 an Konzertblockaden und -aktionen von Lebenslaute beteiligt.

Friedensforum (FF): Ihr habt Euch mit Lebenslaute Ende Juni zu einem Probenwochenende in der Nähe des Flughafens Halle/Leipzig getroffen. Wie war die Stimmung?

Marcus Beyer (MB): Ausgesprochen gut. Ich denke, die meisten sind mit mehr Energie aus dem Wochenende gegangen, als sie gekommen sind. Und das ist nicht selbstverständlich. Schließlich hatten wir ein volles Programm: Eine Infoveranstaltung, mehrere Plena und Bezugsgruppentreffen zur Aktionsvorbereitung und schließlich stundenlange Proben mit Chor und Orchester bis spät in den Abend.

FF: Auf Eurer Webseite beschreibt Ihr, dass Ihr alles selbstorganisiert und basisdemokratisch macht. Was bedeutet das für so ein Probenwochenende?

MB: Seit Januar und über die Aktion im September hinaus sind ein paar von uns in einer Vorbereitungsgruppe aktiv. Das Ergebnis kann sich schon jetzt sehen lassen. Wir haben mit der Attac-Villa in Könnern ein super Haus für Proben und Aktionsvorbereitung gefunden – hier werden wir auch im September sein. Die Gastgeber stellen uns die gesamte Infrastruktur zur Verfügung und helfen, wo sie nur können. Bekocht werden wir von dem Küchenkollektiv Krisenherd aus Leipzig, die auf diesem Weg auch unsere Aktion im Herbst unterstützen. Es gibt ja diesen Spruch „Ohne Mampf kein Kampf“ – der stimmt zwar im Prinzip, wird dem köstlichen Essen von Krisenherd aber nicht gerecht. Daneben haben sich noch Menschen gefunden, die die Kinderbetreuung übernehmen, die sich um Pressearbeit kümmern, die Transparente malen usw. In juristischen Fragen werden wir wieder einmal von der Jura-Selbsthilfe aus Hamburg unterstützt. Und was die Basisdemokratie angeht, da gilt vor allem, dass sich alle Leute in Debatten einbringen können und Entscheidungen einvernehmlich getroffen werden, also im Konsens. Manchmal treffen wir uns im Plenum, anderes entwickeln wir über ein Bezugsgruppensystem, wieder anderes wird über Infotafeln und Arbeitsgruppen geregelt.

FF: 60 Musikerinnen und Musiker, von Laien bis Profis, treffen sich erstmalig bei einem Probenwochenende und musizieren gleich los. Das ist sicherlich ein spannender Prozess.

MB: Ja, ich finde das jedes Jahr wieder faszinierend. Es wurden zwar im Vorfeld Noten verschickt, aber nicht alle haben Zeit gefunden, auch zu üben. Also geht es irgendwie bei null los und dann passiert es: Wir singen Bach-Fugen mit neuen antimilitaristischen Texten, es erklingt das Lacrimosa aus dem War Requiem von Britten, die Arie „Waffenhandwerk schafft nur Unheil“ wird von zwei Chorsätzen gerahmt, das Orchester spielt Haydn usw. Was soll ich sagen – einfach wunderbar! Neben der Freude über das tolle musikalischen Ergebnis lag beim Probewochenende aber auch schon etwas anderes in der Luft: Die volle Konzentration auf unsere Konzert-Aktion im September am Flughafen Leipzig/Halle und die spürbare Sicherheit, dass wir diese Musik an einem für antimilitaristische Proteste bedeutsamen Ort aufführen werden.

FF: Wie sieht Eure Zusammenarbeit mit den lokalen antimilitaristischen und Friedensgruppen aus?

MB: Wir kooperieren mit dem Friedenskreis aus Halle sowie den Gruppen Nein-zum-Kriegsflughafen und Flughafen-natofrei aus Leipzig. Die lokalen Gruppen sind ja schon seit vielen Jahren an dem Thema dran. Sie haben den Transport von Soldaten und Militärgütern am Flughafen beobachtet und dokumentiert, haben eine Ausstellung entworfen, machen regelmäßig Aktionen und kennen sich mit den juristischen Fragen rund um den Flughafen aus, Verfassungsklagen, Klagen der AnwohnerInnen usw. Für uns von Lebenslaute ist es wichtig, lokale Initiativen bei ihrem Protest zu unterstützen – genauso wie wir auch deren Unterstützung brauchen. Die Infoveranstaltung beim Probewochenende hat exemplarisch deutlich gemacht, wie tief das Militär in scheinbar zivile und friedliche Bereiche verwickelt ist. Wer immer noch glaubt, Deutschland würde sich nicht an Kriegen beteiligen oder Kriegsschauplätze wären weit weg, wird am Flughafen Leipzig/Halle eines Besseren belehrt. Hinter den Kulissen werden Waffen, Soldatinnen und Soldaten in Kriegsgebiete geflogen. Ansässige Logistikunternehmen wie DHL verdienen am Geschäft mit dem Krieg genauso wie die Länder und Kommunen, die mit dem Flughafenbetrieb ihre Haushalte aufpolieren.

FF: Was könnt Ihr denn schon über den Ablauf Eurer Konzert-Aktion verraten? Ist Publikum willkommen?

MB: Auf jeden Fall ist Publikum willkommen, ja sogar gewünscht! Je größer die Aktion wird, desto wahrscheinlicher wird unsere Kritik an zivil-militärischer Zusammenarbeit in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Menschen in Leipzig sollten wissen, dass ihre öffentlichen Schwimmbäder möglicherweise mit Geldern aus Kriegsgeschäften subventioniert werden. Wir hoffen, dass unsere Aktion, die auch in unmittelbarem Bezug zum Antikriegstag steht, von vielen FriedensaktivistInnen und AntimilitaristInnen unterstützt wird. Je mehr Menschen wir sind, desto näher kommen wir unserem Ziel, die militärische Nutzung des Flughafens zu skandalisieren und schließlich zu unterbinden. Herzlich laden wir zu unserem Vorkonzert am 3. September um 19:00 Uhr in die „Alte Mensa“ des Westwerks in Leipzig ein. Vor allem aber freuen wir uns, wenn viele Menschen am Sonntag, 4. September, ab 11:00 Uhr zur Mahnwache am Flughafen Leipzig/Halle kommen. Der Treffpunkt am Flughafen wird auf unserer Webseite noch bekannt gegeben.. Wie die Konzertaktion dann abläuft, welche künstlerischen und antimilitaristischen Beiträge es gibt, das wollen wir noch nicht verraten. Es wird sehr eindrücklich.

FF: Kannst Du unseren Leserinnen und Lesern abschließend noch etwas raten?

MB: Vielleicht in eigener Sache: Lebenslaute ist ein offenes Netzwerk. Wir sind immer auf der Suche nach SängerInnen und InstrumentalistInnen, Kontakten zu politischen Chören und Orchestern usw.. Wir freuen uns, wenn Ihr Euch meldet.

FF: Herzlichen Dank für dieses Interview!

Infos/Kontakt/Anmeldung: www.lebenslaute.net, lebenslaute2011 [at] riseup [dot] net

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