Libanon-Krieg: Aspekte und Perspektiven

von Andreas Buro

Der Libanon-Krieg begann eigentlich schon am 25. Juni im Gaza-Streifen. Dort führte die Geiselnahme eines israelischen Soldaten durch Palästinenser zur Verhaftung vieler Palästinenser und zu einem schweren Bombardement auch der zivilen Infrastruktur des Gaza-Streifens durch die israelische Armee. Kurz darauf wurden 67 der gerade unter internationaler Kontrolle demokratisch gewählten Abgeordneten und Minister der Hamas geführten Regierung als Geiseln genommen. Der Libanon-Krieg begann, nachdem am 12. Juli 2006 weitere zwei israelische Soldaten von der Hisbollah gefangen genommen wurden. Es folgten der israelische Angriff auf den Libanon und der Raketenbeschuss auf nord-israelische Städte durch die Hisbollah. Die Spirale der Gewalt und Gegengewalt, die sich lange in die Vergangenheit verfolgen ließe, drehte sich wieder mit tödlichen Folgen. Alle setzten auf die militärische Karte.

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass der Libanon-Krieg wegen der drei gefangenen israelischen Soldaten geführt wurde. Früher hatte man solche Zuspitzungen durch Verhandlungen über Dritte zu lösen versucht. Was sind die wirklichen Ursachen? Am wahrscheinlichsten erscheint mir, dass Israel die gewachsene militärische Stärke der Hisbollah im Süden des Libanons als Bedrohung empfand. Es nahm die Gefangennahme seiner Soldaten mm Anlass, die Hisbollah und ihr militärisches Potential präventiv zu zerschlagen. Vielleicht kam ein weiteres Motiv hinzu. Israel hat immer wiederverlauten lassen, es würde eine Nuklearmacht Iran nicht dulden. Dieser Drohung sollte durch den Angriff auf die Hisbollah Nachdruck verliehen werden, zumal Israel bereits im Jahre 1981 die im Bau befindliche Atomanlage Osiriak des Irak in einem Überraschungsluftangriff zerstört hatte. Eine durch den Iran mit Mittelstreckenraketen bewaffnete Hisbollah könnte Israel ernsthaften Schaden zufügen und damit eine gewisse Abschreckungswirkung vor Angriffen auf den Iran erzielen.(vgl. M. Massarat FR 23. 8. 2006) Wollte Israel die Voraussetzungen hierfür mit seinem Angriff auf den Libanon beseitigen? Militärische Logik! Übrigens liegen Präventiv-Kriege ganz auf der Linie der Strategie-Entwicklung der USA (Prompt Global Strike-Strategy).

Die Kriegsführung auf beiden Seiten nahm auf die Zivilbevölkerung kaum Rücksicht. Amnesty International bedauert, dass die UN-Resolution 1701, die den Waffenstillstand. fordert, versäumt habe zu fordern, ,,die Einhaltung des humanitären Völkerrechts einschließlich der Notwendigkeit, die für Verstöße Verantwortlichen, zu ermitteln“. Amnesty hat den Kriegsverlauf mit Missionen sowohl in Israel als auch im Libanon beobachtet. Diese stellten fortgesetzte Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen auf beiden Seiten fest. (FR 18.8.2006)

Gewaltsame Konflikte werden fast immer von ideologischen Legitimationsstrategien und der bewussten Schaffung von Feindbildern begleitet, die oft in einem prekären Verhältnis zu den wirklichen Zielen und Verhaltensweisen der Kontrahenten stehen. Der Irak-Krieg der USA und Großbritanniens bietet hierfür reichliches Anschauungsmaterial. Auch im langen Nahost-Krieg sind solche gefährlichen und das Bewusstsein vergiftenden rhetorischen Figuren zu beobachten. Sie sind Zeichen des Ausmaßes der Verfeindung und des Hasses, die durch den Zyklus von Gewalt und Vergeltung entstanden sind. Dieses Ausmaß an Verfeindung lässt ahnen, wie groß das gegenseitige Misstrauen geworden ist, und wie schwierig ein Wechsel zu zivilen, friedlichen Lösungsstrategien sein dürfte; Keine Seite wird leicht auf ihre Rhetorik verzichten wollen, da diese nicht nur der eigenen Legitimation sondern auch der Mobilisierung ihrer jeweiligen Anhänger dient.

Die Gewaltstrategien erscheinen höchst irrational, gibt es doch für die Konfliktparteien konkrete Ziele, die untereinander kompatibel wären. Johan Galtung hat solche für den Libanon-Krieg, vor dem Hintergrund des gesamten Nah- und Mittelost-Konflikts dargestellt (Transcend-Mitteilung 3.8.2006):

Für Palästina nennt er drei nicht-verhandelbare Ziele:

  • Einen eigenen Palästinenser Staat in den Grenzen von 1967. Dabei sind kleinere Korrekturen oder der Aus¬tausch von Gebieten nicht ausge-schlossen.
  • Ost-Jerusalem als Hauptstadt.,
  • Das Recht der Flüchtlinge auf Rückkehr, wobei Zahlen der Rückkehrer und finanzielle Entschädigungen verhandelt werden müssten.

Für Israel sind dies:

  • Anerkennung des jüdischen Staates Israel,
  • innerhalb sicherer Grenzen.

Alle diese Ziele seien miteinander vereinbar. Ebenso auch das für Syrien nicht verhandelbare Ziel der Rückgabe der Golan-Höhen. Sie setzen aber Friedenspolitik voraus. Maximal-Ziele aber, wie die Schaffung eines Groß-Israels bzw. Groß-Palästinas, sind selbstverständlich nicht kompatibel und würden zu immer brutaleren Kriegen führen.

Solche Thesen werfen die Frage auf, ob die unmittelbaren Akteure im Nahost-Konflikt überhaupt eine eigenständige Politik in diesem Sinne betreiben können. Nun ist selbstverständlich internationale Politik nur in Interdependenzen zu denken. Es gibt keine vollständige Unabhängigkeit. Aber es gibt Spielräume, die genutzt werden könnten.

Der Libanon hat nach der langen Besetzung und Zerstörung weiter Teile des Landes durch die israelische Armee beim Wiederaufbau, insbesondere des südlichen, „schiitischen“ Teils kaum Unterstützung aus dem Westen erfahren und wurde den iranischen Mullahs dadurch förmlich in die Arme getrieben.
Nicht selten wird Israel vorgeworfen, es sei nur der Handlager der US-Politik. Sicher haben die USA und Israel eine Reihe gemeinsamer Interessen vor allem in Bezug auf die Hegemonie in Nah- und Mittelost, die auch der Iran im Bündnis mit einigen arabischen Ländern anstrebt. Doch dieses Streben nach der Vormachtstellung erklärt den Konflikt nur teilweise. Zwar war für die Verwirklichung der israelischen Politik die Unterstützung durch die USA eine entscheidende Voraussetzung, gleichzeitig versuchten diese aber auch Einfluss im arabischen Raum zu gewinnen. Wenn auch unter der jetzigen Bush-Administration die konfrontative „Politik des Kampfes gegen den Terror" friedenspolitische Orientierungen weit zurückgedrängt hat, ist doch nicht auszuschließen, dass die US-Politik in Zukunft ein ernsthaftes Interesse an einer Verbesserung ihrer Beziehungen zu den arabischen Staaten haben könnte. Auch die EU-Staaten - allen voran Deutschland aufgrund seiner schweren historischen Schuld gegenüber dem jüdischen Volk - haben allen Grund, sich für eine friedenspolitische Lösung des Konflikts in der gesamten Region einzusetzen und damit ihre meist guten Beziehungen dorthin zu erhalten.
 

Wie steht es in dieser Hinsicht mit den Palästinensern? Nach vielen Gewalttaten der Hamas hatte sich diese als gewählte Regierung mit dem Palästinenser-Präsidenten Abbas auf das Kompromisspapier palästinensischer Inhaftierter aller Fraktionen geeinigt, in dem eine Gründung Palästinas in den Grenzen von 1967 vorgeschlagen wird. Das implizierte die Anerkennung Israels im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung. (TAZ 28.6.2006) Diese Entwicklung verdient Ermutigung von außen, denn es ist für die Hamas-Führung noch ein weiter Weg, ihre Basis und vor allem radikale, militante Flügel ihrer Bewegung auf einen solchen Kurs einzuschwören. Diese positive Entwicklung unterbrachen militante Palästinenser durch die Geiselnahme des israelischen Gefreiten, was Israel zu unverhältnismäßigen Reaktionen veranlasste wie die Bombardierungen im Gaza-Streifen. Ein großer Teil der palästinensischen Bevölkerung, die schwer unter dem israelischen Besatzungsregime leidet, ist an einer friedlichen Lösung zur Erreichung besserer Lebensbedingungen und an einer Fortsetzung der Unterstützung von außen sehr interessiert.

Die Hisbollah im Libanon schlägt seit Jahren aggressive. Töne gegen Israel an und wird deshalb aus westlicher Sicht oft auf der sogenannten „Achse des Bösen" verortet. Nach der jüngsten UN-Resolution 1701 soll der UN-Generalsekretär Kofi Annan Vorschläge zu ihrer Entwaffnung unterbreiten. Beirut lehnt eine zwangsweise Entwaffnung ab. Viele Analysten bezweifeln auch, dass eine gewaltsame Entwaffnung der Hisbollah, etwa durch UNIFIL-Truppen, möglich sei. Sie befürchten, dies könne zu einem Bürgerkrieg im Libanon führen - ein Horrorszenarium! Gegenwärtig wird über eine Eingliederung der Guerilla in die libanesische Armee diskutiert. Vielleicht könnte dies ein Ausweg aus der Sackgasse sein, zumal die Hisbollah Führung ihre Mitarbeit bei der Sicherung des Waffenstillstandes zugesagt hat.

Obwohl Syrien und Iran die Hisbollah unterstützt haben, dürften beide kein Interesse an einer militärischen Auseinandersetzung mit Israel und den USA haben. Syrien nicht zuletzt wegen seiner militärischen Schwäche und seinem Interesse, die eigene Isolierung zu durchbrechen. Iran, das freiwillige für den Libanon zurückgehalten hat, muss es vor allem darum gehen, sich gegen einen israelischen oder US-amerikanischen Angriff zu schützen. Dies ist wohl der stärkste Grund, wie oben be¬schrieben, für seine Unterstützung der Hisbollah.
Der Krieg mündete am 14. 8. 2006 in einen Waffenstillstand aufgrund der UNSR-Resolution 1701. Der Libanon soll 15.000 Soldaten seiner Armee im Süden des Landes stationieren. Zusätzlich soll die UNIFIL-Truppe auf 15.000 Soldaten aufgestockt werden. Sie sollen den Waffenstillstand stützen und Waffenlieferungen an die Hisbollah unterbinden. Das Mandat der UNIFIL ist gegenwärtig noch ziemlich unscharf. Gegen wen soll sich das „robuste" Mandat wenden? Außerdem werden die friedenspolitischen Ziele kaum angesprochen, so dass die langfristige Perspektive unklar bleibt Schon wird erneut über eine nächste Runde in diesem Krieg spekuliert, zumal die israelische Regierung und die Generalität zu Hause scharf wegen unzureichender Kriegführung angegriffen werden. Der Waffenstillstand wurde von Israel bereits wenige Tage nach seiner Ausrufung durch ein Kommandounternehmen gebrochen, was Kofi Annan verurteilte.

In dieser gefährlichen Situation des möglichen Scheiterns und eines heuen Krieges ist Deeskalation des Konfliktes und die Arbeit für eine friedenspolitische Wende das oberste Gebot. Frieden in Nahost ist nicht möglich auf der Basis von Demütigungen und Vernichtungsdrohungen der jeweiligen Gegner. Das aktuelle- Ziel von Friedenspolitik muss sein, Vertrauen zwischen den Konfliktparteien herzustellen, so dass zumindest partikulare Kooperation beginnen kann. Angesichts des Ausmaßes der Verfeindung ist dies sicherlich ein schwieriger Weg und bedarf der unparteiischen Vermittlung.

Aus dieser verfahrenen und mit Feindbildern gepflasterten Situation kann ich mir zum Beispiel folgende Schritte im Sinne einer friedenspolitischen Wende vorstellen:

In einer UN-Resolution werden alle Konfliktparteien zu Gewaltverzicht und einer Friedens- und Dialog-Politik aufgerufen. In ihr wird als Ziel, die Beendigung der Gewaltpolitik und die Entwicklung von Kooperation in der Region, benannt. Syrien, Libanon und die palästinensische Seite werden aufgefordert, ihre Bereitschaft zu bilateralen Friedensverhandlungen mit Israel ohne Vorbedingungen zu erklären. Von Israel wird im gleichen Sinne eine solche Bereitschaft gefordert.

Angesichts der bestehenden tief greifenden Verfeindung wird es trotz Friedensbemühungen in einer Übergangsperiode noch Gewaltakte geben. Es muss jedoch verhindert werden, dass diese erneut zu Eskalationen führen. Deshalb bilden alle Konfliktparteien eine ständigen Ausschuss, in dem gemeinsam über den Umgang miteinander beraten wird. Dabei ist es oberstes Ziel, den bisher geltenden Rache-, Drehungs- und Vergeltungszyklus zu unterbrechen und so eine Voraussetzung für Deeskalation zu schaffen.
In diesem Zusammenhang werden die Konfliktparteien ermutigt, einseitige Schritte zu unternehmen, die ihre Bereitschaft zeigen, von der Konfrontation zum Dialog überzugehen. Das könnten sein:

  • Schritte zur Beendigung militärischer Provokationen aus dem jeweils eigenen Bereich durch Druck auf gewaltbereite Kräfte;
  • die Entlassung von Gefangenen und Geiseln;
  • die Erklärung der Bereitschaft, mit allen Konfliktparteien den Dialog ohne Vorbedingungen aufzunehmen und deren Repräsentanten als legitime Vertreter anzuerkennen;
  • den Weiterbau der Mauer zwischen Israel und dem Westjordanland und den Bau neuer Siedlungen als Zeichen für die Beendigung der ,,unilateralen Politik der vollendeten Tatsachen" einzustellen;
  • die Unterstützung humanitärer Hilfe auf der jeweils anderen Seite als Zeichen der Bereitschaft zur Aussöhnung;
  • die Förderung des Dialogs zwischen den Gesellschaften und Kulturaustausch;
  • die Thematisierung von Friedenspolitik in den Medien.

Die Staaten, die bisher Waffen in das Kriegs- und Krisengebiet geliefert haben, erklären, solche Lieferungen zu stoppen, um Friedenspolitik zu erleichtern. Die deutsche Lieferung von U-Booten an Israel, die auf Atomwaffen umgerüstet werden können, ist friedenspolitisch das falsche Signal und ist zu stoppen.

Deutschland könnte, unterstützt von anderen Staaten, möglichst auch aus der arabisch-islamischen Welt, Vorschläge für eine dauerhafte „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Nah- und Mittelost" unterbreiten und sie angesichts seiner guten Beziehungen in den Ländern dieser Region erläutern. Ein Anknüpfungspunkt könnte der 2002 vom damaligen saudi-arabischen Kronprinzen im Namen von 22 arabischen Staaten unterbreitete Vorschlag an Israel sein: Gegenseitige Anerkennung in Verbindung mit der Bildung eines Palästinenser-Staates in den Grenzen von 1967. Um einen regionalen Dialog zu erreichen, sollten aber auch andere Themen wie z.B. Klärung von Grenzverläufen, gemeinsame Nutzung von Bodenschätzen und Wasserressourcen, Nichtangriffsvereinbarungen, wirtschaftliche, technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit, Umweltschutz, Minderheitenrechte, Umgang mit Flüchtlingen und entwicklungspolitische Maßnahmen für die Region erörtert werden.

Ein wichtiger einseitiger Schritt westlicher Staaten wäre die Akzeptanz der jetzigen palästinensischen Regierung, die aus den jüngsten Wahlen hervorgegangen ist und jetzt zu einer Regierung der nationalen Einheit umgebildet werden soll. Bei der Hamas, die die palästinensische Regierung stellt, lag bereits eine vorsichtige Öffnung zu dem Gedanken, die israelische Regierung und damit Israel zu akzeptieren, vor eine wichtige Neuorientierung! Sie muss nun als vollwertiger Gesprächspartner auch dadurch Akzeptanz erfahren, dass Palästina die bisher verweigerten finanziellen Mittel wieder zugänglich gemacht werden.

Das gesellschaftliche Klima von Gewalt- auf Friedenspolitik umzustellen, ist auch eine Aufgabe der jeweiligen zivilgesellschaftlichen Gruppierungen. Internationale Kooperation von Friedensgruppen kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Ein Beispiel hierfür ist die Aktion „Ferien vom Krieg" des „Komitees für Grundrechte und Demokratie" dem vermutlich weltweit größten Dialogprojekt zwischen israelischen und palästinensischen Jugendlichen.

Solange die Menschen im Gaza-Streifen und dem· Westjordanland zu einem großen Anteil unterhalb des Existenzminimums und ohne eine Perspektive für die Verbesserung ihrer Lebenssituation existieren, werden sich immer wieder gewalttätige Strömungen herausbilden und zur Störung eines möglichen Friedensprozesses beitragen. Es ist deshalb eine friedenspolitische Aufgabe ersten Ranges, das Schicksal dieser Menschen zu erleichtern und ihnen auch eine entwicklungspolitische Perspektive durch Kooperation in der Region und Förderung zu geben. Hilfe von außen ist dafür erforderlich. Ebenso auch für die Beseitigung der Kriegsschäden in Nahost.

Gemäß der UNSR Resolution 1701 soll die UNIFIL im Libanon von 2.000 auf 15.000 Soldaten mit einem möglicherweise robustem Mandat aufgestockt werden. Dieses wird sich voraussichtlich vorwiegend öder ganz gegen libanesische Kräfte richten, was friedenspolitisch destruktiv ist. Muss doch der Eindruck entstehen, die UN und insbesondere die führenden westlichen Mächte würden sich auf die Seite Israels stellen. Eine Polarisierung ist damit vorprogrammiert. Nicht die Stationierung von mehr Soldaten, sondern nur konsequente und weitreichende Bemühungen um friedenspolitische Schritte und Vereinbarungen können zu einer Deeskalation und mehr Sicherheit führen.

Den Maßstab für Friedenspolitik bieten die Menschenrechte. Unter ihrem Vorzeichen werden keine Unterschiede nach Zugehörigkeit zu Völkern, Rassen oder Religionen gemacht. Die Methodik von Friedenspolitik besteht im Streben nach ziviler Konfliktbearbeitung und Kooperation. Deutschland hat aus seiner Vergangenheit des Holocaust eine besondere Verpflichtung zur Sicherung der Existenz Israels, und es muss sich gegen jeden Antisemitismus wenden. Das bedeutet aber nicht, der israelischen Politik stets zuzustimmen. Die bisherige endlose Spirale der Gewalt zeigt eindeutig, Israel kann nur in Sicherheit und Frieden leben, wenn es die Sicherheit und Gleichberechtigung auch der an¬deren Staaten und Völker in der Region anerkennt und die Besatzungspolitik zugunsten eines selbständigen und lebensfähigen Palästinenser-Staates aufgibt. Die deutsche Verantwortung für die Sicherheit Israels besteht deshalb vor allem darin, eine friedenspolitische Wende in Nahost voran zu treiben.

Grundlagen hierfür sind die UN-Sicherheitsrats-Resolutionen 194 und 242, die sich auf das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge und den Rückzug Israels auf die Grenzen von 1967 beziehen; ferner die Resolution des Palästinensischen National Council von 1988, in der die Zwei-Staaten-Lösung akzeptiert wurde, sowie das Angebot Saudiarabiens im Namen von 22 arabischen Staaten von 2002. In ihm wurde die Zwei-Staaten-Lösung auf Grundlage der Grenzen von 1967 mit einer Anerkennung Israels durch diese arabi¬chen Staaten verbunden.

Sicher können die hier vorgeschlagenen Schritte ergänzt und präzisiert wer¬den. Entscheidend ist jedoch, dass endlich eine friedenspolitische Wende versucht wird, auf die sich die Staaten und Gesell¬schaften der Region einlassen können, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Eine solche Wende könnte auch militanten gesellschaftlichen Gruppen in den am Konflikt beteiligten Staaten eine neue auf Zusammenarbeit gerichtete Sinnorientierung geben. Die islamischen Staaten und Gesell¬schaften werden sich nur unter einer solchen Perspektive von der Gefahr der Bürge rund Regionalkriege und von einer „islamistischen" Radikalisierung befreien und ihre Gesellschaften entwickeln können.

Eine friedenspolitische Wende muss endlich auch von den einflussreichen westlichen Staaten ernsthaft und glaubwürdig unterstützt werden. Eine solche Politik liegt im Gegensatz zur gegenwärtig vorherrschenden Gewaltpolitik im Interesse aller Völker der Region, aber auch Europas und der USA.

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