LOVE-Storm

Mit Training und Community-Building gegen Hass im Netz

von Margaretha Eich
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„Fick dich, du Flüchtling, dein Name ist schon ekelhaft genug.“ „Elende, dreckige Systemnutte“.  Solche und ähnliche Online-Hasskommentare erhält etwa die Journalistin Dunja Hayali fast täglich (Zeit Online, 05.08.2017 (1), Focus Online, 20.04.2017 (2)). Beschimpfungen, Drohungen und Falschmeldungen sind seit einigen Jahren Alltag im Netz geworden. Besonders trifft dies soziale Gruppen, die ohnehin von Unterdrückung und Diskriminierung betroffen sind: Frauen, People of Colour, Geflüchtete, Menschen mit Behinderungen. Vor allem Menschen, die sich öffentlich antirassistisch, antisexistisch oder sonst politisch progressiv positionieren, werden dabei zur Zielscheibe von Hate-Speech. Das Ziel der Angreifenden besteht darin, InternetnutzerInnen mundtot zu machen und bestimmte Meinungen aus dem Netz zu verbannen. Hassrede ist daher nicht nur ein Problem für diejenigen, die von ihr direkt betroffen sind. Sie bedroht vielmehr die demokratische Debatte und den Meinungsaustausch im Netz insgesamt und schafft eine Atmosphäre der Angst, sich politisch zu positionieren oder anderweitig auszudrücken.

Woher kommt dieser geballte Hass und was bringt Menschen dazu, ihre Aggressionen so ungehemmt an Anderen auszulassen? Neben einer allgemein zu beobachtenden Verrohung der öffentlichen Debatte spielen unterschiedliche Netz-spezifische Faktoren eine Rolle. Zunächst einmal ist die Anonymität im Netz relevant: NutzerInnen haben für Verhalten, das in der Offline-Welt sozial geächtet und sanktioniert würde, weniger Konsequenzen zu befürchten. Zum Anderen zeigen wissenschaftliche Studien, dass durch den fehlenden Blickkontakt in der virtuellen Kommunikation die Empathiefähigkeit sinkt. Das Gegenüber ist weniger wahrnehmbar und spürbar und dadurch leichter zu entmenschlichen. Zudem erschwert der Bystander-Effekt die Solidarisierung mit Angegriffenen: Viele Menschen nehmen die gewaltvolle Situation wahr, der Impuls der Einzelnen, einzugreifen, sinkt jedoch, da ja theoretisch jede/r intervenieren könnte.
Das Phänomen Hate-Speech wird bereits seit einiger Zeit in der breiten Öffentlichkeit diskutiert. Die Bundesregierung hat mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz 2017 eine Initiative in die richtige Richtung geschaffen, die jedoch zahlreiche Mängel aufweist. Viele Hasskommentare sind zudem nicht eindeutig rechtswidrig oder verletzen Community-Richtlinien, wirken aber dennoch verletzend und bedrohlich auf die Angegriffenen. Individuelles Melden und Anzeigen von Hasskommentaren führt auch deswegen nicht zu einer nachhaltigen Veränderung der Debattenkultur. Stattdessen braucht es eine breite Bewegung der Gegenrede und Zivilcourage, die gegen Beleidigungen und Drohungen Stellung bezieht!

Mit der Internetplattform LOVE-Storm schaffen wir, das ist ein Projekt des Bundes für Soziale Verteidigung (3), deshalb eine Trainings- und Aktionsplattform, die mithelfen soll, eine solche Bewegung aufzubauen. Wie genau soll das funktionieren? Die Plattform soll vor allem zwei zentrale Funktionen erfüllen: Erstens soll sie Interessierte zur Gegenrede befähigen und ausbilden. Dies geschieht durch einstündige interaktive Online-Simulationen. Hier schlüpfen die TeilnehmerInnen in die verschiedenen Rollen von Angegriffenen, AngreiferInnen, Aktiven und ZuschauerInnen. Dabei lernen und üben sie, Angegriffene zu unterstützen, AngreiferInnen gewaltfrei Grenzen zu setzen und Zuschauende zu mobilisieren. Die Trainings werden durch TrainerInnen angeleitet, die für Fragen zur Verfügung stehen und die Reflexion der Lernerfahrungen unterstützen. Darüber hinaus wird es Webinare zu verschiedenen Themen wie digitalem Selbstschutz und rechtlichen Grundlagen geben, die individuell absolviert werden können.

Haben die Interessierten das Training erfolgreich gemeistert, werden sie zu LOVE-Storm Aktionen freigeschaltet. Dies ist die zweite zentrale Funktion der Plattform: Aktion, Vernetzung und Community-Building. Zunächst erstellen sich NutzerInnen ein Aktions-Profil. Über ein Meldeformular mit entsprechender Alarm-Funktion können Hassvorfälle gemeldet werden. Bei einer Meldung werden solange LOVE-StormerInnen mit passendem Profil benachrichtigt, bis sich mindestens fünf gefunden haben, die eine gemeinsame Gegenrede-Aktion durchführen. Die gesammelten Erfahrungen und das Wissen der Community werden in einem Wiki dokumentiert und können in Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen erarbeitet und vertieft werden. Auf diese Weise soll eine zivilgesellschaftliche Gemeinschaft im Netz entstehen, die „ihre Räume“ vor Hass verteidigt.
Hast Du Lust bekommen, bei LOVE-Storm mitzumachen? Dann schreibe uns unter info [at] love-storm [dot] de

Anmerkungen
1 http://www.zeit.de/2017/28/dunja-hayali-moderatorin-hasskommentare
2 http://www.focus.de/kultur/kino_tv/dunja-hayali-sklavenhalterin-rentner-...
3 „LOVE-Storm: Gemeinsam gegen Hass im Netz“ wird vom BMFSFJ im Rahmen des Förderprogrammes „Demokratie leben!“ gefördert.

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Initiativen
Margaretha Eich engagiert sich seit einigen Jahren in unterschiedlichen Initiativen gegen Rechts, zum Beispiel beim Argumentationstraining von "Aufstehen gegen Rassismus". Sie ist eine der Projektkoordinator*innen von LOVE-Storm.