Man kann tun, was man kann!

von Georg Fritzen
Krisen und Kriege
Krisen und Kriege

Zwei junge Männer schlendern durch die Wirtelstraße in Düren - daran ist nichts Besonderes. Auch an den beiden ist nichts besonders. Sie wirken wie ganz gewöhnliche junge Männer, solange man nicht weiß, daß sie beide eigentlich als Soldaten in der jugoslawischen Bundesar­mee auf ihre eigenen Landsleute, vielleicht auf ihre Eltern und Ge­schwister, schießen sollten. Deserteure könnte man sie also nennen, je­denfalls haben sie sich dem Einberufungsbefehl der Armee nicht ge­stellt. Sie haben nicht mehr zu Hause geschlafen, sondern haben sich in der Umgebung ihrer Elternhäuser verborgen gehalten. Dann ist den beiden Kroaten aus Bosnien-Herzegowina die Flucht gelungen. Und jetzt leben sie seit einem Monat in Düren.

Die Vorgeschichte ist schon etwas län­ger: Die katholische Friedensbewegung Pax Christi wollte es angesichts der Es­kalation der Gewalt in "Jugoslawien" nicht bei Protesten und Appellen be­wenden lassen. Sie richtete einen Aufruf an die Mitgliedsgruppen in Deutschland, gegebenenfalls Deserteure der jugosla­wischen Armee aufzunehmen. Die da­hinterstehende Idee: Jeder Soldat, der sich weigert, an diesem sinnlosen Mor­den teilzunehmen, rettet durch seine Weigerung Menschenleben und trägt seinen Teil zur Beendigung des Tötens bei.

Allein im Bistum Aachen fanden sich daraufhin zehn Gruppen und Einzelper­sonen in Pax Christi, die sich bereiter­klärten, solche Militärdienstverweigerer aufzunehmen. So haben bisher sechs junge Männer über viele verschiedene Wege Aufnahme in ihren neuen Gast­familien gefunden.

Die Dürener Pax-Christi-Gruppe hat zwei Kroaten aufgenommen und ver­sorgt sie mit dem, was man zum Leben so braucht. Ihnen fehlen nicht mehr Nahrung und Kleidung, jetzt fehlt ihnen ein gesicherter Status, der es ihnen er­laubt, nicht als Asylsuchende, sondern als Flüchtlinge ohne Existenzangst in Düren zu bleiben, bis ihre Rückkehr in ihre Heimatstadt Banja Luka möglich ist.

Die Mitglieder der Pax-Christi-Gruppe Düren wissen, daß die Aufnahme der beiden das "Jugoslawien"-Problem nicht löst. Sie erleben aber, daß das Gefühl der zornigen Ohnmacht angesichts der Brutalitäten in "Jugoslawien" gemildert wird. Die Dürener haben erfahren, daß eigene Aktivität möglich ist, daß man/frau tun kann, was man/frau kann. Sie wissen, daß Häuser von Kroaten in Düren schon lange voll sind mit Ange­hörigen und Freunden aus "Jugoslawien". Doch es gibt in Düren noch viele Gästezimmer, die sich für eine Beherbergung von Flüchtlingen eig­nen, viele Wohnungen, die nach Auszug der eigenen Kinder zu groß geworden sind. Warum sollten Christen nicht soli­darisch sein mit anderen Christen?

Wer glaubt, es nicht beim Entsetzen über die Tagesschau-Bilder aus Sara­jewo belassen zu wollen, kann sich we­gen genauerer Informationen an eine der Telefonnummern in Düren: 02421/52313 (Georg Fritzen) oder 02421/15056 (Renate Weingartz) oder an die Bistumsstelle von Pax Christi in Aachen, Tel. 0241/402876 wenden.

An die Politiker haben die Pax-Christi-Mitglieder die Erwartung, daß sie die neuen Möglichkeiten einer Intervention in "Jugoslawien" nutzen: nicht durch militärisches Eingreifen oder nur durch wirtschaftliche Sanktionen. Auch durch die Unterstützung und Förderung der Aufnahme von Flüchtlingen könnte dem Elend in "Jugoslawien" begegnet wer­den. Wie erfreulich wäre es zum Bei­spiel, wenn die beiden jungen Männer nicht aus Langeweile durch die Wirtel­straße schlendern müssten, sondern ar­beiten dürften, um so ihrem Aufenthalt hier in Düren einen Sinn zu geben.

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Krisen und Kriege
Georg Fritzen ist in der Pax-Christi-Gruppe Düren aktiv.