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Man kann tun, was man kann!
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Zwei junge Männer schlendern durch die Wirtelstraße in Düren - daran ist nichts Besonderes. Auch an den beiden ist nichts besonders. Sie wirken wie ganz gewöhnliche junge Männer, solange man nicht weiß, daß sie beide eigentlich als Soldaten in der jugoslawischen Bundesarmee auf ihre eigenen Landsleute, vielleicht auf ihre Eltern und Geschwister, schießen sollten. Deserteure könnte man sie also nennen, jedenfalls haben sie sich dem Einberufungsbefehl der Armee nicht gestellt. Sie haben nicht mehr zu Hause geschlafen, sondern haben sich in der Umgebung ihrer Elternhäuser verborgen gehalten. Dann ist den beiden Kroaten aus Bosnien-Herzegowina die Flucht gelungen. Und jetzt leben sie seit einem Monat in Düren.
Die Vorgeschichte ist schon etwas länger: Die katholische Friedensbewegung Pax Christi wollte es angesichts der Eskalation der Gewalt in "Jugoslawien" nicht bei Protesten und Appellen bewenden lassen. Sie richtete einen Aufruf an die Mitgliedsgruppen in Deutschland, gegebenenfalls Deserteure der jugoslawischen Armee aufzunehmen. Die dahinterstehende Idee: Jeder Soldat, der sich weigert, an diesem sinnlosen Morden teilzunehmen, rettet durch seine Weigerung Menschenleben und trägt seinen Teil zur Beendigung des Tötens bei.
Allein im Bistum Aachen fanden sich daraufhin zehn Gruppen und Einzelpersonen in Pax Christi, die sich bereiterklärten, solche Militärdienstverweigerer aufzunehmen. So haben bisher sechs junge Männer über viele verschiedene Wege Aufnahme in ihren neuen Gastfamilien gefunden.
Die Dürener Pax-Christi-Gruppe hat zwei Kroaten aufgenommen und versorgt sie mit dem, was man zum Leben so braucht. Ihnen fehlen nicht mehr Nahrung und Kleidung, jetzt fehlt ihnen ein gesicherter Status, der es ihnen erlaubt, nicht als Asylsuchende, sondern als Flüchtlinge ohne Existenzangst in Düren zu bleiben, bis ihre Rückkehr in ihre Heimatstadt Banja Luka möglich ist.
Die Mitglieder der Pax-Christi-Gruppe Düren wissen, daß die Aufnahme der beiden das "Jugoslawien"-Problem nicht löst. Sie erleben aber, daß das Gefühl der zornigen Ohnmacht angesichts der Brutalitäten in "Jugoslawien" gemildert wird. Die Dürener haben erfahren, daß eigene Aktivität möglich ist, daß man/frau tun kann, was man/frau kann. Sie wissen, daß Häuser von Kroaten in Düren schon lange voll sind mit Angehörigen und Freunden aus "Jugoslawien". Doch es gibt in Düren noch viele Gästezimmer, die sich für eine Beherbergung von Flüchtlingen eignen, viele Wohnungen, die nach Auszug der eigenen Kinder zu groß geworden sind. Warum sollten Christen nicht solidarisch sein mit anderen Christen?
Wer glaubt, es nicht beim Entsetzen über die Tagesschau-Bilder aus Sarajewo belassen zu wollen, kann sich wegen genauerer Informationen an eine der Telefonnummern in Düren: 02421/52313 (Georg Fritzen) oder 02421/15056 (Renate Weingartz) oder an die Bistumsstelle von Pax Christi in Aachen, Tel. 0241/402876 wenden.
An die Politiker haben die Pax-Christi-Mitglieder die Erwartung, daß sie die neuen Möglichkeiten einer Intervention in "Jugoslawien" nutzen: nicht durch militärisches Eingreifen oder nur durch wirtschaftliche Sanktionen. Auch durch die Unterstützung und Förderung der Aufnahme von Flüchtlingen könnte dem Elend in "Jugoslawien" begegnet werden. Wie erfreulich wäre es zum Beispiel, wenn die beiden jungen Männer nicht aus Langeweile durch die Wirtelstraße schlendern müssten, sondern arbeiten dürften, um so ihrem Aufenthalt hier in Düren einen Sinn zu geben.