Die Friedensbewegung der letzten fünfundzwanzig Jahre

Mani Stenner als Motor für Aktionen zivilen Ungehorsams

von Martin Singe

Die Hardthöhenblockade mit über 3.000 Menschen am 21. Oktober 1983 war die erste große Aktion zivilen Ungehorsams, die Mani und ich wesentlich mitvorbereitet hatten. Als wir im Sommer 1983 die Hardthöhe umkreisten und die vielen Eingangstore in einer ersten Skizze aufzeichneten, schwankten wir gefühlsmäßig zwischen ‚Superidee‘ und ‚Wahnsinnsidee‘. Nach und nach wurden die beteiligten Kreise größer, und schließlich gelang im Vorfeld der Großdemo im Hofgarten eine vielbeachtete Aktion zivilen Ungehorsams, die fast durchgehend von vorbereiteten Bezugsgruppen getragen wurde.

Aufgrund der guten Vernetzung der Gruppen war es  möglich, auch  auf die Vorverlegung der Arbeitszeiten der Angestellten des Verteidigungsministeriums mit einer Vorverlegung unserer Aktion zu antworten. Auch Prominente tauchten zur Aktion auf, wie Heinrich Böll, der sich vor das Haupttor setzte und Daniel Berrigan, eigens aus den USA angereist. Über die Hardthöhen-Aktion findet sich in diesem Heft ein Beitrag von Mani selbst zum Thema Friedensbewegung in den 1980ern. Hier berichtet er ebenso von unserer nächsten Aktion, der gewaltfreien Belagerung des Bundestages an den Tagen der Entscheidung über die Stationierung der neuen Atomwaffen am 21./22. November 1983.

Die Idee der Großdemonstration am Cruise-Missiles-Standort in Hasselbach im Hunsrück 1986 stieß vor allem bei den Parteifunktionären im Koordinierungsausschuss der Friedensbewegung zunächst auf Ablehnung. „Wer hier solche Aktionen vorschlägt, der will Gewalt“ – so damals der Juso-Vorsitzende Olaf Scholz. Die unabhängigen und kirchlichen Friedensgruppen konnten sich jedoch durchsetzen, so dass erstmals in der Geschichte der Friedensbewegung eine Großdemonstration direkt an einem Atomwaffenstandort stattfand. Die Aktion war ein großer Erfolg. Vor und nach dieser Großdemo fanden dann – von uns Bonnern organisiert – auch in Hasselbach regelmäßig Sitzblockaden an allen Toren der Basis statt, die zunächst auch strafrechtlich verfolgt wurden, wie die Sitzblockaden in Mutlangen. Bei einer dieser Aktionen hatten wir eine Abrüst-Baustelle eingerichtet und in der Frühe eines Morgens immerhin ein tiefes Loch gebuddelt, durch das man auf die Basis hätte eindringen können. Hier hatte Mani kräftig mit dem Spaten mitgeschaufelt, der allerdings kurz darauf polizeilich beschlagnahmt wurde.

Mani war wohl bei fast allen größeren Aktionen zivilen Ungehorsams der Friedensbewegung zugegen. Vor allem war es seine Sache, die Aktionen so mitvorzubereiten, dass sie überhaupt möglich wurden. Er selbst hatte immer wieder Demo-Aktionen und Kundgebungen angemeldet, von denen aus dann im Anschluss Aktionen zivilen Ungehorsams stattfanden. Nur so war es in vielen Fällen erst möglich, gesichert an die Orte zu gelangen, an denen die Aktionen anknüpfen konnten. So verlief es z.B. auch regelmäßig bei den mehrfachen Sitzblockaden vor der US-Airbase in Frankfurt im Rahmen der resist-Kampagne gegen den Irak-Krieg 2002/2003. Jeweils nach einer längeren Demonstration fand direkt vor dem Eingang der Airbase eine angemeldete Kundgebung statt. Am Ende blieben die Menschen vor Ort einfach sitzen. Nach der Auflösung der Versammlung durch polizeiliche Aufforderungen erlosch die Verantwortlichkeit des Anmeldenden, und es wurde weiter blockiert. Bei einer dieser größeren Blockaden wurden gegen über 1.000 Personen Ordnungswidrigkeits-Verfahren eingeleitet, die jedoch angesichts der Masse der Einsprüche am Arbeitsunmut der Gerichte scheiterten. Es wird oft übersehen, dass auch Blockadeaktionen erst einmal unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Erst nach Auflösung der Versammlung durch die Polizei kann dieser Schutz entfallen, und die Verbleibenden könnten sich einer Ordnungswidrigkeit schuldig machen.

In letzter Zeit und auch schon bei den resist-Aktionen wurde allerdings wieder der § 240 Strafgesetzbuch bemüht. Mit der sogenannten Zweite-Reihe-Rechtsprechung des BGH wird versucht, das Bundesverfassungsgerichtsurteil zu Sitzblockaden auszuhebeln. Der Kampf vor den Gerichten geht bis heute weiter.

Ob bei Massenaktionen wie dem G-8-Gipfel in Heiligendamm, bei Blockupy in Frankfurt oder bei kleineren Aktionen wie vor kurzem die mehrmalige Belagerung des Rüstungsgiganten Rheinmetall in Düsseldorf: Mani war immer schon bei den Vorbereitungen und natürlich bei den Aktionen selbst zugegen und organisatorisch mit konstruktiven und pfiffigen Ideen zum Aktionsablauf präsent. Die Kombination von angemeldeten Demonstrationen/Kundgebungen und deren Verbindung mit Aktionen zivilen Ungehorsams war seine Spezialität. Wurde es bei Aktionen brenzlig, hatte er die herausragende Fähigkeit, auf alle Seiten vermittelnd einzuwirken. Eskalationsträchtige Situationen konnten so dank seines Einsatzes oft deeskaliert werden, so dass das inhaltliche Anliegen der Aktion weiterhin im Mittelpunkt stehen blieb. Allzu gerne stürzen sich die Medien bei der Schilderung von Demonstrationen auf gewaltsame Ausschreitungen, selbst wenn diese im Kontext der Gesamtaktion marginal waren. Die Bewegungen haben Mani Stenner viel zu verdanken. Seine vorausschauenden Planungsideen, seine pfiffige Weitsicht hinsichtlich Verlauf und Wirkung von Aktionen und auch seine – wenn auch umstrittenen – Polizeikontakte haben sehr oft geholfen, wirkmächtige Aktionen in unterschiedlichsten Größenordnungen praktisch und politisch erfolgreich zu ermöglichen.

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".