Palästina und Israel

Mauern - für wen?

von Jamal JumaMaren Mantovani

Die israelische Mauer, die seit 2002 illegal auf palästinensischem Besatzungsgebiet gebaut wird, schien stillschweigend als Faktum akzeptiert zu sein. Dies änderte sich, als US-Präsident Donald Trump gegenüber dem mexikanischen Präsidenten Enrique Pena Nieto erklärte: ”Wissen Sie – schauen Sie nach Israel – Israel hat eine Mauer, und alle sagten, baut keine Mauer (…). Bibi Netanjahu hat mir versichert, dass die Mauer ihren Zweck erfüllt” (1). Dies war ein Alarmruf für die Tatsache, dass Israels Mauer dem palästinensischen Volk nicht nur seine grundlegenden Menschenrechte vorenthält, sondern inzwischen auch die weltweite politische Geografie in einen noch feindseligeren Aufenthaltsort verwandelt hat. Es ist an der Zeit, sich zusammenzuschließen für eine Welt ohne Mauern und allen denjenigen in dem Arm zu fallen, die Mauern bauen, fördern und von ihnen profitieren.

Bei Israels Mauer – Sinnbild der Mauer des 21. Jahrhunderts – handelt es sich in städtischen Siedlungsgebieten um eine Betonmauer bis zu einer Höhe von acht Metern, in ländlichen Gebieten um ein Netz von Zäunen, Stacheldraht, Patrouillenwegen, Wachtürmen und elektronischen Überwachungsanlagen. Zusammen mit den militärischen Sperrgebieten und Siedlungen benutzt Israel diese Sperranlagen, um den PalästinenserInnen den Zugang zum Westjordanland und die Nutzung von rund 60 % des besetzten Westjordanlands zu verweigern, die in den Osloer Friedensverträgen von 1993 als Zone C bezeichnet wurden. Seit Unterzeichnung des Abkommens hat Israel systematisch darauf hingearbeitet, sich diese Zone dauerhaft einzuverleiben.

Die Mauer ist deshalb nur die Spitze einer langfristigen Politik, und wenn dieses System der Abschließung einmal zuendegebracht ist, werden die PalästinenserInnen auf bloße 13 % ihres Heimatlandes zurückgeworfen sein.

Als dauerhafte Einrichtung auf palästinensischem Gebiet beeinträchtigt die Mauer immer stärker das Leben der Menschen: Mit jedem Jahr, in dem den Bauern der Zugang zu ihren Feldern und Wasserstellen verweigert wird, Gemeinschaften voneinander isoliert und Handelsbeziehungen verunmöglicht, Bildung und Ausbildung für die Jugend blockiert werden, Erkrankte von Gesundheiteinrichtungen abgeschnitten sind, nehmen die Schäden gewaltig zu. Die Not wächst, Familien und Gemeinschaften werden zwangsvertrieben. Das palästinensische Wirtschaftsleben wird auf Dauer verkrüppelt, und Selbstbestimmung unmöglich.

Da die Mauer heute zu drei Vierteln fertiggestellt ist, bricht der israelische Siedlungsbau in den abgeriegelten Gebieten alle Rekorde: 2017 wurde die erste vollständig neue Siedlung seit 20 Jahren genehmigt, in Ost-Jerusalem schafft Israel mit Nof Zion die größte Siedlung innerhalb eines palästinensischen städtischen Siedlungsgebiets. Bereits 2016 wurde der Siedlungsbau um 40 Prozent gesteigert, was 2017 noch übertroffen werden dürfte. Gleichzeitig führt Israel die Infrastruktur- und Regulierungsmaßnahmen zuende, um die PalästinenserInnen vollständig abzuriegeln und jene zu vertreiben, die jenseits der Mauer verblieben sind.

Seit Beginn des Mauerbaus genehmigt Israel den Zugang zu den isolierten Ländereien nur an bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten durch festgelegte Tore und für ausgewählte Leute, die von Israel als LandbesitzerInnen anerkannt sind und die weitere Überprüfungen durchlaufen haben.

Im Februar 2017 wurden palästinensische Behörden im nördlichen Westjordanland davon in Kenntnis gesetzt, dass PalästinenserInnen mit weniger als 330 Quadratmetern Land überhaupt keine Genehmigung mehr erteilt wird. Die Hälfte der derzeitigen Genehmigungen ist gefährdet. (2)

Darüber hinaus wird die unlängst begonnene Überarbeitung der ”Beschlagnahme”-Vorschriften für Land entlang der Mauer mit ”Grenzverlaufsänderungen” begründet. Dies bestätigt nur offiziell, was wir immer wieder gesagt haben: Der wahre Grund für den Bau der israelischen Mauer ist die dauerhafte Annexion von palästinensischem Gebiet.

Eine Welt von Mauern
Israels Apartheid-Mauer ist ein Unikum, da sie nicht nur auf besetztem Gebiet verläuft, sondern bereits 2004 vom Internationalen Gerichtshof für illegal erklärt wurde. Diese Position wurde in der Folge auch von der UN-Vollversammlung übernommen. Das Gericht erinnerte die internationale Gemeinschaft auch an ihre Verpflichtung, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Israel zu stoppen und den Bau der Mauer weder zu unterstützen noch zu ihrer Unterhaltung beizutragen.

Bedauerlicherweise hat die internationale Gemeinschaft Israels Mauer nicht gestoppt, sondern als Modell anerkannt: 15 Jahre nach Beginn des Mauerbaus gibt es dreimal soviele Grenzmauern und Mauern, die territoriale Kontrolle über besetztes Gebiet sichern helfen sollen, als 2002.

So baut Europa 28 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer Mauern in Ungarn und Bulgarien und hält die Mauern in den spanischen Enklaven in Nordafrika aufrecht. Israelische Unternehmen spielen mit bei der Militarisierung europäischer Grenzen und vermarkten ihre Erfahrungen beim Bau der israelischen Mauer. Um Verträge mit EU-Ländern zu ergattern, brüstet sich das israelische Unternehmen Btec Electronic Security Systems damit, dass seine ”Technologien, Lösungen und Produkte an der israelisch-palästinensischen Grenze Verwendung finden”. (3) Israelische Firmen wie Elbit Systems haben ihre Technologie für den Bau der US-Mauer an der Grenze zu Mexiko exportiert, für Indiens Mauer nach Kaschmir und etliche mehr.

Florierende Mauerindustrie
Eine wachsende Bewegung will die Verantwortlichen für die israelischen Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft ziehen und die Mechanismen zu ihrer Finanzierung und Unterstützung brechen. Human Rights Watch hat soeben einen Bericht (4) über die illegale Unterstützung israelischer Banken für die Siedlungen veröffentlicht und ruft dazu auf, diese weder zu finanzieren noch zu legitimieren. Die UN ist dabei, eine Liste von Unternehmen zusammenzustellen, die sich in den Siedlungsprojekten engagieren, einschließlich der Mauer. Indessen ziehen es immer noch viel zu viele PolitikerInnen vor, entweder zu schweigen oder als Komplizen aufzutreten – selbst um den Preis, dass die neue Epoche des Mauerbaus tief in den öffentlichen Diskurs und das politische Handeln eingeht.

Während in Spanien über 60 Städte den palästinensischen Aufruf für Boykott, Desinvestment und Sanktionen (BDS) unterstützen, sich sogar zu ”Apartheid-freien Städten” erklärt haben und sich dafür einsetzen, keine Verträge oder Kooperationen mit Körperschaften einzugehen, die Menschen- und Völkerrecht missachten, ist es empörend zu sehen, dass in drei deutschen Städten (München, Frankfurt und Köln – Anm. d. Übers.) Ratsbeschlüsse angestrebt werden, die jegliche Unterstützung von BDS bekämpfen wollen. Sie missachten damit das grundlegende Recht der freien Meinungsäußerung und wollen den Einsatz für die universelle Einhaltung der Menschenrechte mit einem Bannstrahl belegen.

Für eine Welt ohne Mauern
Aber noch besteht Hoffnung. Besonders ermutigend ist für uns die große Unterstützung des gemeinsamen Aufrufs aus Palästina und Mexiko für den Aktionstag am 9. November für eine Welt ohne Mauern. Wir können bereits auf die Unterstützung aus dreißig weiteren Ländern zählen. Der 9. November ist bereits seit Jahren der Aktionstag gegen Israels Apartheid-Mauer. An diesem Tag fiel die Berliner Mauer und diesmal jährt sich der Wahlsieg von Trump.

Zusammen wollen wir eine Welt der Humanität, Solidarität und Kreativität, um die Probleme dieses Planeten zu lösen.

Anmerkungen

1 http://www.jpost.com/American -Politics/Trump-cited-Netanjahu-in-wall-conversation-with-Mexican-president-501538

2 https://www.ochapt.org/content/increased-restrictions-access-agricultural-land-behind-barrier

3 https:www.tni.org/files/publication-downloads/border-wars-report-web1207.pdf

4 https:www.hrw.org/news/2017/09/13/israel-banks-supporting-settlements

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Jamal Juma ist Koordinator und Maren Mantovani internationale Koordinatorin der palästinensischen Kampagne Stoppt die Mauer.