
Verlängerung bis Sonntag: Mehr als 1.300 Menschen haben unseren Ostermarsch-Aufruf, der in der taz, der Zeit und im Freitag erscheinen wird, bereits unterzeichnet. Bist du auch schon dabei?
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Dem folgenden Text liegt ein Referat zugrunde, das Heinz Loquai Anfang Juli während der Sommerakademie auf Burg Schlaining (Österreich) gehalten hat.
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"Weichensteller"
Im Medienzeitalter ist der Medienkrieg ein integraler Bestandteil der Gesamtkriegsführung. Medien transportieren Inhalte, sie werden schon dadurch in gewissem Maße zu einem Sprachrohr von Regierungen. Doch Medien können auch vorgegebene Inhalte verändern und eigene Inhalte schaffen. Medien können sich für den Krieg vereinnahmen lassen, sich aber auch als "vierte Gewalt" begreifen, Regierungen kritisieren, sich zum Anwalt einer wahrheitsgerechten und fairen Berichterstattung machen. Die Erfahrung zeigt, dass der Großteil der Medien gerade dann, wenn ihre Rolle als vierte Gewalt besonderes wichtig wäre, diese Rolle nicht ausfüllen. Sie werden zu Weichenstellern für den Krieg und während des Krieges geradezu zu einer Teilstreitkraft im Rahmen der Gesamtkriegführung. (...)
Der Krieg gegen den Irak 1991
Die Brutkastenstory
Die "Schlacht der Lügen" vor dem Irakkrieg 1991 wurde von John Mac Arthur, einem amerikanischen Journalisten, umfassend und detailgenau dargestellt. Die amerikanische Öffentlichkeit, der Kongress und die Vereinten Nationen wurden in dieser Schlacht vor dem Krieg zielgerichtet attackiert. Dabei spielten private Public Relations Firmen im Dienste der amerikanischen Regierung eine entscheidende Rolle. Am bekanntesten ist wohl die "Operation kuwaitische Krankenschwester": Vor dem amerikanischen Kongress und dem VN-Sicherheitsrat berichtet eine junge Frau, angeblich eine Krankenschwester aus Kuwait, mit tränenerstickter Stimme, wie irakische Soldaten Neugeborene vor ihren Augen aus den Brutkästen eines Kinderkrankenhauses gerissen haben. Dieser authentische Bericht verfehlte die beabsichtigte Wirkung nicht. Später stellt sich heraus, dass die junge Krankenschwester die vierzehnjährige Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA war. Sie war natürlich zu keiner Zeit Krankenschwester. Die Empörung über die Propaganda zur Täuschung von gewählten Volksvertretern war nur begrenzt. Der Vorfall ging als ein Beispiel für gelungene Manipulation in die Annalen ein.
Die Hitlerisierung Saddam Husseins In deutschen und internationalen Medien häuften sich vor dem ersten Irak-Krieg die Gleichsetzungen von Saddam Hussein mit Stalin und vor allem mit Hitler. Der eigentliche Auslöser für die Hitlerisierung Saddams war ein Artikel in der New York Times am 5. April 1990. Präsident Bush griff den Vergleich Saddams mit Hitler mehrfach auf und behauptete sogar, die irakischen Truppen hätten in Kuwait "ungeheuerliche Akte der Barbarei" begangen, "die nicht einmal Adolf Hitler begangen hat." In der Zeit bis zum Kriegsbeginn haben US-amerikanische Printmedien insgesamt 1170mal Saddam mit Hitler verglichen. Die Botschaft an die amerikanische Öffentlichkeit war klar: Es ging, wie im Kampf gegen Hitler-Deutschland um das Überleben der westlichen Zivilisation. Dies verlangte eine erneute Mobilisierung der alliierten Streitkräfte wie im Zweiten Weltkrieg. Nachdem sich das Hitler-Bild festgesetzt hatte, war es nicht schwer, diejenigen, die sich für eine Vermeidung eines Krieges einsetzten, als Appeasement-Politiker zu denunzieren und moralisch abzuqualifizieren. (...) Die beiden linken Publizisten Wolf Biermann und Hans Magnus Enzensberger hatten das zweifelhafte Verdienst, die Hitlerisierung Saddams in intellektuellen Kreisen salonfähig zu machen. Biermanns rhetorische Frage "Soll man einen Hitler machen lassen um des Friedens willen?" und Enzensbergers Charakterisierung Saddams als "Wiedergänger Hitlers" weisen in die gleiche Richtung: Dem Ungeheuer muss durch Krieg ein Ende bereitet werden. (...) Die Bundesregierung unter Medienschelte Doch in nahezu der gesamten deutschen Presse kam es zu einer Kritik an der Bundesregierung wegen ihrer Zurückhaltung bei einer direkten Beteiligung an diesem Krieg. Öffentlich-rechtliche TV-Medien haben sich eher kritisch mit dem Golfkrieg auseinandergesetzt. Doch in den meisten Printmedien, allen voran die FAZ, wurde die Bundesregierung wegen ihrer vermeintlich zauderhaften Haltung, wegen politischer Verantwortungslosigkeit, Lethargie, ihrem Abtauchen kritisiert. Auffallend ist es, "dass zu diesem Zeitpunkt ein Großteil der intellektuellen und journalistischen Elite die Meinung übernommen hat, Deutschland müsse künftig auch militärisch größere Verantwortung tragen, eine Haltung, die ein Großteil der Deutschen nicht vorbehaltlos teilt, ..." Offenbar wurde zu dieser Zeit eine Entwicklung in Gang gesetzt, die schließlich dazu führt, den Krieg als normales Mittel der Politik zu sehen. Doch bemerkenswert ist auch, dass die große Mehrheit der Bevölkerung schon damals gegen eine deutsche Beteiligung an einem Krieg gegen den Irak war. In der folgenden Zeit übernahmen es nun Medien, beinahe im Gleichschritt mit der Regierung, die so genannten "Enttabuisierung des Militärischen" (Schröder) in Deutschland herbeizuführen und den Krieg als Mittel der Politik zu revitalisieren. Die rot-grüne Regierung erntete dafür auch bei den Leitmedien großes Lob. Joffe meint z. B. Schröder und Fischer sei "der Ausbruch aus dem Ghetto außenpolitischer Verantwortungslosigkeit" gelungen. Der Kosovo-Konflikt und die medialen Weichenstellungen zum Krieg gegen Jugoslawien Das "Massaker von Racak" Faktum ist: Bis heute ist der Hergang dieser Bluttat noch nicht abschließend aufgeklärt, obwohl internationale Gerichtsmediziner die Opfer untersucht haben. "Racak" ist eines der Kriegsverbrechen, die im Prozess gegen Milosevic vor dem Haager Tribunal behandelt werden. Die Art, wie als seriös geltende deutschsprachige Tageszeitungen über das "Massaker von Racak" berichteten, wirft ein Licht auf die Vorkriegsberichterstattung und ihre Funktion als Wegbereiter zum Krieg. (...) Es reichte offenbar nicht, über den Tod von 40 Menschen zu berichten. Sondern die medialen Ausschmückungen der Art des Todes und die Verstümmelungen an den Toten sollten wohl die besondere Bestialität der Mörder demonstrieren. Der Balkan-Korrespondent der FAZ, Matthias Rüb, erweckte durch die Art einer geradezu besessenen Detailschilderung den Eindruck, als sei er unmittelbarer Zeuge gewesen. Seine Berichte kamen aus Budapest! (...) Die Diffamierung und Abwertung der OSZE Aus dem angeblichen Scheitern der OSZE, wird der Ruf nach einem militärischen Eingreifen durch die NATO laut. Das Bündnis werde von den Serben als "Papiertiger" verhöhnt (FAZ, 20.1.1999) und sein internationales Ansehen nehme allmählich Schaden (FAZ, 21.1.1999). Die NZZ spricht es klar aus: "Eine Lösung könnte nur ein Krieg gegen Milosevic bringen ... Gerecht wäre ein Krieg gegen Milosevics menschenverachtendes Regime, weil die Verbrechen gegen Menschenrechte nur zu zähmen sind, wenn ihr Urheber von der Macht verjagt ist." (20.1.1999). Die Medien bauen einen Handlungszwang für die Politik in mehrfacher Weise auf: Die journalistische Ausschmückung eines Verbrechens, die Bestialisierung von Tätern, das Versagen nichtmilitärischer Konfliktlösung und die Diffamierung der dafür stehenden Organisation, die Konstruktion einer "Keine-Alternative-Situation" zur militärischen Intervention, zum Krieg. Die jugoslawische "Großoffensive" Welche Lage herrschte nun tatsächlich wenige Tage vor Kriegsbeginn in Kosovo? Die OSZE, die mit ca. 1400 internationalen Beobachtern vor Ort in der Provinz war, fasste ihre Erkenntnisse für den 17. und 18. März 1999 wie folgt zusammengefasst: Die Lage ist über die ganze Provinz hinweg angspannt aber ruhig. Von einer jugoslawischen Großoffensive hatten offenbar auch die Nachrichtenexperten des deutschen Verteidigungsministeriums nichts bemerkt. Am 22. März, also zwei Tage vor Beginn des Luftkrieges gegen Jugoslawien, stellen die Nachrichtenexperten u.a. fest: |
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Entgegen Medienberichten sei derzeit weiterhin keine Großoffensive jugoslawischer Sicherheitskräfte in Kosovo erkennbar. |
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Die Sicherheitskräfte versuchten, örtlich begrenzt die Kräfte der albanischen Guerillakräfte zurückzudrängen. Der Kräfteeinsatz für diese Operationen sei gegenüber der Vorwoche "weitgehend unverändert." |
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Die Auseinandersetzungen überschritten nicht "das bisher erkannte Maß an Gewalt." |
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"Erneute Hinweise auf Zuführungen kampfkräftiger Verstärkungen können derzeit noch nicht bestätigt werden." |
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Humanitäre Katastrophe und Völkermord Die deutsche Politik hat den Krieg gegen Jugoslawien damit gerechtfertigt, die NATO habe gegen einen an den Kosovo-Albanern sich vollziehenden Völkermord bzw. eine humanitäre Katastrophe eingreifen müssen. Die meisten Medien transportierten bzw. verstärkten diese Botschaft. Sie hat sich heute verfestigt.(...) Faktum ist, dass in keinem der Berichte der OSZE oder der Experten des militärischen Nachrichtenwesens von einer derartigen Situation die Rede ist. Noch am 22. März 1999, d. h. zwei Tage vor Kriegsbeginn heißt es in einer Lageanalyse des Amtes für Nachrichtenwesen der Bundeswehr: "Tendenzen zu ethnischen Säuberungen sind weiterhin nicht zu erkennen." Drei Tage vorher hatte das Auswärtige Amt festgestellt: "Von Flucht, Vertreibung und Zerstörung im Kosovo sind alle dort lebenden Bevölkerungsgruppen gleichermaßen betroffen." Eine finale Dynamik zum Krieg Auch deutsche Tageszeitungen machten sich zu Planierraupen für den Weg in den Luftkrieg gegen Jugoslawien. Insgesamt lässt sich feststellen, dass führende deutsche Tageszeitungen gewalttätige Auseinandersetzungen und ihre Folgen dramatisierten. Der Umfang von Kampfhandlungen, die Flüchtlingszahlen, das Ausmaß von Operationen der Sicherheitskräfte wurde z.T. maßlos übertrieben. Serbische Gewalttätigkeiten wurden aufmerksam registriert, nicht selten überzeichnet, die der Kosovo-Albaner oft ignoriert. In ihrer Berichterstattung über Racak transportierten Medien nicht nur die teilweise unrichtigen Vorgaben aus der OSZE, sondern sie erzeugten selbst fiktive Tatbestände, die geeignet waren, ein emotionales Feindbild zu schaffen bzw. ein bereits vorhandenes emotional zu festigen. Medien wurden zu Weichenstellern für den Krieg, indem sie "Zwangsläufigkeiten" konstruierten und den politischen Handlungsspielraum auf die Option Krieg einschränkten. Sie erzeugten in der Bevölkerung ein Gefühl der Zerrissenheit und Ohnmacht gegenüber den geradezu zwangsläufigen Entwicklungen. Es fällt auf, dass sich die untersuchten Tageszeitungen in ihrer Berichterstattung zum Kosovo-Konflikt sehr ähnlich sind, obwohl sie sich im allgemeinen politischen Spektrum unterschiedlich positionieren. (...) Propaganda im Krieg gegen den weltweiten Terrorismus und für einen Krieg gegen den Irak Die Bush-Regierung hatte für den zweiten Krieg gegen den Irak ein neues Konzept für den Umgang mit Journalisten entwickelt. Sie nennt es "Einbettung". Journalisten sollen danach in amerikanische Truppenteile integriert werden, denen sie ständig zugeordnet sind. Sie sitzen dann zwar nicht mehr wie 1991 in einem großen Wüstenzelt und erleben den Krieg per Video. Doch ob Journalisten, die sozusagen in die Truppe integriert sind, kritisch und wahrheitsgerecht berichten, muss eine systematische Auswertung der bisher gemachten Erfahrungen zeigen. Das Wort eingebettet ("embedded") "hat angesichts der langen Geschichte der Prostitutionsmetaphorik in den Beschimpfungen von Journalisten einen recht eindeutigen Beigeschmack." (...) Die amerikanischen Medien warteten ungeduldig auf den Krieg gegen den Irak. "Nicht nur der militärische Truppenaufmarsch am Golf ist so gut wie abgeschlossen, auch die amerikanischen Fernsehsender haben Gefechtsposition bezogen und warten auf den Befehl zum Krieg." Die Fernsehsender haben zig Millionen Dollar in dieses lukrative Unternehmen investiert. Nicht auszudenken was passiert wäre, wenn es keinen Krieg gegeben hätte! Eine riesige Fehlinvestition. Das mediale Propagandamenü Dramatisierung der Gefahr bzw. der Bedrohung Verharmlosung des Ereignisses Krieg und der Kriegsschäden Hervorbringen eines Gefühls der Unvermeidbarkeit des Krieges Die Missachtung und Diffamierung des Widerstands gegen den Krieg Dafür kommt dann am 8. Februar in der FAZ in einem Leitartikel die volle diffamierende Breitseite gegen die Kirchen. Wir lesen: "Ökumene um des lieben Frieden willen ist verlogen." Dem EKD-Ratsvorsitzenden wird vorgeworfen, er mache sich unglaubwürdig, weil er rationale Argumente durch Feindbilder ersetze. In vielen evangelischen und katholischen Gemeinden sei "gegenwärtig die Stunde der Demagogen. Und das wieder einmal in Deutschland." Dieser letzte Satz stellt auf hintergründig infame Weise die kirchliche Friedensbewegung in die Nähe nationalsozialistischer Demagogie. (...) Bestialisierung des Feindes Ohne Zweifel stehen Milosevic und Saddam Hussein für Despotismus und Unterdrückung, auch für Verbrechen. Doch sie mit Hitler gleichzusetzen ist nichts anderes als eine ungeheuerliche Relativierung des Holocaust. Glorifizierung der eigenen Führungspersönlichkeiten Der amerikanische Verteidigungsminister Rumsfeld ist für Thomas Kleine-Brockhoff ein "Visionär des Krieges". Er wolle die Militärstrategie revolutionieren. "Der Irak-Feldzug soll sein Meisterstück werden ... Viele Amerikaner finden Rumsfelds Schlagfertigkeit und seine funkelnde Intelligenz erfrischend. Seit dem Afghanistan-Krieg gilt er als eine Art Sex-Symbol." Vom Washingtoner Korrespondenten der FAZ erfahren wir u. a. Bush studiere die Bibel jeden Tag, er bete regelmäßig und richte sein Handeln nach der Frage aus "Was würde Jesus tun?" Der Präsident sei ein "Ausbund an Bescheidenheit und Volksverbundenheit", es gebe zwar eine "arrogante Faser[!] im Wesen Bushs" doch er sei "ein Mensch der Liebe." Seine "Portion missionarischen Eifers" werde durch "staatsmännische Besonnenheit abgefedert", im "geduldigen Warten" sei die "Entscheidung des politischen Naturtalents zum Ausdruck" gekommen. Zwar wisse Bush, dass er kein Intellektueller ist, sich aber auf "seinen politischen Instinkt, seine Klugheit und seinen Mutterwitz" verlassen könne. (...) Anstelle eines Resümees Der Text wurde von der Redaktion stark gekürzt. Der lesenswerte Text ist vollständig unter www.friedensratschlag.de abrufbar. |