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Menschenrechtsverletzungen und -gefährdungen in der Bundesrepublik Deutschland
vonWenn die Bundesregierung über Menschenrechte spricht, schaut sie ins Ausland. So ist es auch kein Wunder, daß der Menschenrechtsbericht der Bundesregierung vom Auswärtigen Amt geschrieben wird. Diese Sichtweise verstellt den Blick für die vielfältigen Menschenrechtsverletzungen in der Bundesrepublik selbst, mögen diese in vielen Fällen auch nicht so gravierend sein wie in manchen anderen Staaten. Wir wollen im Folgenden einen Überblick über Bereiche geben, in denen aus unserer Sicht Menschenrechte in der BRD verletzt werden. Dies kann hier nur stichpunktartig geschehen. Ausgeblendet bleibt auch eine strukturelle Analyse der BRD-Gesellschaft, die zusätzlich verdeutlichen würde, daß die Gefährdungen von Menschenrechten in unserer Gesellschaft von wirtschaftlichen und machtstrukturellen Zusammenhängen systematisch mitbedingt sind.
Bürgerinnen- und Bürgerrechte sind oft beschnitten oder unterentwickelt. Die demokratischen Rechte (alle Gewalt geht vom Volke aus) sind reduziert auf wenige Wahlakte für repräsentative Organe. Es mangelt an Möglichkeiten direkter Demokratie und selbstverwalteter gesellschaftlicher Bereiche und Institutionen. Das Informationsrecht der Bürgerinnen und Bürger unterliegt vielfältigen Einschränkungen in der Verwaltungsgesetzgebung und in anderen Bereichen (z.B. Verteidigungspolitik als Geheimhaltungspolitik der Regierung gegen das eigene Volk).
Soziale Rechte werden zu wenig ernst genommen. Die Rechte auf Arbeit, Wohnung und Mindest-unterhalt sind in der BRD nicht garantiert. Arbeitslosigkeit, Armut und Obdachlosigkeit (bis hin zur Inkaufnahme der allwinterlich erfrierenden Obdachlosen) nehmen auch in der BRD zu und verletzen die Menschenrechte der Betroffenen. Diese sozialen Rechte müssen als Staatszielbestimmungen in das Grundgesetz integriert werden, damit endlich grundlegende Schritte gegen die permanente Verletzung dieser Rechte eingeleitet werden können. Die hohe Arbeitslosigkeit gefährdet zudem das Recht auf freie Berufswahl. Berufsverbote in den neuen Ländern sind oft pauschaliert begründet und menschenrechtlich nicht zu legitimieren.
AusländerInnen und Asylsuchende werden in der BRD systematisch diskriminiert und von Grundrechten ausgeschlossen. Selbst nach extrem langer Aufenthaltsdauer bleibt die Diskriminierung aufrechterhalten. Einbürgerung - wenn überhaupt - ist an unzumutbare Fristen gekoppelt, es fehlt ein Recht auf doppelte Staatsbürgerschaft, es fehlen Mitbestimmungs- und Wahlrechte. Das Ausländergesetz selbst ist in weiten Zügen diskriminatorisch.
Die Lage der Asylbewerber hat sich nach der Asylrechtsänderung am 1.7.1993 noch einmal drastisch verschlechtert. Für viele Flüchtlinge ist in der Bundesrepublik seitdem das Asylrecht außer Kraft gesetzt, da sie durch das ungerechtfertigte Konzept der sog. "sicheren" Herkunftsländer und Drittstaaten gar keinen Antrag mehr stellen dürfen. Die Prüfungen wurden verschärft und Minimalstandards beim wirksamen Rechtsschutz werden nicht mehr eingehalten (s. Flughafen-verfahren), es wird extrem verstärkt abgeschoben; die Abschiebehaft ist ein Unrechts-Institut (grundlose Inhaftierung, schlechteste Gefängnisbedingungen, Familientrennung etc.); Suizidversuche und Suizide sind nur der Gipfel der psychischen und physischen Folgen der Abschiebehaft; Abschiebungen geschehen oft unter Verletzung der Menschenwürde; Bürgerkriegsflüchtlingen und Deserteuren wird die Aufnahme in Deutschland verweigert.
Gegen rassistische Diskriminierungen und Gewalttaten wird nicht entschieden genug vorgegangen, selbst in staatlichen Einrichtungen kommt es zunehmend zu rassistischen Übergriffen bis hin zu Folter (Polizeigewahrsam, Gefängnisse, Abschiebungen, Rauschgiftfahndung).
Die Rechte kultureller und ethnischer Minderheiten werden oft nicht hinreichend berücksichtigt. Insbesondere müsste die Möglichkeit der Ausübung der eigenen Sprache und Kultur umfassender gewährleistet oder gefördert werden.
Gefangene werden oft in ihrer Menschenwürde durch die Bedingungen und Ausgestaltungen des Strafvollzugsgesetzes verletzt, das viel zu viele Beliebigkeiten und Interpretationsspielräume enthält. Das Resozialisierungsgebot steht oft nicht im Mittelpunkt oder wird tw. gar nicht beachtet. Personelle Engpässe führen - selbst im Jugendvollzug - zum Verwahrvollzug. Extrem lang andauernde und vor allem die lebenslange Freiheitsstrafe sowie die Sicherungsverwahrung verstoßen gegen die Grund- und Menschenrechte. Eine europäische Untersuchungskommission hat 48 Punkte im Strafvollzugssystem der BRD bemängelt, von denen lediglich 2 Punkte behoben wurden.
Behinderte sind noch lange nicht wirklich gleichberechtigt. Ihre Integration in die Arbeits- und Berufswelt ist völlig ungenügend. Die Menschenwürde Behinderter ist bedroht durch Entwicklungen in der biotechnologischen Forschung bis hin zur Forderung nach gentechnischen Versuchen an Behinderten. Die Konsequenzen der pränatalen Diagnostik führen zunehmend zur Abwertung und Ablehnung behinderter Menschen.
Kinder und Jugendliche sind in ihrer Entwicklung oft gefährdet, da ständige Mittelkürzungen zu einem permanenten Unterangebot an schulischen und außerschulischen Angeboten der Jugendarbeit und Jugendbildung geführt haben (besonders extrem in den neuen Ländern). Kindergartenplätze fehlen, was sich zusätzlich besonders negativ auf die Rechte der Frauen auswirkt. Die Rechte der Jugendlichen auf Ausbildung, Arbeit, Wohnung, Zukunft und gesunde Umwelt sind extrem gefährdet. Lehrlinge werden oft diskriminierend behandelt und mit der Arbeitsmarktsituation erpresst.
Frauen sind in dieser frauenfeindlich organisierten Gesellschaft immer noch nicht gleichberechtigt. Diskriminierungen von Frauen und sexistische Gewalt in allen Bereichen von Gesellschaft und Arbeitswelt sind noch immer an der Tagesordnung und verletzten die Würde aller Frauen.
Homosexuelle Frauen und Männer sind noch lange nicht gleichberechtigt. Neben gesellschaftlichen Diskriminierungen wird ihnen auch die rechtliche Gleichstellung mit heterosexuellen Partnerschaften verweigert. Sie müssen oft berufliche Benachteiligungen in Kauf nehmen.
Alte Menschen werden vor allem bei Pflegebedürftigkeit oft menschenunwürdig behandelt. Ihre Rechte auf Selbstbestimmung und Würde werden eingeschränkt und ein würdiges Sterben häufig unmöglich gemacht.
Angestellte und Beamte bei der Bundeswehr, BGS und Polizei werden oft durch die jeweiligen autoritär-hierarchischen Systeme in ihrer Freiheit beschnitten, oft auch in der Freiheit ihres Gewissens, was die Befolgung bestimmter Befehle angeht. (s. Berichte des Wehrbeauftragten, der Kritischen Polizisten etc.)
Kriegsdienst- und Totalverweigerer werden immer noch nicht in ihrer Gewissensfreiheit respektiert. Das inquisitorische Gewissensprüfungsverfahren besteht weiterhin für bestimmte Gruppen von Kriegsdienstverweigerern; Totalverweigerer werden in Gefängnisse gesteckt, statt daß ihre Gewissensentscheidung akzeptiert wird, es fehlt das Recht der umfassenden Kriegsdienstverweigerung (Verweigerung auch der zivilen Unterstützung von Krieg); die Regelung der allgemeinen Dienstpflichten in Art. 12 a GG widerspricht dem Recht auf freie Berufsausübung und kann in Konflikt mit der Gewissensfreiheit geraten, da auch diese Dienste kriegsfördernd wirken können und ein Verweigerungsrecht fehlt.
Die Demonstrationsfreiheit ist in letzter Zeit verschärft eingeschränkt worden. Damit unterliegt das Versammlungsrecht einer zunehmenden Beschneidung. Oft werden Demonstrationen nur noch nach kostenaufwendigem Gang durch die rechtlichen Instanzen genehmigt. Das Demonstrations-recht fördert nicht die Ausübung der Versammlungsfreiheit, sondern versucht diese systematisch zu beschränken und zu reglementieren. Polizeiübergriffe können oft nicht geahndet werden, da Polizisten im Einsatz nicht gekennzeichnet sind und es in Prozessen oft zu gegenseitigen Deckungen durch Zeugenaussagen von Kollegen kommt.
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kollidiert oft mit Gesetzen, die der sog. Inneren Sicherheit dienen sollen. Volkszählungen, Datenaustausch, Datensammlungen bei Behörden stehen oft genug nicht in Einklang mit den Datenschutzbestimmungen. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis wird durch Maßnahmen zur sog. Inneren Sicherheit ständig durchbrochen, ebenfalls das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung.
Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ist bedroht durch die fortgesetzte Atompolitik, durch die umweltzerstörerische Wirtschaftspolitik, durch die Verteidigungspolitik und neue Militarisierung der Außenpolitik, durch die Bio- und Gentechnologien.