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Militär und Männlichkeit - die sexistischen Folgen für Frauen
vonIn der Auseinandersetzung mit dem Thema "Gewalt und Militarismus" ist es unumgänglich, auch den Zusammenhang zwischen Militarismus und Sexismus zu betrachten. Denn zu sehr ist Militär - eines der ältesten Männerbünde - mit der alltäglichen Frauenverachtung und -unterdrückung verknüpft. Im untenstehenden Artikel geht Renate Wanie dem Verhältnis Militarismus und Männlichkeit nach und zeigt die daraus resultierenden sexistischen Folgen auf. Der Text ist der leicht veränderte Vortrag, den sie im Mai diese Jahres auf der Jahresversammlung des Versöhnungsbundes "Vom neuen Denken zum neuen Handeln" in der Arbeitsgruppe "Militär und Männlichkeit" hielt.
Vorweg ein Zitat des Biologen René Quinton aus den Dreißiger Jahren: "Der Krieg gibt den Männern die Erhabenheit, welche die Mutterschaft den Frauen verleiht."
Diese biologistische Sichtweise, die auch heute noch in vielen Köpfen vorherrscht, hat verheerende folgenreiche Auswirkungen für Frauen und ist grundlegend für die Bildung sich ergänzender Stereotypen.
Mann sein ist mit Militär und Krieg verknüpft. Männlichkeit und Militär gehören auch zusammen. Männer haben ihr Vater (!)-Land verteidigt, fremde Länder erobert, ganze Erdteile kolonisiert. Auch heute noch sind die Kämpfenden, die Uniform und Waffen tragen, meist männlichen Geschlechts. Der Zugang zu den Waffen und zu militärischen Macht- und Entscheidungspositionen bleibt den Männern vorbehalten. Der Zusammenhang zwischen Männlichkeit und militärischer Gewalt ist nicht zu übersehen.
Diesem Männerbild steht das Bild einer Frau gegenüber, die gebärt und nährt und mit dieser "natürlichen" Wesensbestimmung den innigsten Bezug zum Leben hat. Deswegen ist sie auch nicht auf Gewalt und Vernichtung ausgerichtet, sondern vielmehr auf Fürsorge und Lebenserhaltung. Der Glaube an die "natürliche Friedfertigkeit" der Frau liegt nahe - offenbart jedoch auch die ideologische Funktion. Die auf die häusliche-private Lebenssphäre reduzierte Frau muß nun Schutz erhalten, da sie sich nicht selbst schätzen kann.
"Der Mann soll zum Krieger erzogen werden und das Weib zur Erholung des Kriegers." Ein kurzer Blick in die Geschichte bestätigt das eben genannte Zitat von Nietzsche. Die häufigsten Rollen, die Frauen angenommen hatten, waren die einer Handlangerin, Stütz und Pflegerin der kämpfenden Männer. Sie waren jedoch nicht nur für die Seite der Männlichkeit zuständig, die versorgt und genährt werden wollte, sondern auch dafür, die Sexualität der Krieger zu befriedigen und ihnen psychische Unterstützung zu geben.
Es sind dieselben Arbeiten zur physischen und psychischen Reproduktion des Mannes, durch die die weibliche Geschlechtsrolle auch zu Friedenszeiten weitgehend bestimmt wurde und noch wird.
Militarismus bedeutet nicht nur eine lebensbedrohende Gefahr für die ganze Menschheit. Er ist - wie es Frauen schon in der 1. Frauenbewegung während des ersten Weltkrieges formulierten - "der Kult der Männergewalt durch Waffenüberlegenheit", der im Besonderen der Feind der Frauenemanzipation war und ist.
Denn zu allen Zeiten war der Militarismus - neben dem Kapital - mit dem Patriarchat verbunden, also immer eine Stütze des Patriarchats und von daher Gegner der Frauenbefreiung. Seine Existenz gründet auf der strikten Trennung der Geschlechter in männliche Herrschaft und weibliche Unterwürfigkeit. Und je ausgeprägter das Männlich-Soldatische, desto größer die Verachtung oder Meidung des Weiblichen. "Suff und Spiel und Mädels" - so ein altbekannter Soldatenspruch - assoziieren eine unbeschwerte Verfügungsgewalt über Sexualität. Sex als Ware, Sex als Beute sind zwei Erscheinungen, die Militär und Krieg schon immer.
Drei Punkte können aus feministischer Sicht für die Bildung und das Funktionieren militärischer Institutionen bis heute als notwendige Voraussetzung genannt werden:
1. Die traditionelle Rollenverteilung mit ihrer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung,
2. die sexuelle Unterdrückung der Frau und deren Verachtung,
3. generell die patriarchalen Verhältnisse.
Sexualisierte Sprache
Untersuchungen im Bereich der Sprache der Militär- und Verteidigungsexperten bestätigen die These vom frauenfeindlichen Männerbund durchaus. Dazu ein Beispiel:
Ein häufig gebrauchter Begriff in der Militärplanung ist "Penetration". Da· dies kein zufälliger Ausdruck ist, zeigt sich auch in der sexualisierten Sprache einiger Politiker, wenn sie ihren Gegner als sexuellen Aggressor darstellen: "Der Feind will die nationale Souveränität vergewaltigen" oder "Miss Liberty" (USA) wird vom Gegner "belästigt" oder es wird ihm mit der eigenen Potenz gedroht. So bezeichnete beispielsweise Lyndon B. Johnson die Bombardierung Vietnams als "Kastrierung Ho Chi Minhs". und weil der Besitz von Waffenmaterial mit Potenz gleichgesetzt wird, fürchten einige Militärexporten auch Abrüstung als Kastration.
Ein weiterer offener Sexismus tritt in der militärischen Umgangssprache zutage: Gewehre werden häufig mit Frauennamen belegt und mit sexuellen Attributen versehen.
Ohne Zurückhaltung verwenden Militärstrategen eine Sprache, die eindeutig Frauenverachtung ausdrückt. Allzu selbstverständlich ist in ihrem Denken und Reden das Übliche Klischee mit der Rollenzuweisung verhaftet, die Frauen in erster Linie als sexuelles Objekt betrachtet, das Opfer ist und keinen eigenen willen hat, das beherrscht werden muß.
Jedoch nicht nur verbal und symbolisch werden Frauen ist der militärischen Umgangssprache diskriminiert. Das frauenverachtende Bild in den Köpfen militarisierter Männer hat noch weiterreichende Konsequenzen. Neben sexistischen Witzen, die Frauen zutiefst lächerlich machen und abwerten, ist es selbstverständlich, da· es zur Abwechslung und für die "Verschönerung" des eintönigen und gewaltvollen Soldatenalltags gehört, Pornographie - sei es im Film oder auf Fotos in ihren Kleiderspinden - zu konsumieren. Beispielsweise wurden in den Niederlanden und den USA harte Pornofilme bewußt vor militärischen Übungen eingesetzt. Es reicht also nicht aus, die Waffen mit Frauennamen zu versehen, um die Soldaten zu mehr Aggression zu stimulieren. Außerdem werden Filme gezeigt, die Frauen in erniedrigender Weise darstellen mit dem Ziel, die militarisierten Männer zu noch mehr Potenz für den kriegerischen Angriff herauszufordern.
Hier wird es ganz deutlich - schon im sog. Frieden gehört der Sexismus zu jeder militärischen Ideologie und Militärpolitik.
Ein weiteres Beispiel für offen praktizierter Sexismus im Alltag des Militärs zu "Friedenszeiten" sind auch die Wettschüsse auf nackte Frauenkörper in der Schweiz Armee. Bis zu ihrer Aufdeckung 1981 war es (seit 1970) Militärprxis, die üblichen Zielscheiben mit den Bildern nackter Frauen zu ersetzen und die typischen weiblichen Körperstellen mit unterschiedlichen Punktzahlen zu benoten. (Das Vorzugsziel Vagina erhielt eine hohe Bewertung) Die Forderung einer Schweitzer Frauenorganisation nach strafrechtlicher Verfolgung wurde abgelehnt. (Courage Nr.2, 1981, S.13)
Militärische Gewalt beginnt also nicht erst mit der Zündung einer Rakete, sondern schafft von Anfang an Gewalt-Verhältnisse. In Ländern, wie zum Beispiel Taiwan, Thailand, Phillipinen und Südkorea - zeigt sich sehr plastisch die militärische (Ver-) Nutzung von Frauen als sexuelle Dienstleistungskräfte, Subsistenz- und Billiglohnarbeiterinnen für eine weitgehend militärabhängige Industrie. Regelrecht expandiert ist in den genannten Ländern - als Erbe des Vietnamkrieges - die Prostitutionsindustrie. Sie ist inzwischen durch den Prostitutionstourismus japanischer und bundesdeutscher Männer ein profitables Geschäft geworden und nicht nur für alle daran beteiligten Unternehmen, sondern auch für die Regierung des jeweiligen Landes. Jedoch bestimmt nicht für die Frauen.
Diese Politik bedeutet ein Krieg gegen die Frauen - unabhängig von nationalen Kriegen - und zum anderen einen sexuellen Imperialismus, der bei jedem Krieg und auch jeder Kriegsvorbereitung entsteht. Zum Schluß noch einen Blick in die Geschichte der militarisierten Männlichkeit - in Kriegen.
Zu einer sexistischen Militärpolitik - beispielsweise auch der Nazis - gehörte es, Mädchen und Frauen in den angegriffenen oder besetzten Ländern wahllos aus ihren Wohnungen zu zerren und zur Zwangsrekrutierung in Bordelle zu stecken, die für Offiziere vorgesehen waren. Dengewöhnlichen Soldaten war es dagegen erlaubt, sich in der ganzen Stadt selbst zu bedienen. In den militarisierten Männerköpfen lag immer die Annahme zugrunde, Männer hätten einen sexuellen Bedarf an Frauen, der versorgt werden müsse. Dies gipfelte schließlich in der fatalen Einrichtung von KZ-Bordellen, in denen nicht nur jüdische Frauen (sondern alle Frauen) pünktlich ihren Körper den Militärs zur Verfügung zu stellen hatten. "Vergnügungsdienst" nannte sich diese brutale, frauenverachtende und rassistische Einrichtung.
"Fun for the boys" und um die Truppe bei Laune zu halten richtete die Armeeleitung im Vietnamkrieg militärisch überwachte (eingezäunte!) und gelenkte Bordelle ein. Die militärische Zurichtung von Frauen als Prostituierte und die Militarisierung der Prostitution selbst ist stets inoffizieller Bestandteil jeder Militärpolitik.
An dieser Stelle möchte ich auch noch die kollektiven Massenvergewaltigungen ansprechen, die Frauen in Kriegen ausgesetzt sind. Oft vergessen und verdrängt werden beispielsweise die Schicksale vieler Frauen, die bei Kriegsende bzw. während des 2. Weltkriegs durch deutsche und russische Männer vergewaltigt wurden. Eine der brutalen Folgen sexistischer Militärpolitik.
Susan Brownmiller dokumentiert das Phänomen Vergewaltigung in ihrem Buch "Gegen unseren Willen, Vergewaltigung und Männerherrschaft" als soldatisches und kriegerisches Beuterecht durch die Geschichte bis in die jüngste Vergangenheit hinein (2. Weltkrieg, Bangladesh, Vietnam...). Sie weist nach, da· es sich bei Vergewaltigungen keineswegs um ein Triebventil in Phasen sexuellen Notstands handelt (eine Begründung im Krieg für Bordelle). Vergewaltigung geschehen auch im Umkreis des Heeres, wo Prostituierte verfügbar sind. Ganz klar kristallisiert sich heraus, da· Vergewaltigung ein Herrschaftsinstrument ist, eine Geste der Demütigung durch die Sieger gegenüber der im Krieg unterlegenen Gruppe. Denn mit der Vergewaltigung sollen Väter, Ehemänner und Brüder der Vergewaltigten in ihrem intimsten Besitzrecht - an der Frau! - getroffen werden. Brownmiller schreibt: "Der Körper der geschändeten Frau wird zum zeremoniellen Schlachtfeld, zum Platz für die Siegesparade des Überlegenen."
Renate Wanie ist Mitarbeiterin der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion Baden.
Literatur:
- Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis, Heft 8/1983 Artikel von unbekannten Autorinnen "Militarismus kontra Feminismus", übersetzt von Maria Mies und Brunhilde Sauerburkhard.
- Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis, Heft 13/1985, Fiegl, Verena, "über den Zusammenhang von Staat - Militär - Prostitution".
- Schenk, Herrad, "Frauen kommen ohne Waffen", München 1983.
- Brownmiller, Susan, "Gegen unseren Willen - Vergewaltigung und Männerherrschaft", Frankfurt 1978.
- Antimilitarismus Information, Heft 8, Berlin 1987, "Frauen haben kein Vaterland... Feministische Beiträge zu Sexismus und Militarismus".
- Friedensforschung aktuell, Ausgabe 24, Winter 1990 (HSFK), Batscheider/Lang/Petry, "Kriegerische Männer-Friedliche Frauen?", feministische Anmerkungen zu einem falsch verstandenen Gegensatz.
- Graswurzelrevolution Nr. 131, Feb. 1989, Uli Wohland, Thesen über militarisierte Männlichkeit.