Militär- und Polizeihilfe: Großmacht spielen ohne Rücksicht auf die Menschenrechte

von Brigitte Erler

Die Bundesregierung hat ein neues Dreijahresprogramm der Ausstat­tungshilfe 1991-1993 vorgelegt, das vom Auswärtigen Ausschuß und vom Haushaltsausschuß des Bundestages abgesegnet werden soll. Der Rahmen dafür wurde schon unauffällig mit dem Haushalt 1991 in Höhe von 37,5 Mio. DM Baransatz und 150 Mio. DM Verpflichtungsermächti­gungen, also insgesamt 187,5 Mio. DM, beschlossen.

Das Programm setzt sich im Wesentlichen aus Polizeihilfe (26 Mio. DM All­gemeine Polizeihilfe und 28 Mio. DM für Rauschgiftbekämpfungsbehörden) und Militärhilfe (109,2 Mio. DM) zu­sammen. Hinzu kommt ein Sonderfonds (23,18 Mio. DM), in dem z.B. die Fort­setzung der umstrittenen Polizeihilfe an Guatemala versteckt wurde. Unter der Überschrift Demokratisierungshilfe soll mit zusätzlichen 10 Mio. DM die Durchführung demokratischer Wahlen unterstützt werden.

Wenn man die Begründungen für die einzelnen Länder mit denen für das Pro­gramm vor drei Jahren vergleicht, so springt ins Auge, daß früher mit die­sem Mittel der Außenpolitik haupt­sächlich Diktatoren im westlichen Lager gehalten werden sollten. Es lag im westlichen und damit auch im deut­schen Interesse, die Sicherheit und Sta­bilität dieser Länder, also de facto ihrer Regierungen, zu erhalten und zu festi­gen. Die Nibelungentreue der Deut­schen zu blutrünstigen Gewaltherr­schern ging dabei so weit, daß die Bun­desregierung noch im Januar 1991, als der Diktator Somalias Siad Barre sich schon versteckt hielt, 29 Container mit Ausstattungshilfe anzulanden versuchte - allerdings vergeblich, da das Land schon von den Aufständischen erobert war. Im Sudan konnte selbst die Bom­bardierung von Flüchtlingslagern die Bundesregierung nicht zum Abbruch der Militärhilfe bewegen, in Zaire nicht die Massaker an Studenten im Mai 90 oder an Demonstranten im April 91.

Nachdem sich nun in zahlreichen Län­dern die Menschen zumindest die Aus­sicht auf Demokratie erkämpft haben, stellt die Bundesregierung ihre Argu­mentation für die Unterstützung dersel­ben Sicherheitsapparate flugs auf eine Unterstützung der Demokratisierung um.

Wie fadenscheinig dies ist, beweist die Begründung der Militärhilfe an Malawi, wo beim besten Willen nichts von De­mokratisierung zu erkennen ist: Die Fortsetzung der Ausstattungshilfe wird vor dem Hintergrund befürwortet, daß den malawischen Streitkräften in dem nach dem Ausscheiden des über 90-jäh­rigen malawischen Präsidenten mögli­chen Machtvakuum eine entscheidende Stabilisierungsaufgabe zukommt. Das heißt im Klartext, auch bei einem zu erwartenden Militärputsch möchten die Deutschen auf jeden Fall dabei sein. Ansonsten wird das Prinzip Hoffnung bemüht: Kamerun wird sich hoffent­lich letztendlich von der allgemeinen Bewegung hin zu echter parlamentari­scher Demokratie nicht ausschließen können.

Ähnlich manipulativ wird mit den Menschenrechten umgegangen. Für einige Länder wird schlankweg festge­stellt, Die Menschenrechtslage in Bur­kina Faso müßte noch weiter verbessert werden oder für Zaire. In Menschen­rechtsfragen müssen weitere Verbesse­rungen erzielt werden. Dies steht da aber so völlig folgenlos, denn die Ach­tung der Menschenrechte soll keines­wegs zur Bedingung für eine Hilfe an die Sicherheitskräfte gemacht werden. Lediglich bei Mali klingt es fast wie eine Bedingung. Dort will die Bundes­regierung gar bei der Aushandlung ei­nes neuen AH-Abkommens klarstellen, daß für uns die Respektierung men­schenrechtlicher und demokratischer Grundsätze Geschäftsgrundlage der Zu­sammenarbeit sein muß. Da werden sich die malischen Militärs verwundert die Augen reiben, was da auf einmal in die Deutschen gefahren ist, denn just seit seinem Militärputsch 1969 erhielt Moussa Traor‚ bis zu seinem Sturz in diesem Jahr ununterbrochen Militär­hilfe. Die Militärs aber mordeten auch danach weiter. In diesem Sommer er­schossen und erstickten sie mindestens 50 gefangene Tuareg, wobei sie sich von den Zivilbehörden nicht stören lie­ßen. Das ist die Geschäftsgrundlage für die Präsenz einer deutschen Gruppe der Bundeswehr. (Um welche Geschäfte handelt es sich im übri­gen?)

Wo nicht einmal die Hoffnung auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage besteht wie unter Hassan II in Marokko oder Suharto in Indonesien, wird sie ganz einfach nicht erwähnt. Mit der al­gerischen Polizei, die vor allem wäh­rend der Unruhen Ende 1988 hem­mungslos sogar Kinder folterte, ist die Zusammenarbeit vertrauensvoll und unbürokratisch.

Auch spekuliert die Bundesrepublik auf ein sehr kurzes Gedächtnis. Die Men­schenrechtslage in Burundi hat in letz­ter Zeit keinen Anlaß zur Kritik gege­ben. Der Sommer 1988 gehört offen­sichtlich nicht mehr zur letzten Zeit, als unter demselben Präsidenten Buyoya das Tutsi-Militär Tausende von Hutus, Frauen, Kinder und Alte, niedermet­zelte. Die über 200 000 Flüchtlinge trauen sich zwar wegen der andauernden Spannungen immer noch nicht zurück, aber die Bundesregierung will den Tutsis ihr Militärkrankenhaus noch bes­ser ausstatten, während das öffentliche Krankenhaus in Bujumbura verkommt.

Bei anderen Ländern wird eine ge­schickte Täuschung betrieben. Obwohl in der Türkei weiterhin systematisch gefoltert wird und die Menschenrechte vornehmlich der Kurden durch Vertrei­bungen aus ihren Dörfern, staatlichen Mord und Folter mit Füßen getreten werden, spricht die Bundesregierung von einer Reihe unter langfristigen Ge­sichtspunkten beachtlicher Fortschritte im Menschenrechtsbereich. Eine solche Formulierung soll wohl die vom AA angekündigte Hilfe bei der Terroris­musbekämpfung erleichtern, bei der ja nicht der türkische Staatsterrorismus, sondern von diesem als solche definierte Terroristen bekämpft werden sollen.

Bei Tunesien läßt sich das AA sogar einmal zu der Formulierung hinreißen: Die bei der Gewährung einer Ausstat­tungshilfe für die Polizei ganz besonders zu berücksichtigende Menschenrechts­lage hat sich seit der Amtsübernahme durch Präsident Ben Ali positiv entwickelt In der Tat, bloß hat das AA vor der Entwicklung des letzten Jahres die Augen ganz fest geschlossen. Oder gilt nicht als Menschenrechtsverletzung, wenn Folter und willkürliche Haft Hun­derte von Islamisten treffen, von denen einer erst in diesem August zu Tode ge­foltert wurde?

Beim Jemen geht das AA für einen flüchtigen Leser ganz besonders täu­schend vor. Es behauptet, Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen durch das Regime Präsident Salehs seien geprüft und nicht bestätigt worden. Wessen Vorwürfe sind, bitte, von wem geprüft worden? Außerdem besteht der neue Jemen aus beiden Teilen, Nord und Süd. Hat die deutsche Botschaft in Sana z.B. das Schicksal von 50 Verschwundenen der letzten Jahre in Nord- und Südjemen recherchiert? Hat die Botschaft alle Ge­fangenen in beiden Ländern, die Folter­vorwürfe erhoben haben, medizinisch untersucht und sie als Lügner entlarvt? Hat die Botschaft auch nur Hinweise darauf, daß drei staatliche Morde 1990 im Reiche Salehs nicht politisch waren?

Manchmal hat man den Eindruck, das AA sei seiner eigenen Ideologie aufge­sessen, mit formaler Demokratie seien eo ipso auch die Menschenrechte ver­wirklicht. Oder weiß es das AA besser und will es nur glauben machen? Die Beziehungen zu Peru sind problemlos und freundschaftlich. Die Tausende durch Militärs ermordeten Bauern, Frauen und Kinder sollten uns ja nun auch wirklich keine Probleme schaffen!

Den Höhepunkt in dieser Beziehung aber bietet Papua-Neuguinea. Origi­nalton AA: Papua-Neuguinea ist eine Demokratie mit marktwirtschaftlicher Ausrichtung. Die Pioniertruppe der Armee soll nach dem Willen der Re­gierung stärker als bisher in den lan­desweiten Entwicklungsprozeß einge­bunden werden. Mit dieser Art von Entwicklung will allerdings ein Teil der Bevölkerung absolut nichts zu tun ha­ben. Die einheimischen Bauern auf Bougainville protestierten gegen den Kupferabbau auf ihrer Insel durch ein internationales Konsortium, dem auch die Zentralregierung angehört. Zwei Jahre lang, 1989 und 1990, kämpften sie um ihre Unabhängigkeit. Die Armee ging mit Mord und Folterungen auch an der Zivilbevölkerung gegen sie vor. Journalisten, Bauern und Ärzte gehörten zu den Opfern. Nach Angaben des dortigen Bischofs führte die von der Regierung verhängte Blockade zusätz­lich zum Tode von 2000 Menschen.

Zwei kriegführende Länder, Somalia und Sudan, sind aus der Förderung in­zwischen ausgeschieden. In Somalia be­richten Augenzeugen, daß von Deut­schen gelieferte Fahrzeuge im Krieg ge­gen den Issaq-Clan im Norden des Lan­des eingesetzt wurden. Marokko aber führt weiter Krieg in der Westsahara - erst im August griff es erneut an trotz des UN-Friedensplans. Mit der merk­würdigen Begründung, die Militärhilfe müsse deshalb fortgeführt werden, weil ein Aufhören als Parteinahme in diesem Krieg ausgelegt werden könnte, steht erneut 2 Mio DM auf dem Programm.

Die Polizeihilfe kann selbst bei wohl­wollender Betrachtung nur als vom Grundsatz her verfehlt angesehen wer­den, solange die Polizei sich so verhält, daß die Bevölkerung kein Vertrauen zu ihr haben kann Keine Polizei kann wirk­sam arbeiten, wenn die Bevölkerung ihr die Verbrechen nicht anzeigt. Wie kann man etwa in Brasilien durch eine bes­sere Ausstattung der Polizei mit einer effektiveren Rauschgiftbekämpfung rechnen, wenn dieselben Polizisten abends losziehen, um die Kinder der Armen zu ermorden? Allein in den er­sten drei Monaten dieses Jahres fielen ihnen 280 Kinder zum Opfer, vor drei Wochen wurde ein 17-jähriger auf einer Polizeiwache zu Tode gefoltert. Im Verhältnis dazu bieten den Menschen die Drogenbosse, die die Slums beherr­schen, noch eine größere Sicherheit.

Die Bundesregierung behauptet zwar, z.B. in Indonesien habe sich die Berührung mit der Realität eines de­mokratischen Verfassungsstaates ... po­sitiv ausgewirkt, wie, sagt sie nicht. Das Gegenteil beweist die in Zaire mit deutscher Polizeihilfe aufgestellte Garde Civile, die sich nahtlos in Mobutus Si­cherheitskräfte mit ihren Geheimge­fängnissen und Folterzentren einreihte und unter anderem am Studentenmassa­ker in Lubumbashi im Mai 1990 betei­ligt war.

All dies weist darauf hin, daß es bei der Militär- und Polizeihilfe keineswegs um Unterstützung von Demokratie und Menschenrechten geht. Es gibt vielfäl­tige Möglichkeiten der Zusammenar­beit, um Demokratien oder Demokrati­sierungsprozesse zu fördern. Hilfe für die Sicherheitskräfte aber gehört nicht dazu, denn genau diese versuchen fast überall, Demokratie zu verhindern, wie allein in den letzten Monaten Putschver­suche in Mali und Togo und der Putsch auf Haiti zeigen.

Die einzige einleuchtende Erklärung für dieses Programm ist das deutsche Be­streben, in möglichst vielen Ländern vor allem der 3. Welt in den jeweiligen Si­cherheitskräften präsent zu sein, was auch immer diese tun und wie sehr sie auch gegen die eigene Bevölkerung vorgehen mögen. Die Bundesregierung hat bei der deutschen Vereinigung im­mer wieder betont, daß sie keine Groß­macht ist und sein wolle. Aber ein biß­chen Kolonialmacht spielen wollen wir doch weiter - etwas anderes ist das Pro­gramm der Ausstattungshilfe nicht!

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Autorin zur Entwicklungshilfe. Engagiert sich als Nord-Süd-Expertin innerhalt der Friedensbewegung