Frauen und Militär

Militärdienst ist kein Ausdruck von Gleichberechtigung

von Majken Jul Sørensen

Die Normen dessen, was es bedeutet, ein “richtiger Mann” oder eine “richtige” Frau zu sein, haben sich in vielen Teilen der Welt in relativ kurzer Zeit beträchtlich verändert. Sie belegen, dass Vorstellungen, was weiblich oder männlich ist, nicht „naturgegeben“ sind, sondern ein Ergebnis von Ideen und Handlungen des Menschen. (1) In den skandinavischen Ländern bekamen Frauen vor gerade Mal 100 Jahren das Recht, zu wählen, aber heute finden es nur wenige seltsam, dass Frauen Ministerinnen oder Parteivorsitzende sind. Für den einzelnen Jungen oder das einzelne Mädchen, die an einem bestimmten Platz zu einer bestimmten Zeit aufwachsen, scheinen solche Ideen über das Geschlecht oftmals unveränderbar, aber man muss nur einen kurzen Blick zurück in die Geschichte werfen, um zu verstehen, dass sie es nicht sind.

Vielerorts hat eine Generation nach der nächsten gelernt, dass das Militär ein Ort ist, der Jungen zu Männern macht. Es war und ist wohl auch noch der Raum, wo das Ideal des starken Mannes, der Frauen, Kinder und das Vaterland verteidigt, am meisten kultiviert wird. Der kämpfende Mann ist der hyper-maskuline Mann an sich. Dass sich viele Männer in dieser extrem maskulinen Welt, die alles verachtet, das als Schwäche interpretiert werden kann, z.B. Pazifismus oder Homosexualität, nicht zu Hause fühlen, wird bequemerweise von der Geschichtsschreibung ignoriert. (2)

                                              

Liberaler Feminismus
FeministInnen haben auf die Beziehung zwischen Patriarchat und Militarismus auf zweierlei sich gegenseitig ausschließende Weisen geschaut. Liberale FeministInnen haben uneingeschränkten Zugang für Frauen zu allen Bereichen der Gesellschaft gefordert – Parlament, Polizei, Gerichtssystem - und das Militär. Sie denken, dass das Patriarchat von innen her zerstört werden muss. Ausdrücke von Sexismus, z.B. wenn Soldatinnen von ihren männlichen Kollegen belästigt oder vergewaltigt werden, sollen dadurch bekämpft werden, dass mehr Frauen und mehr weibliche Offiziere ins Militär aufgenommen werden. Diese Feministinnen betrachten das Militär als eine der letzten Bastionen der Männer, und wenn es Frauen gelingt, diese Arena zu erobern, ist ein weiterer Schritt zu völliger Gleichheit getan. In Skandinavien dominiert dieses liberale Verständnis des Feminismus extrem, und die in jüngster Zeit entstandene Diskussion über „geschlechtsneutrale“ Wehrpflicht in Norwegen ist ein gutes Beispiel für dieses Verständnis.

Am 14. Juni 2013 beschloss das norwegische Parlament, die Regierung aufzufordern, eine Gesetzesänderung vorzunehmen, die eine „geschlechtsneutrale“ Wehrpflicht in Norwegen einführen soll. Das geschah in der gleichen Woche, in der Norwegen den 100. Jahrestags des Frauenwahlrechts feierte, und der Beschluss wurde als ein Sieg der Gleichheit gefeiert. Der Vorschlag, die Wehrpflicht auf Frauen auszuweiten, war von der rot-grünen Regierungskoalition eingebracht worden; junge sozialistische Frauen waren die treibende Kraft hinter ihm. (3) Alle Parteien im Parlament mit Ausnahme der Christdemokraten stimmten für die Vorlage, so dass egal wie die Parlamentswahlen im September 2013 ausgehen, das Gesetz voraussichtlich 2014 verabschiedet und 2015 umgesetzt wird. (4). Norwegen wird dann einem sehr exklusiven Club von Ländern angehören, der Wehrpflicht für Frauen kennt – im Moment gehören ihm nur Israel, Eritrea und Nordkorea an.

Schon 2008 führte Norwegen nach einer Diskussion über Wehrpflicht die Musterung für Frauen ein. Das offizielle Ziel war, 20% Frauen im Militär zu haben – ein Ziel, das bei Weitem noch nicht erreicht ist. 2012 beendeten nur 9% – 706 Frauen – den (noch freiwilligen) Grundwehrdienst. (5)

Die Verteidigungsministerin Anne-Grete Strøm-Erichsen drückte große Freude über die Entscheidung aus und erwartet, dass sie dem Militär die besten und motiviertesten SoldatInnen bringen wird. In der Praxis wurde die Wehrpflicht seit vielen Jahren ausgehöhlt, und das norwegische Militär wird voraussichtlich keine junge Frau sehen, die nicht dort sein WILL. Von den 60.000 Männern und Frauen, die jedes Jahr 18 Jahre alt werden, braucht das Militär nur 9.000 für den Grundwehrdienst. Nur jene Männer, die hoch motiviert erscheinen, werden einberufen. Ziviler Ersatzdienst wurde im Juli 2012 abgeschafft, aber Pazifisten können immer noch den Status eines Kriegsdienstverweigerers beantragen. Es wäre überraschend, wenn nicht für weibliche KDVer dieselben Regeln eingeführt würden.

Bei diesem liberalen Verständnis von Feminismus, von dem die Entscheidung über „geschlechtsneutrale“ Wehrpflicht ein Ausdruck ist, geht es vor allem darum, dass Frauen Macht in Arenen gewinnen, die gewöhnlich von Männern dominiert werden. Dass Männer Zugang zu von Frauen dominierten Bereichen wie Hausarbeit und Kinder gefunden haben, ist in diesem Kampf für gleiche Chancen sekundär. In vielerlei Beziehung macht dieser Kampf viel Sinn und hat Frauen viel mehr Zugang zu Macht und Ressourcen gegeben, als sie es früher hatten – aber hat man auf dem Weg nicht etwas verloren? Ist es wirklich ein Sieg für den Feminismus, wenn Frauen eine militärische Uniform anziehen und Teil einer der am meist hierarchischen Organisationen der modernen Gesellschaft werden?

 

Militarismus und Feminismus sind unvereinbar
Radikale FeministInnen weigern sich, Frauen in Uniform als einen Fortschritt für den Feminismus zu sehen. Sie argumentieren, dass der Militarismus als System so eng mit patriarchalen Werten verknüpft ist, dass die beiden nicht getrennt werden können. Gemeinsam mit Nationalismus und Kapitalismus hält der Militarismus eine extrem ungerechte und rassistische Weltordnung aufrecht, in der die Reichen die Armen beherrschen. Frauen, die in dieses System hineingehen, ändern es nicht von innen, sondern sie selbst werden militarisiert und verinnerlichen die patriarchalen Perspektiven, die einem feministischen Wertesystem widersprechen. Vielleicht verbessern sie ihre eigene Position in der Gesellschaft und fühlen sich stark und unabhängig, aber das geschieht auf Kosten von weniger privilegierten Gruppen. Das Patriarchat als System wird nicht dadurch akzeptabler, dass eine Frau den Finger am Abzug hat und arme Männer in fernen Ländern dominiert. Das Militär beruht auf Hierarchien und Wettbewerb, und seine Herangehensweise an Konfliktbearbeitung ist, Gewalt anzuwenden oder mit ihr zu drohen. Der radikale Feminismus, der Feminismus mit Gewaltfreiheit gleichsetzt, hat nie viel Gehör bei den liberalen FeministInnen gefunden, aber hat doch eine gewisse Verbreitung gefunden. (6) Für diese FeministInnen wird Militarismus immer ein Gegensatz zu dem feministischen Werten der Gleichheit, Toleranz, Solidarität und Gewaltfreiheit sein, egal, welches biologische Geschlecht ein Soldat hat.

Einer der Gründe, warum der Militarismus nicht mehr Kritik von FeministInnen erfahren hat, ist, dass bestimmte Frauen immer von ihm profitiert haben. Cynthia Enloe, die viel über die Verbindungen zwischen Geschlecht und Militär geschrieben hat, sagt:

Wenn Militarisierung für alle Frauen in allen Situationen unterdrückend wäre, würde sie als ein politischer Prozess nicht so mächtig sein. Es ist genau, weil Militarisierung solche Vorteile für manche Frauen beinhaltet, es manchmal schwierig ist, die Manöver der Entscheidungsmacher zu sehen und schwierig, die fundamental patriarchalen Folgen von Militarisierung zu entdecken.“ (7)

Zum Beispiel haben Frauen von der Militarisierung ihres Lebens profitiert, wenn sie Anerkennung und Prestige als Soldatenmütter erhielten, wenn sie ihnen ermöglichte, als Gattinnen von Soldaten oder als Heldinnen an der Heimatfront in sozialen Hierarchien aufzusteigen.

Die Zahl der Militärangehörigen, die positiv über Geschlechtergleichheit, Respekt für Diversität und den Bedarf an den Kompetenzen von Frauen sprechen, wächst, z.B. in Bezug auf Vertrauensbildung bei der lokalen Bevölkerung in Afghanistan. Aber trotz der Rhetorik wird Militarismus immer drei zentrale nicht-feministische Werte vertreten – Hierarchie, Gehorsam und die Drohung mit Gewalt. Ein Militär, das auf unabhängiges Denken, individuelle Verantwortlichkeit und gewaltfreie Konfliktlösungen begründet ist, ist nicht länger ein Militär. In vielen Armeen hat es vermutlich eine Entwicklung hin zu mehr Respekt für die Meinung individueller SoldatInnen gegeben, schlicht, weil es die SoldatInnen besser und effektiver macht. Der neue Trend wird wahrscheinlich auch in einer jüngeren Generation von OffizierInnen etabliert, die mit der Politik von gleichen Chancen aufgewachsen sind. Aber diese neue Toleranz von Frauen und Homosexuellen ändert die Tatsache nicht, dass es sich um Schönfärberei handelt, deren Zweck ist, Werte hervorzuheben, die sich an potentielle neue SoldatInnen „verkaufen“ lassen, während das altmodische Männlichkeitsideal nicht mehr betont wird. Aber Veränderungen in der Rhetorik ändern nicht die Arbeit, die die SoldatInnen verrichten werden.

Einer der Leute, die darauf bestanden haben, den Kampf für Frauenrechte und –Chancen nicht von Fragen von Rasse und Klasse zu trennen, ist Bell Hooks, die darüber schreibt, wie sie als eine schwarze Frau aus einer armen Familie in den USA sich einer sehr anderen Form der Unterdrückung ausgesetzt sah als weiße Frauen aus der Mittelschicht. Ihr Buch „Feminist Theory – From Margin to Center” von 1984 ist ein klassisches Werk des radikalen Feminismus. Hooks kritisiert Frauen aus der Friedensbewegung, die behaupten, dass Frauen von Natur her friedlicher als Männer seien, weil sie Kinder gebären, und dass es Männer seien, die Krieg führten, während Frauen schlicht nur Frieden wollten. Auch wenn historisch gesehen es Männer waren, die die meiste Gewalt im Krieg sowohl gegen Frauen als auch gegen andere Männer begangen haben, vernachlässigt eine solche Sichtweise die Verantwortung, die Frauen dafür trugen, Krieg zu unterstützen und ihre Söhne dazu zu erziehen, Soldaten zu werden. Hooks ist auch kritisch gegenüber jenem Teil der Frauenbewegung, der die Gewalt von Männern in persönlichen Beziehungen (häusliche Gewalt) von anderer Gewalt in der Gesellschaft trennen will. Wenn es um Gewalt gegen Frauen geht, dann ist das Problem nicht nur das Patriarchat, sondern das Feiern von Gewalt in westlichen Gesellschaften, z.B. in Filmen und Musik. Hier wird Gewalt als ein legitimer Weg, Macht zu erlangen, legitimiert, Aber letztlich ist die Gewalt von Männern gegen Frauen nicht anders als die Gewalt von Erwachsenen gegen Kinder, als rassistische Gewalt oder die Gewalt, die Männer gegenüber anderen Männern ausüben. Das Problem ist, dass die Hierarchien von Dominanz und Unterordnung, die in so vielen verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen gefunden werden – in der Schule, wo die LehrerInnen die SchülerInnen kontrollieren, auf der Arbeit, wo der Boss die Angestellten kontrolliert, die Kontrolle der Offiziere über die Wehrpflichtigen und der hartnäckige Versuch der westlichen Länder, die Welt durch eine Kombination von wirtschaftlichen und militärischen Mitteln zu dominieren. (8)

Das Militär ist in der Tat eine der letzten Bastionen der Männer, wo das Patriarchat sich in einer seiner extremsten Formen zeigt. Aber die Lösung dafür ist nicht, Frauen zu militarisieren, sondern die Institution abzuschaffen. Die Unterordnung und der Gehorsam, die das Militär verlangt, wird die Menschheit nie der Gleichheit näher bringen. Was nötig ist, um Kulturen des Friedens zu schaffen, ist mehr Respekt für das menschliche Leben, nicht weniger.

 

Anmerkungen
1 Joshua S. Goldstein, War and Gender: How Gender Shapes the War System and Vice Versa (Cambridge: Cambridge University Press, 2001)

2 Andeas Speck, "Militarization and Masculinities," The Broken Rifle, April 2010

3 Ellen Elster, "Conscription for Women in Norway," War Resisters' International http://wri-irg.org/ConscriptWomenNorway

4 Marie Melgård, "I Dag Innføres Kjønnsnøytral Verneplikt," aftenposten.no, 14. juni 2013.

5 Forsvaret, "Fakta Om Kjønnsnøytral Verneplikt " Forsvaret, http://forsvaret.no/aktuelt/publisert/Sider/Allmenn-verneplikt.aspx.

6 Siehe zum Beispiel Pam McAllister and Peter Einarsson, eds., Livets Väv: Feminism Och Ickevåld, Arken, 5 (Stockholm: Nordan i samarbete med Svenska freds- och skiljedomsföreningen, 1985).

7 Cynthia H. Enloe, Maneuvers: The International Politics of Militarizing Women's Lives (Berkeley, CA: University of California Press, 2000). S. 297-98

8 Bell Hooks, Feminist Theory: From Margin to Center, 2nd ed. (Cambridge: South End Press, 2000). Sie schreibt übrigens ihren Namen mit kleinen Buchstaben – bell hooks.

Dieser Beitrag ist ein leicht veränderter Auszug aus einem Text, der für das norwegische Magazin Nytt Blikk  2013geschrieben wurde. Übersetzung aus dem Englischen: Christine Schweitzer.

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