Militärsteuerverweigerung bei Kirchen

von Martin Arnold
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Seit Beginn des Golfkrieges haben in den katholischen und evangelischen Kirchen in Deutschland über 500 kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihren Dienststellen·oder Synoden Anträge zur Ermöglichung der Militärsteuerverweigerung aus Gewissensgründen gestellt zwei Kirchengemeinden und vier Synoden haben das Anliegen der „Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Steuer“·bisher unterstützt.

Ab Juli 1991, dem Zeitpunkt der Kriegssteuer-Erhöhung, will die Reformierte Gemeinde Göttingen gemäß einem Beschluß des Gemeinderates vom 7. März 91 einen Teil der Steuern ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von den zu zahlenden Lohnsteuern abzweigen. Auch das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Bell im Hunsrück befürwortete am 14. Mai 91 den Antrag ihres Pfarrers auf Militärsteuerverweigerung aus Gewissensgründen und bat das Landeskirchenamt, die Gehalts- und Lohnsteuerstelle entsprechend anzuweisen.

Die Militärsteuerverweigerer berufen sich auf das Menschenrecht der Gewissensfreiheit, wie es in Artikel 4 Absatz 1 des Grundgesetzes ohne Einschränkung garantiert ist, und sie verweisen auf § 163 der Abgabenordnung, nach dem Steuern in Einzelfällen aus Billigkeitsgründen niedriger festgesetzt werden können. Dies haben bereits über hundert Betriebe als Arbeitgeber bei den Lohnsteuern ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit dem Golfkrieg praktiziert. Zwar hat eine Reihe von ihnen inzwischen den Kriegssteuer-Boykott aus sehr verschiedenen Gründen abgebrochen; jedoch gibt es immer mehr Steuerverweigerer aus Gewissensgründen und Arbeitgeber die entschlossen sind, sich weiter nach dem Grundrecht zu verhalten und dafür einzutreten, daß niemand gezwungen werden darf, etwas zu unterstützen; das nach seiner Überzeugung ein Verbrechen ist.

Von mehreren kirchlichen Dienststellen wurden entsprechende Anträge abgelehnt. Dies hat jedoch das Gewissen der Betroffenen nicht beruhigt. Immer mehr Einzelne und Gruppen in verschiedenen Bistümern und Landeskirchen stellen Anträge, die Lohnsteuern an das Finanzamt zu kürzen, ihre Gesamtzahl liegt seit dem Golfkrieg über 500; eine Reihe von ihnen sind noch nicht beschieden worden, weitere Anträge sind in Vorbereitung.

Mehrere Gremien haben das Anliegen der Militärsteuerverweigerung aus Gewissensgründen unterstützt, u.a der (ostdeutsche) Bund der Evangelischen Kirchen auf seiner Synode in Berlin, die Kreissynode Ruhland (bei Görlitz), die Provinzialsynode Thüringen; die Weltversammlung der Christen in Seoul, die Delegiertenkonferenz der Europäischen Kirchen zur Menschlichen Dimension im KSZE-Prozeß in Gwatt bei Genf. ln mehreren Kirchen sind Beratungen darüber im Gange oder vorgesehen. Der Präses der Evangelischen·Kirche im Rheinland· hat am 19. Februar 91 den Militärsteuerverweigerern kirchlichen Schutz öffentlich zugesagt.

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