oder: Ein Konzern verliert die Sprache und schämt sich nicht

Mit Mannesmann: Schneller zum Atom­krieg 

von Detlef Beck

Der Auftrag

Die Mannesmann AG in Düsseldorf produziert seit Juli 1989 als Subunter­nehmen des amerikanischen Konzerns Bechtel "Atomwaffengrüfte" (Nuclear Weapon Storage Vaults). Produktions­stätten sind die Mannes­mann Anla­genbau AG in Düsseldorf und die Mannesmann DEMAG AG in Duis­burg. Die Stationierungsorte für die Atomwaffengrüfte, die den schnellen und "sicheren" Einsatz von Atombom­ben und Atomraketen ge­währleisten sollen, sind die US-Luft­waffen-Stütz­punkte Ramstein und Hahn/Hunsrück sowie die Luftwaffen­stützpunkte der Bundeswehr Büchel, Memmingen und Nörvenich. Zusätzli­che Brisanz erfährt dieses Rüstungs­projekt dadurch, daß die Atomwaffen­grüfte ab 1995 die neuen atomaren Luft-Boden-Raketen SRAM-T der NATO beherbergen sollen.

 

Entscheidung

Seit Ende letzten Jahres sammeln wir, die Gewaltfreie Aktionsgruppe Düne, Informationen über diesen Rüstungs­auftrag der Mannesmann AG. Direkt vor unserer Haustür, so wurde deut­lich, war ein neues Kapitel atomarer Aufrüstung aufgeschlagen worden. In einer Zeit, in der das internationale politische Parkett von einer Flut von Abrüstungsvorschlägen, Abrüstungs­ankündigungen und Abrüstungsab­sichten überschwemmt wird, die einen geradezu schwindlig werden lassen, ließ uns der Gedanke an die Produk­tion von Atomwaffensystemteilen, die den Einsatz nuklearer Waffen schnel­ler und sicherer machen, keine Ruhe. Im April beschlossen wir das Thema der Atomwaffengrüfte zu unserem Ar­beitsschwerpunkt zu machen.

Der Vorstand der Mannes­mann AG schweigt

In der Zwischenzeit hatten wir dem Vorstand der Mannesmann AG in Düsseldorf um eine Stellungnahme zur Produktion von Atomwaffensyste­menteilen in seinem Unternehmen und um die Einstellung der Produktion der Atomwaffengrüfte gebeten. Alle Briefe blieben bis heute unbeantwor­tet. Anfang Mai starteten wir deshalb eine Unterschriftenaktion, durch die der Vorstand des Konzerns gebeten wird, die Herstellung der Atomwaf­fengrüfte einzustellen. Dies war zugleich der erste Schritt unserer ôf­fentlichkeitsarbeit, den wir auch als eine mögliche Form der Dialogauf­nahme mit dem Vorstand der Man­nesmann AG ansehen. Die Aktion scheint erfolgreich zu laufen - das ent­nehmen wir zumindest den positiven Rückmeldungen von Menschen und Gruppen aus verschiedenen Bundes­ländern. Wir selbst konnten bisher mehr als 888 Unterschriften sammeln.

 

Die Hauptversammlung

1990 feiert die Mannesmann AG ihren 100sten Geburtstag. Die AktionärIn­nen wurden anläßlich diese Datums Anfang Juli auf der jährlichen Haupt­versammlung mit einer Rekorddivi­dende von 9.- DM je Aktie beglückt.

Vor der Hauptversammlung auf dem Messegelände in Düsseldorf machten wir die AktionärInnen auf die Produk­tion der Atomwaffengrüfte in "ihrem" Unternehmen aufmerksam. öber 500 Flugblätter mit der Frage "Schämt sich der Vorstand der Mannesmann AG?", die das Schweigen des Vorstandes in den Mittelpunkt unserer Aktion rückte, wurden verteilt. Die verbalen Beschimpfungen wie "Spinner", "Arschlöcher" und "immer dieses ar­beitslose Pack" waren drastisch und

 

ungewöhnlich häufig. Offenbar wollten einige Aktionäre den Klang klimper­den Geldes nicht durch bedenkliche Zwischentöne beeinträchtigt wissen. Wie das Handelsblatt am nächsten Tag berichtete, sagte Vorstandsvorsit­zender Werner Dieter auf Fragen von Aktionären zum Militärbereich des Unternehmens, daß er "technische befruchtend gewesen sei" und sich Mannesmann der Wehrtechnik "nicht zu schämen brauche". Ob die Wort­wahl von Vorstands-Chef Dieter durch uns beeinflußt war, wis­sen wir nicht.

Todesstille

Allerdings scheint die Todesgruft auch anderen die Sprache zu nehmen:

  • auch der Vorstand der Man­nesmann Anlagenbau AG, auf den der Be­triebsrat verweist, schweigt;
  • ebenso schweigen die IG Metall Düsseldorf und der DGB in Düs­seldorf;
  • desgleichen die Parteien im Düssel­dorfer Rat, Grüne, SPD, CDU und FDP schweigen, obwohl sich Düs­seldorf in einem Ratsbeschluß ge­gen die Produktion von atomaren Waffen ausgesprochen hat.
  • und auch dem Bundesminister der Verteidigung fehlen bis heute die Worte.

Einzig das Bundeswirtschaftsministe­rium antwortet bisher und nahm Stel­lung zur Produktion der Atomwaffen­grüfte in Bezug auf das Außenwirt­schaftsgesetz und das Kriegswaffen­kontrollgesetz.

 

Das Außenwirtschaftsgesetz

Nach 7 des Außenwirtschaftsgesetzes kann die Ausfuhr von

  • Waffen, Munition und Kriegs­gerät und
  • Gegenständen, die bei der Ent­wicklung, Erzeugung oder dem Einsatz von Waffen, Munition und Kriegsgerät nützlich sind, 

beschränkt werden.

Wie die "Wirtschaftswoche" im Juli 1989 berichtet, hat der Vorstand der Man­nesmann AG dem Aufsichtsrat mit­teilen können, daß an der Erteilung der Ausfuhrgenehmigung "aufgrund der Vorgespräche kein Zweifel" be­stehe. Diese Zuversicht zogen die Herren von Mannesmann aus den Ge­sprächen mit dem Eschborner Bun­desamt für Wirtschaft (BAW) - eine Behörde, die direkt dem Bundesmini­ster für Wirtschaft untersteht. Auf un­sere schriftliche Anfrage, ob einer Ausfuhrgenehmigung für die Atom­waffengrüfte tatsächlich nichts im Wege stehe, antwortete uns der Bun­desminister für Wirtschaft:

"Um diese Frage endgültig zu entschei­den, müßten die technischen Spezifika­tionen dieser Waffenbehälter genau überprüft werden. Die Firma Mannes­mann Anlagen AG hat bisher noch kei­nen Ausfuhrantrag, dem detaillierte Un­terlagen beizufügen wären, gestellt, da eine Ausfuhr zur Zeit nicht ansteht. Al­lerdings sind insoweit auch die Sonder­bestimmungen zugunsten ausländischer Truppen, die in der Bundesrepublik Deutschland stationiert sind, zu beach­ten. Danach entfällt eine Ausfuhrge­nehmigung für Waren, die diese Trup­pen in Besitz haben."

Das heißt im Klartext: Liefert die Mannesmann Anlagenbau AG direkt an die in der Bundesrepublik statio­nierten US-Streitkräfte, können diese die produzierten Atomwaffengrüfte nach Belieben in ein Land ihrer Wahl transportieren.

Das Kriegswaffenkontrollgesetz

Während das Außenwirtschaftsgesetz den Export von Rüstungsgütern regelt, ist das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) für die Produktion und den Transport von Kriegswaffen zuständig. Nach 2 KWKG ist die Herstellung von Kriegswaffen genehmigungs­pflichtig. Für Atomwaffen gilt nach der dem Gesetz angefügten Kriegswaffen­liste, daß auch "Teile, Vorrichtungen, Baugruppen und Substanzen, die ei­gens" für nukleare Waffen "bestimmt sind oder für sie wesentlich sind" ge­nehmigungspflichtig sind. Für den Bundesminister für Wirtschaft ist da­mit in Bezug auf die von Mannesmann produzierten Atomwaffengrüfte alles klar:

"Bei diesen Geräten handelt es sich nicht um Kriegswaffen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz; Genehmi­gungen nach diesem Gesetz können also weder versagt noch erteilt werden."

1969  wurde von der Bundesrepublik der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen ("Atomwaffensperr­vertrag") unter­zeichnet. In diesem Vertrag ließen sich die vertragschlie­ßenden Staaten von der Auffassung leiten, "daß die Ver­breitung von Kernwaffen die Gefahr eines Atom­krieges ernst­lich erhöhen würde". Der Vertrag wurde so "in der Absicht (geschlossen), zum frühest­möglichen Zeitpunkt die Beendigung des nuklea­ren Wettrüstens herbeizu­führen und auf die nukleare Abrüstung gerichtete wirksame Maßnahmen zu ergreifen."

Die Produktion von Atomgrüften, die Teile eines Atomwaffensystems dar­stellen, kann wohl kaum als 'wirksame' verstanden werden, nukleare Abrü­stung zu erreichen.

 

Ausgabe

Rubrik

Hintergrund
Detlef Beck ist Geschäftsführer des BSV/Bildungsbereich.