Gewaltfreiheit und Menschlichkeit

Mit Medien Frieden machen

von Bernhard Nolz

Es macht Spaß, in einem Medium der Friedensbewegung etwas zum Thema "Medien und Friedenserziehung" schreiben zu können. Ohne Medien keine Friedenserziehung! Die vielen Friedensmedien finden keine ausreichende Verbreitung. Das könnte sich mit neuen Aktionsformen im Internet ändern, weil sie eigenes Handeln möglich machen.

Als Lehrer/in, als Jugendleiter/in oder als Pastor/in kann ich über den Einsatz der Medien pädagogisch frei entscheiden. Dann arbeite ich mit den Medien, die sensibel machen für Gewalt-Situationen und für deren friedliche Überwindung. Und wir schauen uns Fernsehsendungen und Filme an, die Frieden und Gewaltfreiheit erlebbar machen. Trägt das, was gesagt und getan wird, zum Abbau von Gewalt oder zu einer friedlichen Lösung bei? Werden positive Leitbilder für ein Leben in Frieden und in respektvoller Zusammenarbeit dargestellt? Oder dominieren Gewalt, rücksichtsloser Wettbewerb und auf Vernichtung zielender Konkurrenzkampf?

Junge Menschen sollen lernen, wie sie das Freund-Feind-Denken und das Denken in richtig-falsch oder gut-schlecht überwinden können. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit, den Anderen als Menschen zu erkennen, anzuerkennen und ernst zu nehmen.

Struwwelpeter, Null Toleranz und Straßentheater

Heinrich Hoffman, der Autor des "Struwwelpeter", ging von der Überzeugung aus, dass das Kind nur das erfasst und begreift, was es sieht. Wenn das Kind den Struwwelpeter und seine Schicksalsgenossen im Medium Buch sieht, dachte Hoffmann, wird es abgeschreckt und entscheidet sich in freiem Willen gegen die Verwahrlosung. Dann werden gewalthaltige Drohungen und drakonische Strafen von Eltern und anderen Erziehern überflüssig. Heinrich Hoffmann glaubte an die Macht des Verstandes, der den Kindern inne wohnt, und an ihre Handlungsfähigkeit.

Gewalt in der Erziehung war zu Hoffmanns Zeiten - vor etwa 160 Jahren – üblich. Heute breitet sich in Deutschland - scheinbar unaufhaltsam - ein gewalthaltiges marktradikales Erziehungsprojekt aus, das von einem großen Medienkonzern gesteuert wird. Es kommt als "Null Toleranz Programm" daher. Ihre Vertreter/innen lassen Respekt, Wertschätzung und Empathie für die jungen Menschen nicht gelten. Mit seiner Unduldsamkeit gegenüber gemachten Fehlern, mit seinen Entmündigungs- und Bestrafungsaktionen und mit seinen ausgrenzenden Maßnahmen verbreitet es Gewalt in den Kindergärten, in den Schulen, in den Hochschulen und in anderen Bildungseinrichtungen. Die massenmediale Unterstützung ist dem Projekt "Null Toleranz" trotzdem sicher. Mit einer Erziehung zum Frieden hat das alles nichts zu tun. Wen wundert' s, dass es jugendliche Gegengewalt erzeugt. Ungehorsam kann eine Tugend der Jugend sein, wenn sie zu einer Kritik von Herrschaft und Fremdbestimmung wird. Den Fernseher abzuschalten zu können ist ein erster Schritt zur medialen Selbstbestimmung.

In einem heutigen Struwwelpeter-Friedensfilm würde kein allmächtiger "Schneider" mit einer riesigen Schere dem Konrad den Daumen abschneiden. Vielmehr käme eine freundliche Medien-Künstlerin daher, die Konrad lehrte, ein Daumenkino herzustellen, mit dem er sich und andere erfreuen könnte. Genauso gut könnte auch eine Straßentheater-Gruppe auftauchen. Sie zieht mit  dem Medium Theaterspiel die Jugendlichen in ihren Bann und in das Geschehen hinein. Dann werden aus Zuschauern Medien-Akteure, die handeln, das eigene Handeln reflektieren und genau die Gewaltzustände kritisieren, die sie an ihrer Lebensentfaltung hindern.

Friedensmedien

Heute gehen wir davon aus, dass Kinder und Jugendliche die Welt durch eigenes Handeln am besten verstehen und begreifen können.

Die Wirkung von Modellen friedlicher Konfliktbearbeitung in der Schule und in anderen gesellschaftlichen Bereichen ist immer dann am geringsten, wenn fast nur theoretisches Wissen vermittelt wird, die SchülerInnen nichts ausprobieren können und die LehrerInnen keine Vorbilder in gewaltfreier Kommunikation sind.

Friedensmedien - wenn es sie gibt - hätten also in erster Linie dazu bei zu tragen, dass ihre NutzerInnen ihren Verstand anwenden, ihre Gefühle selbst kontrollieren und die daraus entstehenden Erkenntnisse in friedliches Handeln umsetzen können. Darüber hinaus müssten Friedensmedien noch helfen, das breite Manipulationsspektrum der Massenmedien aufzuberechen. Medienmanupulationen begleiten alles Militärische und alles Kriegerische. An der Heimatfront werden ihre Kritiker/innen ins Visier genommen. Mut und Ausdauer gehören dazu, wenn man es mit einem Friedensjournalismus ernst meint. Wenn es ihn auch außerhalb der Friedensmedien gäbe, könnte noch besser eines der wichtigsten Ziele der Friedenserziehung in einer europäischen Gesellschaft auf den Weg gebracht werden: von den Feindbildern und Ausgrenzungen zur Integration und zur Inklusion.

Medienprojekt "Jugend interkulturell"

Im Siegener Zentrum für Friedenskultur (ZFK) ist das vom Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration NRW geförderte Medienprojekt "Jugend interkulturell" entstanden. Es versteht sich als ein Projekt zur Integration von unterschiedlichen Jugendkulturen und zum Dialog zwischen den Generationen sowie als ein Beitrag zur friedlichen interkulturellen und innergesellschaftlichen Konfliktaustragung und Konfliktlösung.

Im "Freiraum" können Jugendliche sich kennenlernen und Projekte und Events realisieren. Mit dem "Jugendforum: Wir haben Rechte!" werden Jugendliche an Aktionstagen mobilisiert und es werden Jugendprobleme in die Gesellschaft getragen, z.B. Aktionstag: Jugend und Gesundheit - Jugend und Drogen. In der Planung befindet sich der Aktionstag: Jugend und Medien.

PANORAMA ist eine interkulturelle Zeitschrift für das Siegerland, die bereits in zwei Ausgaben er­schienen ist und großes Interesse sowohl bei ausländischen als auch bei inländischen Mitbürge­rInnen geweckt hat. Bei PANORAMA arbeiten ausschließlich Ehrenamtliche mit. Die Zeitschrift zeichnet sich dadurch aus, dass sie – als bisher einzige in der Bundesrepublik Deutschland – in mehr als drei Sprachen erscheint. Sie soll sich in den nächsten Jahren schwerpunktmäßig mit spezi­ellen Problemen von Kindern und Jugendlichen unter interkulturellen Aspekten beschäftigen. Ihr Verbreitungshorizont soll über das Siegerland hinaus erweitert werden. Im Rahmen des Projekts „Jugend interkulturell“ arbeitet eine eigene PANORAMA-Jugendreadaktion, die erweitert werden soll. Im Juli, Oktober und Dezember werden die drei Ausgaben des Jahres 2007 erscheinen.

Die Friedensarbeit kann man sich im Internet ansehen: www.friedenskultur.de.

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Bernhard Nolz ist Lehrer i. R., Sprecher der Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden, Aachener Friedenspreisträger.