Kriegsverzicht ins Grundgesetz?

MittäterInnen für einen Verfassungs - Artikel gesucht

von Mareile Löber
Hintergrund
Hintergrund

Die japanische Verfassung, die 1945 unter kräftiger Mitwirkung der USA erarbeitet wurde, enthält den Artikel 9, der folgenden Wortlaut hat:

"Im aufrichtigen Streben nach einem auf Gerechtigkeit und Ordnung ge­gründeten internationalen Frieden verzichtet das japanische Volk für alle Zeit auf den Krieg als ein souver­änes Recht der Nation und die Androhung oder Ausübung von militäri­scher Gewalt als Mittel zur Regelung internationaler Streitigkeiten."

"Zur Erreichung des Zweckes des vor­angegangenen Paragraphen werden Land-, See- und Luftstreitkräfte nicht unterhalten. Ein Kriegsführungsrecht des Staates wird nicht anerkannt." Mag die Formulierung ein wenig schwerfäl­lig wirken (auf Japanisch klingt es si­cher eleganter), ist der Inhalt doch fas­zinierend. In den letzten Jahren haben die Diskussion über den Artikel 9 inner­halb Japans zugenommen. Großmacht­strategen, die es natürlich auch in Japan gibt, möchten diesen Artikel aus der Verfassung streichen, haben sie doch schon vorgearbeitet und die sogenann­ten Selbstverteidigungstruppen geschaf­fen. Auch international versucht man in gleichem Sinne auf Japan Druck aus­zuüben. Die deutsche Regierung kriti­sierte, daß auch Japan wie Deutschland selbst, am Golfkrieg nur mittels Scheckbuch teilnahm. Wörner, seiner­zeit NATO-Generalsekretär, widmete diesem Thema eigens einen Besuch in Japan. Andere Kräfte, die japanischen Sozialdemokraten und natürlich die Friedensgruppen verteidigen den Arti­kel, und Bürgerrechtsgruppen verklag­ten die Regierungen wegen verfas­sungswidrigen Verhaltens eben wegen der finanziellen Unterstützung des Golfkriegs.

Im Sommer 1991 war ich selbst mit einer Gruppe des Deutsch-Japanischen Frie­densforum in Japan. Angesichts des Endes des Kalten Krieges galt unsere mehrwöchige, mit zahllosen Meetings angefüllte Reise durch Japan vornehm­lich diesem Artikel. Wir versuchten den Japanern deutlichen zu machen, wie kostbar dieser Artikel auch für Deutschland ist, um ihnen bei der Ver­teidigung des Artikels den Rücken zu stärken.

Anfang des Jahres erfuhren wir, daß sich schon 1991, kurz nach dem Ende des Golfkrieges, in den USA eine Arti­kel-9-Gesellschaft gegründet hat, die die Aufnahme dieses Artikels in die ameri­kanische Verfassung anstrebt. Chuck Overby, der Gründer dieser Gesell­schaft, hatte die japanische Verfassung während einer Gastprofessur 1981 in Japan kennengelernt. Sie erschien ihm schon damals als die Basis für eine neue Weltordnung. Die Gesellschaft gründete er damals aus einer Mischung von Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, wie er selbst darlegt. Er sah damals sehr deutlich, daß die USA mit militärischer Gewalt am Golf eingriffen, um ihre Öl­versorgung zu sichern, nicht etwa, um Demokratie zu verteidigen. Im Mai die­ses Jahres, im Kontext der Woche der Erinnerung an das Ende des 2. Welt­krieges vor 50 Jahren veranstalteten wir eine Internationale Initiative für Frie­densverfassungen, bei der Beiträge von Kenji Yamamoto (Japan), Chuck Overby (USA) und Mareile Löber (Deutschland) zum Vortrag kamen. (1) Uns geht es darum, eine Verfassungs­bewegung ins Leben zu rufen, die die­sen Artikel 9 ins deutsche Grundgesetz und in die Verfassungen weiterer Län­der einbringen könnte. Erste Unterstüt­zungsunterschriften für die Aufnahme ins Grundgesetz liegen uns bereits vor.

In der Diskussion entstand die Idee, als weiteren Schritt eine größere Veran­staltung mit FriedensforscherInnen und PolitikwissenschaftlerInnen, evtl. mit europäischer Beteiligung durchzufüh­ren. In Anbetracht der Dimensionen un­seres Vorhabens wenden wir uns an Or­ganisationen und Gruppen mit der Bitte um Mitwirkung.

(1) Der Wortlaut der Beiträge ist als Sonder­heft des Deutsch-Japanischen Friedensforum erschienen und ist erhältlich bei H.-P. Rich­ter, Beyschlagstr. 11a, 13503 Berlin

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Mareile Löber gehört zum Berliner Friedensforum.