6x jährlich erscheint unser Magazin "FriedensForum" und berichtet über Aktionen, Kampagnen und Themen der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeexemplar zu. Die nächste Ausgabe erscheint Ende April mit dem hochaktuellen Thema "Entspannungspolitik".
Kriegsverzicht ins Grundgesetz?
MittäterInnen für einen Verfassungs - Artikel gesucht
von
Die japanische Verfassung, die 1945 unter kräftiger Mitwirkung der USA erarbeitet wurde, enthält den Artikel 9, der folgenden Wortlaut hat:
"Im aufrichtigen Streben nach einem auf Gerechtigkeit und Ordnung gegründeten internationalen Frieden verzichtet das japanische Volk für alle Zeit auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und die Androhung oder Ausübung von militärischer Gewalt als Mittel zur Regelung internationaler Streitigkeiten."
"Zur Erreichung des Zweckes des vorangegangenen Paragraphen werden Land-, See- und Luftstreitkräfte nicht unterhalten. Ein Kriegsführungsrecht des Staates wird nicht anerkannt." Mag die Formulierung ein wenig schwerfällig wirken (auf Japanisch klingt es sicher eleganter), ist der Inhalt doch faszinierend. In den letzten Jahren haben die Diskussion über den Artikel 9 innerhalb Japans zugenommen. Großmachtstrategen, die es natürlich auch in Japan gibt, möchten diesen Artikel aus der Verfassung streichen, haben sie doch schon vorgearbeitet und die sogenannten Selbstverteidigungstruppen geschaffen. Auch international versucht man in gleichem Sinne auf Japan Druck auszuüben. Die deutsche Regierung kritisierte, daß auch Japan wie Deutschland selbst, am Golfkrieg nur mittels Scheckbuch teilnahm. Wörner, seinerzeit NATO-Generalsekretär, widmete diesem Thema eigens einen Besuch in Japan. Andere Kräfte, die japanischen Sozialdemokraten und natürlich die Friedensgruppen verteidigen den Artikel, und Bürgerrechtsgruppen verklagten die Regierungen wegen verfassungswidrigen Verhaltens eben wegen der finanziellen Unterstützung des Golfkriegs.
Im Sommer 1991 war ich selbst mit einer Gruppe des Deutsch-Japanischen Friedensforum in Japan. Angesichts des Endes des Kalten Krieges galt unsere mehrwöchige, mit zahllosen Meetings angefüllte Reise durch Japan vornehmlich diesem Artikel. Wir versuchten den Japanern deutlichen zu machen, wie kostbar dieser Artikel auch für Deutschland ist, um ihnen bei der Verteidigung des Artikels den Rücken zu stärken.
Anfang des Jahres erfuhren wir, daß sich schon 1991, kurz nach dem Ende des Golfkrieges, in den USA eine Artikel-9-Gesellschaft gegründet hat, die die Aufnahme dieses Artikels in die amerikanische Verfassung anstrebt. Chuck Overby, der Gründer dieser Gesellschaft, hatte die japanische Verfassung während einer Gastprofessur 1981 in Japan kennengelernt. Sie erschien ihm schon damals als die Basis für eine neue Weltordnung. Die Gesellschaft gründete er damals aus einer Mischung von Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, wie er selbst darlegt. Er sah damals sehr deutlich, daß die USA mit militärischer Gewalt am Golf eingriffen, um ihre Ölversorgung zu sichern, nicht etwa, um Demokratie zu verteidigen. Im Mai dieses Jahres, im Kontext der Woche der Erinnerung an das Ende des 2. Weltkrieges vor 50 Jahren veranstalteten wir eine Internationale Initiative für Friedensverfassungen, bei der Beiträge von Kenji Yamamoto (Japan), Chuck Overby (USA) und Mareile Löber (Deutschland) zum Vortrag kamen. (1) Uns geht es darum, eine Verfassungsbewegung ins Leben zu rufen, die diesen Artikel 9 ins deutsche Grundgesetz und in die Verfassungen weiterer Länder einbringen könnte. Erste Unterstützungsunterschriften für die Aufnahme ins Grundgesetz liegen uns bereits vor.
In der Diskussion entstand die Idee, als weiteren Schritt eine größere Veranstaltung mit FriedensforscherInnen und PolitikwissenschaftlerInnen, evtl. mit europäischer Beteiligung durchzuführen. In Anbetracht der Dimensionen unseres Vorhabens wenden wir uns an Organisationen und Gruppen mit der Bitte um Mitwirkung.
(1) Der Wortlaut der Beiträge ist als Sonderheft des Deutsch-Japanischen Friedensforum erschienen und ist erhältlich bei H.-P. Richter, Beyschlagstr. 11a, 13503 Berlin