Perspektiven

Mobilisierung für eine zivile Sicherheitspolitik

von Stefan Maaß
Schwerpunkt
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„Deutschland hat in Kooperation mit anderen Ländern bis zum Jahr 2040 komplett umgestellt auf eine nachhaltige zivile Sicherheitspolitik. Dazu ist vor 2040 infolge unserer Kampagne eine politische Grundsatzentscheidung gefallen.“ So lautet das Ziel der Initiative „Sicherheit neu denken“, das vom Koordinierungskreis im Sommer 2019 beschlossen wurde.

Das Ziel einer nachhaltigen Sicherheitspolitik kann nur erreicht werden, wenn dies von einem großen Teil der Bevölkerung gewünscht wird. Umfragen zeigen immer wieder, dass viele Menschen gegen Atomwaffen, Rüstungsexporte und auch gegen Kriegseinsätze sind.

Dennoch hat dies nicht zu einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Friedens- und Sicherheitspolitik geführt. Dies liegt zum einen daran, dass die Bürger*innen gegen bestimmte Entscheidungen sind, aber Alternativen kennen sie nicht. Zum anderen liegt es an dem, was der US-amerikanische Theologe Walter Wink als den „Mythos der erlösenden Gewalt“ bezeichnet hat. Er meint damit den Glauben, dass Gewalt letztendlich hilft, wenn sonst nichts mehr hilft. Doch genau das ist ein Mythos, der überwunden werden muss.

Deshalb braucht es vor einer politischen Kampagne zuerst einmal eine breite Bildungs- und Öffentlichkeitskampagne, die die Alternativen ziviler Sicherheitspolitik bekannt macht.

Die Bildungskampagne soll 2020/21 auf zwei Ebenen stattfinden, so werden zum einen Multiplikator*innen ausgebildet, die dann in der Lage sind, die Inhalte des Szenarios mit anderen ins Gespräch zu bringen. Das heißt die Informationen und der Austausch sollen weit verbreitet werden. Es werden dabei bundesweite wie auch regionale Angebote gemacht. Die regionalen Angebote werden durch Regionalverantwortliche angeboten. In Baden wurde z.B. ein ökumenisches Bildungsprojekt „Zivile Sicherheit“ gegründet, dass sich zum Ziel gesetzt hat, bis Ende 2021 in jedem Kirchenbezirk mindestens eine Bildungsveranstaltung durchzuführen. In Württemberg wird es eine Kooperation zwischen kirchlichen und Friedensorganisationen geben, was das Spektrum der Teilnehmenden erweitert.

Die zweite Ebene betrifft die Ansprache derjenigen Organisationen, die in den Themengebieten, die im Szenario erwähnt werden, schon lange aktiv sind. Dies sind Friedens- und Umweltorganisationen genauso wie Organisationen im Bereich der Ökonomie. Ziel ist es, die genauen Kooperationsmöglichkeiten herauszufinden und damit gemeinsam effizienter zu werden. 

Damit die Bildungskampagne erfolgreich wird, sind mehrere Komponenten von Bedeutung. Erstens, die Angebote sind überwiegend ganzheitliche Bildungsangebote und nicht nur kognitive. Zweitens, es gibt Angebote für verschiedene Schichten der Gesellschaft und nicht nur das Bildungsbürgertum. Hier könnte eine Kooperation mit Gemeinwesen- und Sozialarbeit hilfreich sein. Drittens haben die Angebote einen Bezug zur Lebenswelt der Teilnehmenden, sie greifen aktuelle Fragen und Themen auf. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden wichtige Themen an die Oberfläche bringen, wie z.B. Verteilungsgerechtigkeit, Umstellung auf eine nachhaltige Wirtschaft. Viertens sollten die Bildungsangebote die Teilnehmenden motivieren, aktiv zu werden. Diese Aktionen können sehr vielfältig sein, von Protestaktionen bis hin zu Initiativen zur Förderung einer anderen Kommunikationskultur.
Selbstverständlich sind in die Bildungskampagne auch Institutionen wie z.B. Schulen mit einzubeziehen.

Der Unterschied zu bisherigen Angeboten wird sein, dass die Initiative zielgerichtet diese Angebote unterbreiten wird und dafür mit den verschiedenen Organisationen, wie z.B. Kirchen, Organisationen der politischen Bildung und auch Hochschulen, zusammenarbeitet.
Die politische Kampagne wird erst 2022 beginnen, die Initiative wird die Zeit jedoch nutzen, um sie auszuarbeiten. Sie wird aus verschiedenen einzelnen Aktivitäten bestehen und das Ziel haben, dass eine Wende zur zivilen Sicherheitspolitik eingeleitet wird. Im Bundestagswahlkampf wird es auch einige Aktivitäten geben, allerdings in erster Linie, um das Thema Sicherheit auch öffentlich stärker zu platzieren.

Um eine politische Wirksamkeit zu erzielen, sind Netzwerke von großer Bedeutung. Das betrifft die Vernetzung der Personen wie die Vernetzung der Organisationen. Deshalb werden momentan auch unterschiedliche Netzwerke aufgebaut. In den bereits erwähnten regionalen Netzwerken können die Teilnehmenden einer Multiplikator*innenschulung, in Kontakt bleiben, sich informieren und gegenseitig unterstützen. Bundesweit haben wir verschiedene Fachgruppen, bei denen auch eine Mitarbeit möglich ist. Getragen wird die Initiative „Sicherheit neu denken“ von dem Koordinierungskreis, in welchem momentan 15 Organisationen mitarbeiten. Insgesamt soll die Zahl der Organisationen, die mitarbeiten, erweitert werden.

Bundesweit werden wir eine eigene Homepage zur Verfügung stellen, auf der alle wichtigen Informationen und Ansprechpartner*innen leicht auffindbar sein werden.

Schließen möchte ich mit einer Aussage, die die frühere Direktorin des Highlander Research and Education Center (1), Susanne Pharr, 2001 machte: „ Wir sensibilisieren und stärken die Menschen mit unseren Bildungsangeboten, damit sie ihren Wert erkennen und ihre Rechte wahrnehmen können, damit, wenn die Zeit reif ist, eine soziale Veränderung kommt.“

Anmerkung
1 Das Highlander Research and Education Center (früher Highlander Folk Center) ist ein alternatives Bildungszentrum, welches in der Bürgerrechtsbewegung von großer Bedeutung war, da u.a. Rosa Parks dort an Seminaren teilgenommen hatte.

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Stefan Maaß ist Sozialpädagoge und Mitarbeiter der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden.