USA - Iran

Möglichkeiten der Deeskalation und zivilen Konfliktbearbeitung im USA-Iran-Konflikt

von Clemens Ronnefeldt
Im Blickpunkt
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Am Nachmittag des 19. Mai 2019 setzte US-Präsident Donald Trump einen denkwürdigen Tweet ab: "Wenn Iran kämpfen will, wird das das offizielle Ende Irans sein. Droht nie wieder den Vereinigten Staaten!"

Vorausgegangen waren Attacken gegen vier Öltanker im persischen Golf, die teilweise erheblich beschädigt wurden, allerdings nicht sanken. Die Urheberschaft dieser Angriffe ist zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels (Ende Mai 2019) ungeklärt. Im Süden Iraks gibt es Milizen, die eng mit Iran verbunden sind. Im Falle eines US-Angriffs auf Iran war und ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Einheiten die im Süden Iraks stationierten US-Soldaten angreifen würden.

Auch gegen Nordkorea drohte Donald Trump zunächst mit Vernichtung, um dann den Dialog zu suchen. Es wiederholt sich das Muster: Maximaler Druckaufbau, um einen aus US-Sicht besseren Deal als das mühsam ausgehandelte iranische Atomabkommen zu bekommen, der dann z.B. auch die Raketenproduktion Irans eng begrenzt.

Während bei der Wählerschaft des US-Präsidenten ein neuer Krieg äußerst unpopulär wäre, ist ein Regime Change - notfalls auch mittels Krieg - das zentrale Ziel von US-(Un-)-Sicherheitsberater John Bolton, der dieses Vorhaben bereits seit dem von ihm mitinitiierten Irak-Krieg 2003 umzusetzen versucht.

Mit 649 Mrd. US-Dollar lag im Jahr 2018 nach SIPRI-Angaben der US-Rüstungshaushalt 17% unter den Ausgaben von 2009, als z.B. noch sehr viel mehr Kriegsmaterial vor allem in Afghanistan verbraucht wurde. Im gleichen Zeitraum von 2009 bis 2018 stiegen die chinesischen Rüstungsausgaben um 83% auf 250 Mrd. US-Dollar. Spannungen am Persischen Golf, der Region mit den weltweit größten Rüstungsimporten, sind durchaus im elementaren Interesse des Militärisch-Industriellen Komplexes in den USA.
Die Konkurrenz zwischen den USA und China wird auch über Iran ausgetragen. China hat im Mai 2019 eine neue Eisenbahnlinie von China nach Iran eingeweiht und wollte nach dem Abschluss des iranischen Atomabkommens 2015 seine Geschäfte mit Iran innerhalb weniger Jahre verzehnfachen.

Iran ist der mit Abstand wichtigste Öllieferant für China, dessen Führung nicht tatenlos einem Regimewechsel zusehen dürfte, der dann - nach Installation einer prowestlichen Regierung wie 1953 durch das Schah-Regime - mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Öl- und Gasfluss nach Westen statt nach Osten führen würde.

Möglichkeiten der Deeskalation und Zivilen Konfliktbearbeitung
Ende Mai 2019 berichtete die New York Times über eine Besprechung aus dem Krisenzentrum des Weißen Hauses - woraus nur Meldungen in die Öffentlichkeit gelangen, die gezielt an die Presse weitergegeben werden. Nach Aussage von Verteidigungsminister Patrick Shanahan beabsichtige die US-Regierung nicht, einen Krieg gegen Iran zu führen.

Öffentlich wurde auch der Ärger von US-Präsident Trump auf den Nationalen (Un)-Sicherheitsberater John Bolton, von dem er sich in einen Iran-Krieg gedrängt fühle.

Das „Wall Street Journal“ hatte berichtet, dass US-Dienste um den 19. Mai herum der Ansicht waren, dass die iranische Führung von einem bevorstehenden Angriff ausgegangen war und sich auch auf konkrete militärische Gegenschläge vorbereitet hatte. Die Situation war für mehrere Tage maximal angespannt.

Durch die De-Installation von Raketen auf iranischen Booten im Persischen Golf sendete Teheran nach Angaben der New York Times (NYT) vom 17. Mai 2019 ein deutliches Deeskalations-Signal, die Straße von Hormus nicht mittels abgeschossener Öltanker abriegeln zu wollen - damit nicht rund 40% des weltweiten Erdölhandels zu unterbinden und keine Weltwirtschaftskrise auszulösen.

In der gleichen Meldung berichtete die NYT auch, dass John Bolton zu einer Besprechung der Causa Iran im kleinsten Kreis von Entscheidungsträgern um Präsident Donald Trump nicht eingeladen wurde.

Ausblick
Der ehemalige Chef der Internationalen Atomenergieagentur in Wien (IAEA), Mohammed ElBaradei, gab im April 2011 dem "Spiegel" ein Interview, in dem er über USA und Europäer bezüglich der Verhandlungen über ein Atomabkommen sagte: "Denen ging es nicht um einen Kompromiss mit der Regierung in Teheran, sondern um einen Regimewechsel. Dafür war ihnen so ziemlich jedes Mittel recht.“

Auf die Frage des "Spiegel", ob denn "die armen Iraner völlig unschuldig" seien, antwortete ElBaradei: " Nein, auch die haben getrickst. Aber der Westen hat nie versucht zu verstehen, dass es Iran vor allem um Anerkennung, um eine Behandlung auf Augenhöhe ging". (1)

In der Abkehr von jeglichem Sanktions-Diktat sowie von Kriegsdrohungen und der "Behandlung auf Augenhöhe" dürfte m.E. der Schlüssel zur Verhinderung eines noch immer möglichen Iran-Krieges liegen.
Mit guten Worten ist Iran in seiner derzeit extrem angespannten wirtschaftlichen Lage nicht geholfen: Europa täte gut daran, gemeinsam mit China, Japan und Russland die derzeit am Boden liegenden Wirtschaftsbeziehungen mit Iran auf- und auszubauen - und die kriegstreibenden Kräfte in den USA zu isolieren.

Bei einem "Wandel durch Annäherung" bekäme auch die äußerst lebendige iranische Zivilgesellschaft endlich wieder Luft und Spielräume, dem Land eine menschenrechtlich bessere Zukunft zu ermöglichen.

Anmerkung
(1) http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-78076179.html

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Clemens Ronnefeldt ist seit 1992 Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes.