Moscheebau, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus

von Gudrun Knittel

Für die RechtspopulistInnen von Pro Köln sind die MuslimInnen mit ihren Moscheen das Problem, für die UnterstützerInnen eines multikulturellen Miteinanders sind es die Nazis und RassistInnen. Die Opfer sind die Guten, die Täter die Bösen, aber ist es wirklich so einfach? Was tun, wenn sich die Rituale der öffentlichen Auseinandersetzung im Kreis drehen? Was tun gegen Spiralen der Gewalt, Abwertung und Ausgrenzung? Ansätze der Konflikttransformation und auch das Systemdenken legen nahe, die Perspektive zu ändern und statt die jeweils Anderen für das Problem zu halten, den Schlüssel zum Verständnis in den Beziehungen miteinander zu sehen.

Wie können wir lernen, miteinander zu leben, mit den 26% in der Bevölkerung, die rechtspopulistische Einstellungen hegen, den fast 40% der Deutschen ohne Migrationshintergrund, die sich durch die Muslime wie Fremde im eigenen Land fühlen (Heitmeyer-Studie 2007) und auch mit den Zugewanderten. Schon 2010 werden in den großen Städten wie Köln etwa die Hälfte der unter 40-Jährigen einen Migrationshintergrund haben.

Der Ausgangspunkt meiner Überlegungen sind die Auseinandersetzungen rund um den Bau der großen Moschee in Köln Ehrenfeld und die anti-islamischen Proteste der rechtspopulistischen Organisation Pro Köln[1] im September 2008. 15.000 Menschen demonstrierten gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, als Pro Köln versuchte, einen Anti-Islam-Kongress abzuhalten. Nur wenigen ihrer AnhängerInnen gelang es, auf das Kundgebungsgelände zu kommen. Am Ende hatten die BlockiererInnen erreicht, dass die Polizei die Pro Köln Veranstaltung verbot, um gewalttätige Auseinandersetzungen zu vermeiden. In Ehrenfeld selbst sind 49,6% für den Bau, 14,6% stimmen nur der Größe nicht zu, 29,9% sind dagegen.[2] Der Bau der Moschee durch die türkische Ditib ist seit Herbst 2008 vom Stadtrat genehmigt und Pro Köln ist dabei, im kommunalen Wahlkampf 2009 die Ängste vor einer Islamisierung und islamistischem Terror weiter zu schüren. Zivilcourage, Aufklärung über die Gefährlichkeit rechtsextremer Organisationen und Begegnungsprojekte rund um die Moschee sind deshalb umso notwendiger. Mit meinen folgenden Überlegungen möchte ich dazu beitragen, dass solche Aktivitäten mehr als bisher den gegenseitigen Feindbild-Dynamiken den Wind aus den Segeln nehmen, statt sie zu verstärken.

Teufelskreis: Pro Köln gegen Moschee
Die in Flugbättern erklärten Ziele von Pro Köln sind, die Islamisierung zu stoppen und die Entstehung von islamischen Parallelgesellschaften zu verhindern. Tatsächlich erreichen sie durch ihr Verhalten eher das Gegenteil, einen Rückzug von MuslimInnen vor feindseligen NachbarInnen und ihr Zusammenrücken aufgrund der wahrgenommenen Diskriminierung sowie ein verstärktes Ringen um staatliche Anerkennung bei Moscheen, Religionsunterricht und Friedhöfen. Für Jamal Malik, Professor für Islamwissenschaft, ist es vor allem die Projektion der Mehrheitsgesellschaft auf die anderen, um sich selbst zu bestätigen und sich abzugrenzen, die zu einer Islamisierung führt (TAZ 3.3.09).

Wie sieht es nun aber auf der Seite derjenigen aus, die versuchen die RechtsextremistInnen zu bekämpfen. Was wäre, wenn dort ähnliche Mechanismen abliefen?

Teufelskreis: Antifa gegen Pro Köln
Das Ziel des Bündnis gegen Rechtsextremismus ist es, rassistische und demokratie-feindliche Tendenzen zu stoppen. Kurzfristig hat dieser Widerstand sicher eine regulierende Wirkung, weil es gelang, deutlich zu machen, dass rechtsextreme Einstellungen gesellschaftlich nicht akzeptabel sind. Aber langfristig kommen m.E. drei Gesetze aus der Systemtheorie zur Wirkung: Die "Lösungen" von gestern sind die Probleme von heute. Je mehr man sich anstrengt, desto schlimmer wird es. Das Verhalten verbessert sich, bevor es sich verschlimmert (Senge, Die fünfte Disziplin 2001, S.75ff).

Mit den Hauptmechanismen Ausgrenzung, Beschämung und Entwertung der Andersdenkenden werden die tieferen Ursachen verstärkt, warum Menschen für gewaltbereite Gruppen, Ideologien der Ungleichwertigkeit und der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit anfällig werden. Untersuchungen zufolge sind dies vor allem Ohnmachtserfahrungen, Zukunftsangst vor Arbeitslosigkeit und Status- und damit Eigenwertverlust und die Angst, keine Kontrolle über das eigene Leben zu haben, sich fremd und unerwünscht zu fühlen, wo man Zugehörigkeit und Heimat braucht.

Die Zweifel der RechtspopulistInnen an der Demokratie dürften sich durch die Erfahrung mit dem kaum zugänglichen und letztendlich verbotenen "Kongress" verstärkt haben. Die Bestätigung, dass sich diejenigen durchsetzen, die stärker sind, und die zu Gewalt und Randale greifen, kam über die bundesweiten Medien sicher auch bei vielen an, die die Angst vor dem Islam, rechtspopulistische Einstellungen und auch ein mangelndes Vertrauen in die Demokratie mit Pro Köln teilen.[3]

Diskussionsveranstaltungen – eine Kampfarena
Die Veranstaltungen zum Moscheebau waren gut besucht, denn es brodelte im Stadtteil und darüber hinaus. In dieser Stimmung mussten Menschen mit türkischem Hintergrund, ob MuslimInnen oder nicht, mit aggressiven, generalisierenden Unterstellungen rechnen. Ähnlich erging es Menschen, die dem Moscheebau skeptisch gegenüber standen. Ihnen wurde schnell das Wort entzogen, weil sie als Nazis eingeschätzt wurden, die die demokratischen Spielregeln nur für ihre Hetze missbrauchen wollten. Tatsächlich ließen die meisten MoscheekritikerInnen auch kaum eine Gesprächsbereitschaft erkennen. Einfache Gemeindemitglieder von der Moscheegemeinde waren erst gar nicht gekommen, vermutlich, weil ihnen der Rahmen zu fremd oder zu aggressiv war.

So sehr sich die offiziellen VertreterInnen der Stadt und der Moschee auch bemühten, in diesem Rahmen konnten sie nur die technisch- sachlichen Aspekte wie die Parkplätze, Minaretthöhe, Muezzinruf und die Sprache der Freitagspredigt behandeln. Der Ton war geprägt von Recht haben, Positionen durchsetzen, Beschwichtigungen und Belehrungen. Die wechselseitige Angst voreinander konnte jedoch auf diese Weise kaum abgebaut werden. Woran aber liegt es, wenn die Atmosphäre so abschreckend ist für diejenigen, die anders, unsicher oder voller Vorbehalte sind? Sind daran auch „die Anderen“ schuld? Womöglich ist das eine Täuschung - dazu nun ein kleiner Exkurs.

Selbsttäuschung macht blind – Ohne Rüstung leben, wer kann das?
„Selbsttäuschung macht uns blind für die wirkliche Ursache eines Problems. Denn innerhalb der Box, also im Zustand der Selbsttäuschung, sind zunächst wir das Problem.“[4]

Es ist eine Art Nicht-Wissen und ein Widerstand gegen die Möglichkeit, dass man ein Problem hat. Sobald die eigenen Impulse zu echtem Mitgefühl und praktischer Hilfeleistung unterdrückt werden, brauchen wir die negativen Bilder über die anderen, um unser ursprüngliches Verhalten zu rechtfertigen. In der Folge verzerrt sich die eigene Wahrnehmung und das Mitgefühl sinkt. Wir geraten in einen Zustand von Widerstand gegen die anderen und beginnen sie als Objekte mit einem niedrigeren Status zu sehen. Unsere Rechtfertigungen und Ansprüche bekommen umso mehr Gewicht, wie ihre Anliegen, Sorgen, ihre Fürsorge, Hoffnungen und Herausforderungen ausgeblendet und negiert werden. Falls wir sie überhaupt wahrnehmen, ist es ein unvollständiges und damit unwahres Bild, das wir sehen.

Im interessierten, offenen Zustand dagegen sehen wir die Anderen wie sie sind, als Menschen mit Hoffnungen, Fürsorge, Zielen und Problemen, die so wichtig sind, wie unsere eigenen. Im empathischen Zustand sind die anderen für uns genauso real für uns wie wir selbst.

Im Zustand der Selbsttäuschung und des Widerstands wächst hingegen die Gefahr, andere zu verteufeln, ihnen das Recht abzusprechen, ihre Meinung zu äußern und für ihre Anliegen und Bedürfnisse einzutreten. Wenn die anderen diese Gewalt in unseren Herzen entdecken, tendieren sie dazu, defensiv zu werden und ihrerseits auch uns als Objekte zu sehen. Alle Versuche also, mit einem Herzen voller Gewalt, Gewalt zu beenden, werden nur weitere Gewalt verursachen, seien die äußeren Formen auch wohlwollend, demokratisch und korrekt, denn Menschen spüren die darunter liegenden wirklichen Einstellungen und reagieren entsprechend.

Um diese Art von Gewalt zu überwinden, ist es nötig, anzuerkennen, dass es sie gibt, nicht nur bei den anderen, nun, auch bei uns selbst. Eine weitere Voraussetzung ist zu akzeptieren, dass Konflikte vorhanden sind und sie zu einer multikulturellen Gesellschaft dazugehören, denn Integration ist ein wechselseitiger Aushandlungsprozess, an dem alle beteiligt sind.

Alle sind Teil der Wahrheit – alle sind Teil der Lösung
Beim Moscheebau müsste es darum gehen, wirklich alle gesellschaftlichen Gruppen, die dort wohnen, auf eine Weise einzubeziehen, die es ihnen ermöglicht, sich weniger misstrauisch und offener zu begegnen. Das Thema sollte das konkrete Zusammenleben zwischen strenggläubigen, liberalen, un- und andersgläubigen, organisierten und nicht-organisierten MuslimInnen, JüdInnen und ChristInnen, Rechten, Linken, besorgten AnwohnerInnen, Alteingesessenen und Zugezogenen, jung und alt sein, und nicht „der Islam“, die Christen in der Türkei oder die internationale Politik.

Ein Weg dahin ist die Arbeitsweise der Therapie Sociale[5] von Charles Rojzman. Er spricht davon, der Gewalt zu entkommen, indem Konflikte ermöglicht werden. In dieser Arbeit werden heterogene Gruppen sei es im Stadtteil oder in Institutionen gebildet und dabei unterstützt, Verschiedenheit zu erlauben und die Offenlegung von Konflikten zu ermöglichen, damit sie miteinander bearbeitet werden können und nicht gewaltförmig eskalieren.

Wahre Demokratie besteht nicht darin, Menschen als gleichberechtigt anzuerkennen,
sondern darin, sie zu Gleichberechtigten zu machen. (Léon Gambetta)

Kontakt und weitere Informationen: Knittel [dot] gudrun [at] gmx [dot] de, www.ifgk.de, www.therapie-sociale.com

 

Anmerkungen
[1] Rechtspopulismus als "Bürgerbewegung", Alexander Häusler (Hrsg.) 2008 und Köln ganz rechts, Die extreme Rechte und die Braunzone in Köln, Jugendclub Courage Köln e.V. 2008

[2] KStA 20.6.07.

[3] 31,4 % der insgesamt 500 Befragten lehnten den Moscheebau der türkischen Ditib völlig ab. In sozial schwachen Stadtteilen war sogar jede zweite und dritte Person gegen jeglichen Bau von Moscheen. (KStA 20.6.07) Heitmeyer Studie der Uni Bielefeld 2007 zu rechtspopulistischen Einstellungen: 26% hatten alle 5 Statements, die auf fremdenfeindliche, antisemitische und autoritäre Einstellungen hinweisen, angekreuzt (19,6 % in 2002). Im Sommer 2008 titelte die Tageszeitung "Ungeliebte Demokratie ... Ein Drittel der Bürger glaubt nicht, dass Demokratie Probleme lösen kann. Nur ein Fünftel ist bereit, sich für die Teilhabe der Bürger einzusetzen." (TAZ 30.6.08 über die Studie der Friedrich Ebert Stiftung)

[4] Raus aus der Box, Über den Umgang mit Selbsttäuschung, Arbinger Institute, Offenbach 2004 und Who Are We: Toward A Unified Theory of Coaching S.6, pdf Datei der Website www.arbinger.com

[5] Der Hass, die Angst und die Demokratie, Einführung in eine Sozialtherapie des Rassismus, Charles Rojzman, München 1997 (franz. Ausgabe 1992) und: How to live together, a new way of dealing with racism and violence, Charles Rojzman with Sophie Pillods: Melbourne 1999

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Gudrun Knittel, alleweltonair (www.alleweltonair.de), Trainerin für Konfliktbearbeitung Köln.