Nachbarn schützen Nachbarn

von Rolfjörg Hoffmann

Alle, die von rechtsextremistischen Anschlägen bedroht sind, erwarten, nicht alleingelassen zu werden. Deutsche und Migrantinnen setzen sich in der Nachbarschaft zusammen, beraten und beschließen gemeinsame Schutzmaßnahmen. Es ist Zeit zum Handeln. Wir wollen keine Bürgerwehren aufstellen oder Blockwartsmentalität erzeugen. Aber: eine lebendige, eine gelebte Nachbar­schaft verringert die Gefahr von An­schlägen.

Auf dem bundesweiten Treffen der AKTIONCOURAGE am 4. und 5. Juni in Bonn wurden die drei Selbstverpflichtungen der Aktion Courage zum Eingreifen   in Diskriminierungs- und Bedrohungssituationen erweitert: "Nachbarn  schützen Nachbarn". Die enorme Resonanz innerhalb weniger Tage beweist das starke Bedürfnis nach einer solchen Initiative, an der sich  bis­her schon rund 250.000 Menschen und über 600 Gruppen beteiligt haben.

Unsere Nachbarn sind einer tödlichen Bedrohung .ausgesetzt, so daß wir alle zusammenstehen müssen. Dazu gehören nicht nur technische Schutzmaßnahmen. Die Forderungen der Migrantinnen nach gleichen Rechten (kommunales Wahlrecht, doppelte Staatsbürgerschaft, Ein­wanderungsregelungen, Antidiskriminierungsgesetz) müssen endlich Gehör finden und ohne Kompromisse durchge­setzt werden. Und diese Maßnahmen würden die Akzeptanz unserer Nachbarn ein gutes Stück erhöhen. Vielleicht wer­den dann ihre Menschenrechte in der Bundesrepublik von Menschen und Be­hörden mehr als bisher geachtet.

Anleitungen für Nachbarschaftsver­sammlungen, Schutzmaßnahmen, Telefonketten, Verhalten in Bedrohungssituationen und zur Bildung einer Courage-Gruppe wie auch Aktionsmateria­lien (Buttoris, Aufkleber, Plakate etc.) bei Forum Buntes Deutschland e.v. SOS Rassismus, Stralsunder Weg 50, 53119 Bonn.

 

Liste möglicher Schutzmaßnahmen

Beraten Sie gründlich, welche Schutz­maßnahmen tatsächlich durchführbar sind. Es ist besser, wenige zu realisie­ren, als viele nur zu  beschließen. Lassen Sie sich von Polizei und Feuerwehr beraten!

Konkrete Maßnahmen sind u.a. Rauch­alarmgeräte installieren. Installieren von Feuerlöscher; Außenbeleuchtung, Siche­rung der Haustür und der Fenster und die Vorbereitung möglicher Not­ausgänge. Sinnvoll ist es, Nachtwachen zu organisieren, dabei für eine gerechte Lastenverteilung und rechtzeitige Ablösung sorgen. Ein Telefon muß immer in erreichbarer Nähe sein. Bei sich anbah­nenden Bedrohungssituationen, z.B. Treffs von Rechtsextremisten in der Nachbarschaft, die Polizei um Rat fra­gen. Aber Vorsicht vor Denunzianten­tum. Es gibt auch z.B. Skinheads, die ausdrücklich keine Neonazis sind. Mit Nachbarn beraten, was zu tun ist.

 

Wie gründe ich eine Courage-Gruppe?

  1. Sie suchen sich im Freundes- oder Familienkreis ein, zwei Gleichgesinnte, die auch meinen, daß etwas getan werden muß. Sie überlegen, welche Aufgaben angegangen wer­den sollten.
  2. Sie suchen einen Raum für ein erstes Treffen, z.B. in Gaststätten (kostenlos gegen Verzehr); bei Kirchen, Schulen oder Vereinen und vereinbaren einen Termin. Der Raum sollte notfalls eng bestuhlt werden können, falls mehr Leute als erwartet kommen.
  3. Sie überlegen sich eine Tagesord­nung für das Treffen; damit zum Schluß nicht nur geredet worden ist, sondern auch Beschlüsse gefaßt wer­den.
  4. Sie schreiben entweder selbst einen kurzen Artikel über Ihr Vorhaben oder bitten eine/n Redakteur/in der örtlichen Zeitung oder des Anzeigen­blatts darum. In dem Artikel müssen Ort und Zeit des Treffens stehen so­wie eine Beschreibung dessen, was Sie vorhaben. Bitten Sie auch um Aufnahme in den Veranstaltungskalender der Zeitung.
  5. Vor der Veranstaltung muß feststehen, wer begrüßt, das Vorhaben in einer nicht zu langen Einleitung vor­stellt und vor allem, wer die Diskus­sion leitet. Wenn irgend möglich sollte die Diskussion von einer Per­son geleitet werden, die darin etwas Erfahrung hat. Es müssen Ergebnisse zusammengefaßt, Vielredner ge­stoppt, Kompromisse vermittelt wer­den. Die Diskussionsleitung ist das A und O einer solchen Veranstaltung.
  6. Von Anfang an sollte ein Protokoll geführt werden, zumindest ein Ergebnisprotokoll. So gehen Anregungen für eventuelle spätere Treffen nicht verloren. Außerdem schreibt sich dann leichter ein Bericht für die Presse, der wieder weitere Menschen zum Mitmachen motiviert.
  7. Auf einer Teilnehmerliste tragen sich  alle ein, die weiter eingeladen werden wollen.
  8. Kommen zur ersten Veranstaltung nur wenige, was selten vorkommt, können Sie direkt mit der Planung von Aktivitäten beginnen (wer macht was bis wann?). Kommen viele, wie meistens, sollten Arbeitsgruppen für die einzelnen Bereiche gebildet wer­den (z.B. AG Schutzmaßnahmen, AG Hausaufgabenhilfe, Schule, Kinder­garten, AG Zusammenarbeit mit Migranten-Vereinen, AG Öffent­lichkeitsarbeit). Die Arbeitsgruppen treffen sich dann gesondert und be­richten über ihre Arbeit beim näch­sten Treffen der gesamten Gruppe.
  9. Wichtig ist, die Arbeit der Gruppe nicht an mangelndem Geld scheitern zu lassen. Soweit Geld z.B. schon für das Versenden von Einladungen zum nächsten Treffen nötig ist, lassen Sie einen Sammelteller herumgehen, Überlegen Sie gemeinsam. Finanzie­rungsmöglichkeiten.
  10. Niemanden zeitlich überfordern! Lieber wenige, aber gut vorbereitete Treffen, als zu häufige, zu denen immer weniger kommen. Einzelaktivitäten im kleinen Kreis kön­nen leichter auf die zeitlichen Möglichkeiten der Beteiligten abgestimmt werden als Großtreffen.

Und nun läuft die Arbeit (fast) von selbst!

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Rolfjörg Hoffmann (Förderkreis Friedenserziehung und Völkerverständigung, Bochum)