Zum 1. Jahrestag der Verkündung des Rechtsgutachtens des IGH zur grundsätzlichen Völkerrechtswidrigkeit von Atomwaffen

NATO-Osterweiterung destabilisiert Europas Sicherheit

von Kampagne Atomwaffen abschaffen!
Hintergrund
Hintergrund

Die Ausdehnung der NATO auf Länder des ehemaligen Warschauer Paktes wirkt als destabilisierender Faktor in Europa. Auch nach der Unterzeichnung der "Grundakte über beiderseitige Beziehungen, Zusammenarbeit und Sicherheit" zwischen der NATO und Russland wird die Entscheidung zur Osterweiterung der europäischen Sicherheit erheblichen Schaden zufügen.

Die Diskussion um die Kandidaten für eine NATO-Mitgliedschaft schafft von Estland bis Aserbaidschan eine Zone neuer Unsicherheit. Die Staaten in dieser Zone konkurrieren um das Wohlwollen der NATO und/oder Rußlands. Es verschlechtert ihre Beziehungen untereinander, wenn sich einige auf die "russische Bedrohung" berufen, um überzeugender an die NATO appellieren zu können, andere aber mit Rußland verbündet sind.

Die fortgesetzte Existenz der NATO ist Beleg dafür, daß es einen Feind gibt oder geben kann, gegen den dieses Bündnis aufrechterhalten werden muß. Trotz der Unterzeichnung der Grundakte zwischen der NATO und Rußland wird die Existenz der NATO in Rußland weiterhin als bedrohend empfunden. Die bedenkliche Annäherung der westlichen Allianz an die russische Grenze heizt dieses Empfinden noch an. Die Osterweiterung wird die Rolle der atomaren taktischen Kurzstrecken-Raketen neu beleben. Der ehemalige Diplomat Nikolai Isvekov errechnete, daß nach der Erweiterung die NATO Rußland bei den konventionellen Streitkräften im Verhältnis 3 zu 1 übertrifft. Dieses Kräfteverhältnis und dazu der kritische Zustand der russischen Streitkräfte machen es wahrscheinlich, daß Rußland auf eine Ersteinsatzdoktrin mit Atomwaffen zurückgreifen wird.

In der Öffentlichkeit weitgehend unberücksichtigt bleiben bislang die erheblichen Kosten, die mit der Aufnahme der früheren Warschauer Paktstaaten entstehen: Sowohl in diesen Staaten selbst, die gezwungen werden, für teures Geld NATO-Standard einzuführen, als auch für die 16 Altmitglieder, die aus Steuermitteln Unterstützungsprogramme finanzieren müssen. Einer Studie des US Congressional Budget Office (CBO) zufolge wird bis zum Jahr 2010 die NATO-Osterweiterung zwischen 60,6 und 124,7 Milliarden US$ kosten. Andere Schätzungen liegen je nach politischer Interessenslage darunter. Wie hoch die Kosten letztlich sein werden, ist noch völlig unklar. Klar ist, daß sich das NATO-Mitglied Deutschland an diesen immensen Kosten maßgeblich beteiligen muß.

Profitieren von der Osterweiterung wird erneut die westliche Rüstungsindustrie. Die westliche Begeisterung für die Erweiterung entspringt auch dem Wissen, daß die neuen Mitglieder ihre Rüstung von NATO-Mitgliedsstaaten kaufen werden. So verhandeln die USA mit Polen und der Tschechischen Republik über den Verkauf von F-16 und F/A-18 Kampfflugzeugen. Doch diese Staaten können sich die Aufrüstung nicht alleine leisten. Daher muß sie von anderen NATO-Mitgliedsstaaten mitfinanziert oder durch Kredite gedeckt werden.

Wir empfehlen, statt in die NATO-Osterweiterung in ein gemeinsames Sicherheitssystem mit Rußland und Osteuropa zu investieren, wie z.B. in die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Der Stabilität Mittel- und Osteuropas und damit der gesamteuropäischen Sicherheit wäre damit besser gedient als mit einer NATO-Osterweiterung, die Rußland bedroht. Als ersten Schritt zu einem sichereren Europa fordern wir eine atomwaffenfreie Zone von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer.

Wir wenden uns mit Entschiedenheit gegen die Osterweiterung der NATO. Wir rufen die politisch Verantwortlichen dazu auf, ein neues, gemeinsames Sicherheitskonzept in Europa zu entwickeln. Die Ausweitung des NATO-Militärbündnisses ist ein Schritt in die falsche Richtung. Es darf nicht sein, daß wenige Jahre nach Ende des Kalten Krieges das Sicherheitsbedürfnis erneut durch militärische Stärke anstatt durch eine Kultur des friedlichen Miteinanders befriedigt werden soll. Entgegen der öffentlichen Darstellung sind wir der Ansicht, daß endgültige Entscheidungen noch nicht getroffen sind. Wir fordern einen öffentlichen Diskurs.

7. Juli 1997

Unterzeichnende Organisationen: Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW); Komitee für Grundrechte und Demokratie; Naturwissenschaftler-Initiative "Verantwortung für den Frieden"; Deutscher Friedensrat; Netzwerk Friedenskooperative; Gewaltfreie Aktion Atomwaffen abschaffen; Deutsche Sektion des International Network of Engineers and Scientists against Proliferation (INESAP); IALANA - Deutsche Sektion der International Association of Lawyers against Nuclear Arms

Material zum NATO-Gipfel:

* Zum NATO-Gipfel in Madrid haben wir einen (kleinen) Pressespiegel zusammengestellt. Er kann gegen 3 DM Porto im Büro angefordert werden.

* Ebenso kann das "Manifest von Schlaining" die Abschlußerklärung des Kongresses "A Nuclear Weapons-Free Europe. Visions for non-nuclear European Security" in Burg Schlaining, Österreich, gegen 3 DM Porto im Büro angefordert werden (deutschsprachig). Bestellung: Netzwerk Friedenskooperative, Römerstr. 88, 53111 Bonn, Tel.: 0228/692904, Fax: 0228/692906

Ausgabe

Rubrik

Hintergrund