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Nato will auch in Zukunft an Atomwaffen festhalten

Im November 1991 hat die NATO in Rom ihre Strategie beschlossen, die den veränderten Gegebenheiten der Weltlage nach Auflösung des Warschauer Paktes Rechnung tragen sollte. Statt jedoch nach Überwindung des Ost-West-Konfliktes ein Konzept für den Abbau aller Nuklearwaffen zu entwerfen, verewigt die NATO in ihrer neuen Strategie die eigene Abhängigkeit von Nuklearwaffen auf unabsehbar lange Zukunft hin. Damit verstößt sie eindeutig gegen den Nichtverbreitungsvertrag für Nuklearwaffen, der für die Atomwaffen das Gebot enthält, Verhandlungen zur umfassenden nuklearen Abrüstung zu führen. Die NATO-Strategie ist damit diesem Gebot unvereinbar. Im Folgenden dokumentieren wir aus dem Strategiepapier diese Zitate, die sich auf Atomwaffen beziehen. In Ziff. 13 wird deutlich, daß die Verbreitung von Nuklearwaffen als Risiko gesehen wird, dem zur Not auch militärisch zu begegnen sei. Die weiteren Ziffern verdeutlichen die Festlegung der NATO auf eine stark auf Nuklearwaffen gestützte Strategie.
13. Im Fall eines bewaffneten Angriffs auf das Gebiet der Bündnispartner, aus welcher Richtung auch immer, finden Artikel 5 und 6 des Vertrags von Washington Anwendung. Die Sicherheit des Bündnisses muß jedoch auch den globalen Kontext berücksichtigen. Sicherheitsinteressen des Bündnisses können von anderen Risiken berührt werden, einschließlich der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, der Unterbrechung der Zufuhr lebenswichtiger Ressourcen sowie von Terror- und Sabotageakten. Im Bündnis gibt es Mechanismen für Konsultationen nach Artikel 4 des Vertrags von Washington sowie gegebenenfalls zur Koordinierung der Maßnahmen der Bündnispartner einschließlich ihrer Reaktionen auf derartige Risiken.
39. Um den Frieden zu wahren und einen Krieg und auch jegliche Form von Pression zu verhindern, wird das Bündnis für die vorhersehbare Zukunft eine geeignete Zusammensetzung nuklearer und konventioneller Streitkräfte beibehalten, die in Europa stationiert sind und auf dem gebotenen Stand gehalten werden, wo dies erforderlich ist, allerdings auf einem beträchtlich niedrigeren Niveau. Beide Elemente sind von entscheidender Bedeutung für die Sicherheit des Bündnisses und können sich gegenseitig nicht ersetzen. Konventionelle Streitkräfte tragen zur Kriegsverhinderung bei, indem sie sicherstellen, daß kein potentieller Angreifer erwarten kann, einen schnellen oder leichten Sieg oder Geländegewinne durch konventionelle Mittel zu erzielen. Angesichts der Vielfalt der Risiken, denen sich das Bündnis gegenübersehen könnte, muß es die erforderlichen Streitkräfte unterhalten, die ein breites Spektrum konventioneller Reaktionsmöglichkeiten bieten. Aber die konventionellen Streitkräfte des Bündnisses allein können die Kriegsverhinderung nicht gewährleisten. Einzig Nuklearwaffen machen die Risiken jeglicher Aggression unkalkulierbar und unannehmbar. Sie sind daher nach wie vor von entscheidender Bedeutung für die Wahrung des Friedens.
Merkmale nuklearer Streitkräfte
55. Der grundlegende Zweck der nuklearen Streitkräfte der Bündnispartner ist politischer Art: Wahrung des Friedens und Verhinderung von Zwang und jeder Art von Krieg. Nukleare Streitkräfte werden weiterhin eine wesentliche Rolle spielen, indem sie dafür sorgen, daß ein Angreifer im ungewissen darüber bleibt, wie die Bündnispartner auf einen militärischen Angriff reagieren würden. Sie machen deutlich, daß ein Angriff jeglicher Art keine vernünftige Option ist. Die strategischen Nuklearstreitkräfte des Bündnisses, vor allem diejenigen der Vereinigten Staaten, bieten die oberste Garantie für die Sicherheit der Verbündeten; die unabhängigen Nuklearstreitkräfte des Vereinigten Königreichs und Frankreichs, die eine eigenständige Abschreckungsfunktion haben, tragen zur Abschreckung und zur Sicherheit der Verbündeten insgesamt bei.
56. Ein glaubwürdiges nukleares Steitkräftedispositiv des Bündnisses und die Demonstration von Bündnissolidarität und gemeinsamem Bekenntnis zur Kriegsverhinderung erfordern auch in Zukunft breite Teilhabe in die kollektive Verteidigungsplanung involvierter europäischer Bündnispartner an nuklearen Aufgaben, der Stationierung von Nuklearstreitkräften auf ihrem Hoheitsgebiet im Frieden und an Führungs-, Überwachungs- und Konsultationsvorkehrungen. In Europa stationierte und der NATO unterstellte Nuklearstreitkräfte stellen ein wesentliches politisches und militärisches Bindeglied zwischen den europäischen und den nordamerikanischen Mitgliedsstaaten des Bündnisses dar. Das Bündnis wird daher angemessene nukleare Streitkräfte in Europa beibehalten. Diese Streitkräfte müssen die erforderlichen Merkmale und angemessene Flexibilität und Überlebensfähigkeit besitzen, damit sie als glaubwürdiges und effektives Element der Strategie der Bündnispartner zur Kriegsverhinderung verstanden werden. Sie werden auf dem Mindestniveau gehalten werden, das zur Wahrung von Frieden und Stabilität ausreicht.
57. Die betroffenen Bündnispartner sind der Auffassung, daß sich angesichts der radikal veränderten Sicherheitslage, wozu auch ein relatives Gleichgewicht konventioneller Streitkräftestärken in Europa und eine Verlängerung der Reaktionszeiten gehört, die Fähigkeit der NATO wesentlich verbessern wird, eine Krise mit diplomatischen und anderen Mitteln zu entschärfen oder, sollte dies notwendig werden, sich auf erfolgreiche konventionelle Verteidigung einzurichten. Umstände, unter denen ein Einsatz von Nuklearwaffen von ihnen in Betracht zu ziehen wäre, rücken daher in noch weitere Ferne. Sie können daher ihre substrategischen Nuklearstreitkräfte deutlich verringern. Sie werden angemessene, in Europa stationierte substrategische Nuklearstreitkräfte beibehalten, die ein wesentliches Bindeglied zu strategischen Nuklearstreitkräften darstellen werden, und so die transatlantische Verbindung stärken. Sie werden ausschließlich aus nuklear und konventionell bestückten Luftfahrzeugen bestehen, die nötigenfalls durch seegestützte Systeme ergänzt werden könnten. Substrategische Nuklearwaffen werden unter normalen Umständen jedoch nicht auf Überwasserfahrzeugen und Angriffsunterseeboten disloziert. Es besteht kein Bedarf mehr an nuklearer Artillerie oder bodengestützten nuklearen Flugkörpern kurzer Reichweite, sie werden eliminiert werden.
aus Frankfurt Rundschau Nov. 1991