Besprechung

Neofaschismus ist Männlichkeitskult

von Renate Wanie

„Die Spielregeln haben sich geändert“, so die These der britischen Journalistin und Bloggerin Laurie Penny, die in der TAZ am 31. Dezember 2016 nachzulesen war. Es sei nicht mehr zu übersehen, dass ein heftiger und brutaler Kulturkrieg laufe, „dessen größte Schlachten erst noch kommen“. Es sei irrig, wie viele Menschen glauben würden, dieser Krieg würde zwischen dem Islam und dem Westen gekämpft oder zwischen mehrheitlich weißen Nationen und dem Nahen Osten. Penny widerspricht ebenfalls dem Vorwurf, seit „Köln“ sei der westliche Feminismus gescheitert, die wahren Beschützer von Frauen seien die weißen Nationalisten. „Sie liegen falsch.“

In ihrem Taz-Essay Ende Dezember 2016 begründet sie, weshalb der Feminismus „keine irgendwelche alberne Flause im Kampf gegen den Faschismus“ sei. Der Kulturkrieg, von dem sie spricht, tobe „zwischen jenen, die Fortschritt, Toleranz und Menschenrechte für unabdingbar halten, und den anderen. Zwischen jenen, die an eine lebenswerte Zukunft glauben, und jenen, die sich in eine mystifizierte Vergangenheit zurücksehnen.“ Nach Penny ist der Feminismus für diesen Kampf gegen den Faschismus essentiell! Sie begründet dies damit, dass das, was die neuen Autoritäten verbinden würde, und zwar  unabhängig von ihrem Glauben oder ihrer Herkunft, ihre Verachtung der weiblichen Befreiung sei. „Schau dir die politischen Ideen der amerikanischen Neonationalisten oder der deutschen AfD an und du findest die gleichen Ansichten über die angemessene Rolle von Frauen und Mädchen: Wir sollen ruhig und gehorsam sein, dekorativ und gottesfürchtig, Hausfrauen und Mütter. Wir verdienen weder Selbstbestimmung über unseren Körper noch Schutz vor Gewalt oder das Recht auf Gesundheitsversorgung.“

Die Feministin Penny spricht von männlicher Vorherrschaft. Neofaschismus sei im Kern ein Männlichkeitskult: „Männliche Stärke im Allgemeinen wird verehrt, und gewalttätige starke Männer im Besonderen. Man vergisst das gern mal, weil die neofaschistische Rhetorik sich so sehr auf Rasse und Nation konzentriert und die ersten Opfer Migranten, People of Colour und Angehörige religiöser Minderheiten sind. Aber beim Neofaschismus geht es mindestens ebenso sehr um männliche wie um weiße Vorherrschaft.“ Und wenn Populist*innen von westlichen Frauen reden, so Penny, die durch die Einwanderer bedroht seien, dann meinten sie eigentlich weiße Frauen. Gleichzeitig ginge es ihnen darum, diesen Frauen ihre sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung zu rauben. „Muslimen und Einwanderern muss es verwehrt bleiben, westliche Frauen zu missbrauchen, aber die Kehrseite davon ist, dass westliche Männer das straffrei tun dürfen: Es ist ein Wettstreit verschiedener Stile patriarchaler Gewalt."

Nach Einschätzung der britischen Bloggerin seien viele der Techniken von Bedrohung und Hetze im Internet, die jetzt benutzt würden, schon in den letzten fünf Jahren online erprobt worden, als sich Gruppen von Männern und Jungs zusammenschlossen, um „‘Feminazis‘ mundtot zu machen“. (Gemeint sind wohl radikale Feministinnen.) Derzeit fände ein Prozess der Radikalisierung junger weißer Männer  statt, die „in gewalttätige rassistische und frauenfeindliche Fantasien abrutschen“ würden.

Die neue Rechte fordere „den Respekt gegenüber Frauen ein, aber Migrantinnen und Frauen of Colour sind die häufigsten Opfer jener, die Gewalt auf der Straße als legitimen Ausdruck politischer Meinungen ansehen. Übergreifender Feminismus ist ein Rahmen für den Widerstand gegen dieses neue und furchterregende Narrativ. Fortschrittlicher, kompromissloser, antirassistischer Feminismus wird in dieser kommenden Auseinandersetzung von zentraler Bedeutung sein.“ In den kommenden Jahren werde es „viele neue Versuche geben, frauenpolitische Ansätze kaputtzumachen und Frauen entlang Fragen der Ethnizität, der Klasse und der Identität zu spalten. Es wird einen Wettstreit unterschiedlicher autoritärer Anschauungen darüber geben, wie gut eine Frau sein sollte, wie sie aussehen sollte, wie sie arbeiten sollte, wann sie sprechen sollte, wen und wie oft und mit wessen Erlaubnis sie vögeln sollte. Es geht jetzt wirklich darum, was Feminismus bedeutet und warum er wichtig ist.“

Penny schließt mit der Feststellung, dass sich heute Feministin zu nennen, radikaler und gefährlicher sei als noch im letzten Jahr. „Wenn ich mich selbst Feministin nenne, dann ist das ein Statement des  Widerstands gegen den globalen Männlichkeitskult.“ Ihr Körper und ihr Leben seien nicht der rechtmäßige Besitz irgendeines Mannes, „ob im Weißen Haus, im Repräsentantenhaus oder bei mir zuhause“. Ein erfrischender und selten gewordener radikal feministischer Beitrag, von denen man sich mehr wünschen würde in der Debatte um Rechtspopulismus und Rassismus.

Der Artikel kann hier im Netz gefunden werden: http://www.taz.de/Frauenrechte-vs-Rechtspopulismus/!5366522/.  Laurie Penny ist britische Journalistin, Jahrgang 1986, Autorin, Bloggerin und Feministin. Sie schreibt für The Independent, The Guardian, The Times und den New Statesman. Unter „Penny Red“ betreibt sie einen Blog.

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