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Neue Asyl-Denkschrift des Grundrechte-Komitees
von
Flüchtlinge in einer Welt voll Mauern. Ortsbestimmung menschenrechtlich-demokratischer Politik inmitten einer mobilen Welt - unter diesem Titel hat das Komitee für Grundrechte und Demokratie eine Denk-Schrift zum Thema "Flucht und Asyl" veröffentlicht. Den Kontext der Ausländer- und Flüchtlingspolitik, mehr noch, den Kontext des weltweit zunehmenden Migrations- und Flüchtlingsproblems bilden die weltökonomische Dynamik und die in diesem Zusammenhang verständliche Misere nationalstaatlicher Politik. Politische Phantasie ist gefragt, um Wege zur Lösung der vielfältigen und komplexen Probleme zu finden, wobei der weltweite Zusammenhang ins Zentrum der Betrachtung rücken muß. Das Eigene existiert nicht mehr ohne das Fremde; das Nahe nicht ohne das Globale. Geschützte Heimat kann nur gewonnen werden, wenn nah-ferne Gefahren behoben werden. Mobilität ist das Stichwort der Moderne. Hauptsächliche Schwungräder der weltweiten Mobilisierung sind die universell konkurrierenden Verkehrsformen von Waren, von Geld, von Investitionen, von Innovationen und von Arbeit. Diese verbrauchen unsere soziale und natürliche Umwelt.
Sie stürzen diejenigen Gruppen von Menschen und ganze Gesellschaften ins Elend modernen Nomadentums, deren gesellschaftliche Einrichtungen und Verhaltensweisen darauf nicht vorbereitet waren. Eine "Dialektik" von Begrenzung und Entgrenzung kennzeichnet unsere Gegenwart. Auf der einen Seite grenzenlose Freiheit für Kapital, Waren, Produktion - auf der anderen Seite verschärfte Grenzen gegen die Opfer dieser Politik, gegen die entwurzelten Menschen auf der Suche nach Asyl oder Flucht vor dem Elend, das globale Politik zu verantworten hat. Die aber, die von den einseitig wirksamen Mobilitäten profitieren, die meisten Westmitteleuropäer also, tun alles, um konkurrierend das Los sozial enteigneter Nomaden von sich abzuschotten. Sie verhalten sich also gewollt oder ungewollt wie Räuber, die den Beraubten als Schuld vorwerfen, daß sie nichts mehr besitzen. Sie vermeinen, ihren gefährdeten oder vielfach nur erträumten Wohlstand über die Zeit zu retten. Recht besehen wirken sie jedoch genau an den Faktoren mit, die die mobilisierende Verelendung großer Teile der Welt befördern und Aggressionen erzeugen. Und keine Mauern werden auf Dauer Verelendung und Aggressionen von denjenigen fernhalten können, die im Wohlstand angstvoll und angenehm leben. Ein menschenrechtlich angemessener Umgang mit diesen Problemen kann nur darin bestehen, daß die Interessen der Bürgerinnen und Bürger der Länder, denen Migration und Flucht gelten, menschenrechtlich skrupulös abgewägt werden mit den Interessen derjenigen Menschen, die zu Migration und Flucht mehr oder minder gezwungen werden.
Der Berg dieser Probleme droht alles Handeln zu erdrücken, ja schon das Denken zu lähmen. Umso notwendiger ist ein Handeln, das mit einem veränderten Umgang mit Flüchtlingen und Asylsuchenden anfängt, aber eine Veränderung der politisch-ökonomischen Ordnung nicht aus dem Blick verliert. Deutschland und Westmitteleuropa insgesamt muß sich endlich als Einwanderungsland bzw. -kontinent begreifen. Das blut- und bodenhafte, darum menschenrechtswidrige deutsche Staatsbürgerrecht ist endlich zu "entbluten" (zu "entarisieren"). Das Recht auf politisches Asyl ist als subjektives Recht wiederherzustellen. Der Begriff des Flüchtlings, wie ihn die Genfer Konvention gefasst hat, muß ausgeweitet und differenziert werden. Kriegs- und Katastrophenflüchtlingen ist kollektiv, sprich ohne jegliche individuelle Überprüfung, solange Aufenthalt zu gewähren, wie Krieg und Katastrophe und ihre unmittelbaren Folgen währen. Arbeitsmigration muß im Prinzip zugelassen werden. Vor allem aber sind neue politische und ökonomische Verfassungen notwendig; sie verlangen ein verändertes Bewußtsein. Ein neuer Herausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit nationaler Borniertheiten und staatsbürgerlicher Fixiertheiten steht an. Eine zweite Aufklärung muß der ersten folgen. Die erste ist dort, wo sie sich einseitig nationalstaatlich und nationalökonomisch borniert hat, an ihr Ende gelangt. Die nationalstaatliche Fixierung bürgerlicher Freiheit, Gleichheit und Sicherheit ist hinfällig. Das ist die Konsequenz aus einer düsteren Realanalyse, die einen utopischen Horizont wachhalten will.