Literaturhinweise

Neue englischsprachige Literatur

von Christine Schweitzer
Hintergrund
Hintergrund

„Antikriegsgeschichte des Zweiten Weltkriegs“, „revolutionärer konstruktiver Widerstand in Benin“ und „Soziale Verteidigung“ sind die Themen von drei in diesem Jahr erschienenen Büchern. Sie sind alle drei nur in englischer Sprache verfügbar, wobei die letzteren beiden für Menschen mit durchschnittlicher Kenntnis dieser Sprache leicht zu lesen sein dürften.

„Serious Violence. The Twisted and Savage Version of WWII. An Antiwar History of World War II” ist ein dickes Buch des englischen Pazifisten James Derieg. Es ist ein sorgfältig recherchiertes Geschichtswerk über den Zweiten Weltkrieg, geschrieben aus der Sicht eines „wütenden Pazifisten“, wie der Autor sich selbst nennt. Es wirft eine Perspektive auf den Krieg aus der Sicht von jemandem, der nicht nur Kriegsverbrechen ALLER Seiten anklagt, sondern der Krieg als Verbrechen ansieht. Das drückt sich in der Sprache selbst aus – der Autor spart nicht an starken Adjektiven und Schimpfwörtern -, aber auch darin, dass nicht nur die verschiedenen Schlachten und strategischen Entscheidungen der Militärs der beteiligten Länder erzählt werden, sondern immer wieder auf die Opfer und das Leiden von Soldaten und Zivilbevölkerung hingewiesen wird. Hier ein kleiner, willkürlich ausgewählter Auszug, um einen Eindruck von der Sprache und dem Stil des Autors zu vermitteln: „One of the key means that commanders used to foster enterprise and aggression in their troops ws through competion between fromations and armies. The Americans and British competed with each other, and Stalin deliberately fostered competition between his marshals. This sort of competition got more intense and bravado-laced the farther one got from the front line.” (S. 473). Solche Beobachtungen dürften in herkömmlichen Geschichtswerken über den Zweiten Weltkrieg kaum zu finden sein. Wer neugierig geworden ist oder wer schlicht mehr über die Geschichte des 2. Weltkriegs erfahren will und über gute Sprachkenntnisse verfügt, dem oder der sei dieses Buch empfohlen.

Derieg, James (2019) Serious Violence. An Anti-war history of World War II, UK Book Publishing, 520 S., ISBN 978-1-912183-90-6, 12,99 Britische Pfund

Benin
Die Skandinavier Jörgen Johansen und Stellan Vinthagen sind die beiden führenden Wissenschaftler der neuen Disziplin der „Widerstandsforschung“ (resistance studies). In einer neuen Publikation befassen sie sich mit dem Beispiel von Benin 1989. Die friedliche Revolution in Benin, einer früheren französischen Kolonie in Westafrika, reiht sich ein in eine große Welle von gewaltlosen Revolutionen seit 1980. Der Umsturz kam, nach Unruhen wegen der katastrophalen Wirtschaftslage, mit einer „Nationalen Konferenz für die Kräfte des Lebens“, organisiert von RegierungsgegnerInnen, an deren Ende der Staatspräsident zurücktrat. Es folgte eine Demokratisierung des Landes. (Die Konferenz wurde auch Vorbild für ähnliche Konferenzen in anderen Ländern.) Das Büchlein beschreibt die Vorgänge in Benin und ordnet sie ein in das Thema des konstruktiven revolutionären Widerstands. Das heißt, eines Widerstands, der sich auf die Schaffung von etwas Neuem konzentriert und nicht bei der Ablehnung von Regierung oder Praktiken stehen bleibt.

Johansen, Jörgen and Vinthagen, Stellan (2019) Revolutionary Constructive Resistance. Benin 1989 in context and perspective. Ed: Irene Publishing, 57 S., ISBN 978-91-88061-36-23, 12,98€, verfügbar hier: https://www.lulu.com/shop/

Soziale Verteidigung
Jörgen Johansen ist, zusammen mit dem Australier Brian Martin, auch der Autor eines neuen Buches über Soziale Verteidigung. Soziale Verteidigung ist, in der Definition der Autoren, „nonviolent community resistance to aggression and repression, as an alternative to military forces.“  (S. 13) Das Buch beginnt mit einem Prolog, einer erfundenen Erzählung über einen militärischen Angriff, der mit gewaltfreien Mitteln zurückgeschlagen wird. Dadurch sind die LeserInnen direkt eingestimmt darauf, worum es in dem Buch geht. Soziale Verteidigung ist ein Konzept des nichtmilitärischen Widerstands, das besonders in der Zeit des Kalten Krieges eine Rolle als Alternative zu Rüstung und Militär spielte, um das es aber in der letzten Zeit ruhiger geworden ist. (1) Das Buch enthält eine Kritik an den militärischen Systemen als Begründung für die Suche nach Gewaltfreiheit. Es folgt ein Blick auf die historische Dimension dieses Konzepts – jene Fälle von zivilem Widerstand, die es in der Geschichte gegeben hat. Danach wenden die Autoren sich den Grundideen der Sozialen Verteidigung zu. Das Schwergewicht legen sie anschließend darauf, Soziale Verteidigung angesichts der heutigen Situation und Herausforderungen zu begründen. Dabei gehen sie auf Themen wie Freiwilligenarmeen und neue Technologien ein, aber auch auf das Anwachsen von Bewegungen gewaltfreien Widerstands: „Considering these changes that make social defence more promising than before, why has it fallen off the agenda? The answer lies in the factors that have remained unchanged. Most fundamental is the belief in the superiority of violence and the necessity for military defence.” (S. 105) Es folgen zwei Abschnitte über soziale Bewegungen und Vorschläge, was jede/r selbst tun kann. Quasi als Nachwort gibt es dann noch eine Studie über Widerstand gegen Atomindustrie in Schweden, und ein Kapitel „Fragen und Antworten“ zu Sozialer Verteidigung. Das Buch sei all jenen ans Herz gelegt, die sich über die Grundgedanken und die Begründungen für Soziale Verteidigung informieren wollen und /oder selbst mit dem Konzept in ihrer Friedensarbeit arbeiten wollen.

Johansen, Jörgen and Martin, Brian (2019) Social Defence. Ed: Irene Publishing, 173 S., ISBN 978-91-88061-37-9, 16,76 €, verfügbar hier: https://www.lulu.com/shop/

Anmerkung
1 Allerdings wächst in der letzten Zeit das Interesse an Sozialer Verteidigung wieder. So hat der gleichnamige Bund für Soziale Verteidigung 2018 eine Tagung zu dem Thema durchgeführt: https://www.soziale-verteidigung.de/news/meldungen/neue-wege-zur-soziale...

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Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.