Aktivitäten von und gegen Rechts in Halle (Saale)

Neue Rechte: Ein Brennpunkt an der Saale

von Michael BarthelFelix Peter Clemens Wagner

Seit Anfang 2014 findet in Halle jeden Montag die sogenannte „Mahnwache für den Frieden”, kurz „Montagsdemo”, statt. Sie ist zentraler Bezugspunkt verschiedener VerschwörungstheoretikerInnen und Treffpunkt für ehemalige und aktuelle Neonazis und Kameradschaften sowie AkteurInnen des rechten Parteienspektrums (v. a. DIE RECHTE, AfD). Gemeinsam mit „Kontrakultur Halle“ als hiesigem Ableger der “Identitären Bewegung” (IB), dem nahegelegenen Institut für Staatspolitik (IfS), der Halle-Leobener Burschenschaft Germania und einer Direktmandat-starken AfD lässt sich im Raum Halle ein Sammelbecken für die formelle und informelle Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Gruppen des neurechten Spektrums verorten.

Verschiedene Strukturen der rechten Szene haben die Stadt und das Umland schon länger für sich entdeckt und finden hier geeignete Bedingungen für politische Aktivität und privaten Rückzug. Das prominenteste Beispiel dafür ist das seit 2003 im nahegelegenen Schnellroda ansässige IfS mit dem dort lebenden Verleger und neurechten Chef-Ideologen Götz Kubitschek. Von der Dynamik um das IfS profitieren gerade auch lokale Strukturen, allen voran die „Kontrakultur“-Gruppe, die zu den aktivsten IB-Gruppen in Deutschland gehört und europaweit vernetzt ist. Zu Kubitschek ist es ebenso wenig weit wie zum AfD-Rechtsaußen Hans-Thomas Tillschneider, der nach seinem Scheitern im sächsischen AfD-Landesverband in Sachsen-Anhalt 2016 in den Landtag einzog.

In und um Halle lässt sich so exemplarisch eine bundesweite Entwicklung beobachten, die das Bündnis „Halle gegen Rechts“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Fokus: Neue Rechte” 2016 aufgearbeitet hat: In einem seit dem Zweiten Weltkrieg ungekannten Ausmaß sieht sich die hiesige Gesellschaft konfrontiert mit einer wirkmächtigen, unberechenbaren Bewegung von Rechts inklusive starkem parlamentarischem Arm – mit dem Ziel der Schaffung einer autoritären, auf Ungleichheit aufgebauten Gesellschaft.

Antifaschistischer Widerstand
In Halle hat es vor allem 2016 im Zuge der Landtagswahl und des deutlichen Erfolges der AfD verschiedene Aktionen und Projekte gegeben. So wurde die AfD im Wahlkampf in Sachsen-Anhalt mit verschiedenen gezielten Gegenaktionen begleitet: In Halle tauchten Plakate auf, die AfD-Wahlkampfmotive und -Slogans satirisch aufgriffen. Verschiedene Gruppen wie „AfD Watch Sachsen-Anhalt” oder „AfD - kritisch kommentiert” informierten in den Sozialen Medien über die rechte Programmatik der Partei und stellten Recherchen zum AfD-Personal zur Verfügung. Zudem wurden Infostände der Partei kritisch begleitet. Alle diese Aktionen hatten zum Ziel, auf die völkisch-rassistische Programmatik der AfD aufmerksam zu machen und damit eine Lücke in der öffentlichen Wahrnehmung zu schließen.

Ein bewährter Hauptpfeiler der antirassistischen bzw. antifaschistischen Aktivitäten in Halle ist die Organisation von Protesten gegen rechte Aufmärsche. Während die rechten „Montagsdemos” seit Anfang 2016 nicht mehr durch Gegendemonstrationen aufgewertet wurden und seitdem stetig an Zulauf einbüßten, wird bei Naziaufmärschen und Demonstrationen neurechter Parteien konsequent versucht, die Eroberung der Straße zu unterbinden. Darüber hinaus mobilisieren Teile des Bündnisses regelmäßig zu Demonstrationen vor die Haustür des IfS, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das völkische, ideologische Hinterland der neuen Rechten zu lenken. Und nicht zuletzt werden Aktionen von „Kontrakultur“ insbesondere im Umfeld der Universität gezielt gestört und unterbunden.

Seit einigen Monaten gibt es vonseiten des Bündnisses auch eine direkte Einmischung in öffentliche Debatten mit dem Ziel, der gesellschaftlichen Normalisierung der Neuen Rechten offen entgegenzutreten. So wurde eine geplante und letztlich abgesagte Veranstaltung des Theaters Magdeburg, bei der Götz Kubitschek und Landesinnenminister Holger Stahlknecht miteinander diskutieren wollten, mit einem offenen Brief an die gesamte Theaterszene des Landes deutlich kritisiert. Diskursive Interventionen fanden zudem bei Einladungen an die AfD zu öffentlichen Veranstaltungen statt, bspw. zum Parlamentarischen Abend der Jungen Europäischen Föderalisten.

Ausblick
Selbstkritisch muss angemerkt werden, dass die Wirkung von direkten Aktionen gegen die AfD bislang eher begrenzt blieb. Die Demaskierung des rassistischen Charakters der Partei ist wichtig, bestätigt meist aber lediglich gegnerische Milieus in ihrer Haltung. Die Kunst einer antifaschistischen Dekonstruktion des von der AfD anvisierten Images einer Partei der Sozialen Frage besteht deshalb eher darin, eine Form der Ansprache an Menschen zu finden, die sie in ihrer sozialen Situation ernst nimmt, positive soziale Ideen vermittelt, und gleichzeitig ethnische Erklärungsansätze für Elend zurückweist.

Ein Knackpunkt in der regionalen Auseinandersetzung mit der neuen Rechten ist in diesem Zusammenhang, dass den zahlreichen Aktivitäten und Gruppen eine gemeinschaftliche strategische Bestimmung fehlt. Einen Anfang machte in der ersten Jahreshälfte 2016 die Veranstaltungsreihe „Fokus: Neue Rechte”. Und im Herbst 2016 kamen auf der Konferenz “Strategien gegen die AfD” AkteurInnen aus den neuen Bundesländern zusammen, um ihre Erfahrungen und Aktionsformate miteinander zu teilen. Eine Erkenntnis war hier, dass die zahlreichen Einzelaktionen zwar lokal immer wieder Wirkungen im Kleinen zeigen können, in der Summe jedoch allein keine wirksame Bekämpfung der Neuen Rechten darstellen.

Geht nämlich der gesellschaftliche Diskurs nach rechts, erfordert dies eine mindestens ebenso offensive (Gegen-)Artikulation aus den emanzipativeren Teilen der Gesellschaft. In unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und Bündnissen gilt es, progressive Inhalte anschlussfähig zur Sprache zu bringen. Zum Beispiel auch im Rahmen von Gegenprotesten, wie sie am 1. Mai 2017 unter dem Motto „Naziaufmarsch in Halle? #läuftnicht!“ anlässlich eines bundesweiten Neonaziaufmarsches in Halle stattfinden werden.

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Michael Barthel ist engagiert bei „Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage“.
Felix Peter ist engagiert bei „Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage“.
Clemens Wagner ist engagiert bei „Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage“.