Israel und Palästina

“Now, Mr. President, with you we have hope.”

von Wiltrud Rösch-Metzler

Im Wahlkampf hatte US-Präsident Donald Trump vieles versprochen. Im Wettkampf mit seiner Rivalin Hillary Clinton um das israelfreundlichste Versprechen, kündigte er an, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen.

Ein solcher Schritt würde eine ernsthafte weltpolitische Krise auslösen. Denn Israel hat Ostjerusalem völkerrechtswidrig annektiert und zur Hauptstadt erklärt. Die Resolution 478 des UN-Sicherheitsrates von 1980 hat diese Annexion für nichtig erklärt und die UN-Mitgliedsstaaten aufgefordert, ihre diplomatischen Vertretungen nicht in Jerusalem anzusiedeln. (1) Daran haben sich bislang alle Staaten gehalten und ihre Botschaften in Tel Aviv eröffnet. So liest man beispielsweise beim Auswärtigen Amt zu Israel: „Hauptstadt (international nicht anerkannt): Jerusalem“. (2) Würde nun der wichtigste globale Player völkerrechtswidrig seine Botschaft nach Jerusalem verlegen, wäre das ein riesiger Erfolg für die israelische Regierung: Die völkerrechtswidrige Annexion Ostjerusalems würde vermutlich scheibchenweise anerkannt, ungeachtet dessen, was dies in anderen Ländern wie jenen der arabischen Liga an Reaktionen auslösen könnte. Die Wahl von Trump hat deshalb bei der israelischen Regierung und den SiedlerInnen Euphorie hervorgerufen.

Jetzt denkt der US-Präsident aber an eine Verschiebung des Botschaft-Umzugs. Damit hat er nicht nur die israelische Regierung schwer verärgert, sondern auch seinen US-amerikanischen Gönner, den Casino-Milliardär Sheldon Adelson, der Millionen Dollar in Trumps Wahlkampf und Amtseinführung gesteckt hatte. In Israel besitzt Adelson die Gratiszeitung „Israel Hayom“, deren Netanjahu-freundliche Berichterstattung bekannt ist. Eine Woche vor Trumps Besuch in Israel zitierte sie den israelischen Ministerpräsidenten, ein Umzug der US-Botschaft helfe dem Frieden. (3)

Mittlerweile schält sich eine US-Regierungspolitik unter Trump heraus, die sich eher auf der Linie seiner Vorgänger bewegt. Fest an der Seite Israels zu stehen, gehört dazu. Trump machte dies deutlich, indem seine Administration auf israelischen Wunsch hin den ehemaligen palästinensischen Ministerpräsidenten Salam Fayyad als Vorsitzenden der UN-Mission für Libyen verhinderte. (Leichte) Kritik an israelischem Regierungshandeln gehört ebenfalls dazu. So hat auch Trump bereits die israelische Siedlungspolitik kritisiert. Hier ist weiterhin nicht mit einem Einlenken Netanjahus zu rechnen: Kurz vor Trumps Besuch in Israel erlaubte die Regierung, 200 neue Häuser in der völkerrechtswidrigen Siedlung Tel Zion in der Westbank zu bauen. Noch unter Obama sind 38 Milliarden US-Dollar Militärhilfe an Israel für einen Zehn-Jahreszeitraum bewilligt worden.

Auch der Wille von Trump, persönlich den Nahostkonflikt zu lösen, ist nichts Neues. Zuletzt hatte sich Obama daran versucht. Sein Außenminister John Kerry war im April 2014 an dieser Aufgabe gescheitert. Kerry richtete deutliche Worte an Netanjahu: "Der israelische Ministerpräsident unterstützt öffentlich eine Zweistaatenlösung, aber seine jetzige Koalition ist die rechteste Regierung in der Geschichte des Landes und hat eine Agenda, die von den extremsten Elementen angetrieben wird." Beide Konfliktparteien hätten nun die Wahl. Laufe es auf einen einzigen Staat hinaus, "dann kann Israel entweder jüdisch sein oder demokratisch. Es kann nicht beides sein, und es wird sich niemals wirklich im Frieden befinden." (4) Trump kündigt nun Größeres an. Er will mit Hilfe der Saudis u.a. einen länderübergreifenden Frieden schaffen.

Israelische Wunschliste
Die Wunschliste der israelischen Regierung gegenüber Trump ist lang: Verlegung der US-Botschaft, Aufkündigung des Iran-Atomabkommens, Anerkennung der völkerrechtswidrigen israelischen Annexion der syrischen Golanhöhen, weg von einer Zwei-Staatenlösung und Anerkennung Israels als jüdischen Staat. 

Hoffnung gibt der israelischen Regierung die Ernennung des neuen US-Botschafters in Tel Aviv, David Friedmann. Er ist Vorsitzender eines Vereins, der den Ausbau einer völkerrechtswidrigen Siedlung auf privatem palästinensischen Grund in Bet EL bei Ramallah vorantreibt. (5) Die Jüdische Stimme für Frieden, USA, warnte: Er unterstütze eine extreme israelische Politik, zeige eine harsche Haltung gegenüber Kritikern der israelischen Besatzungspolitik und sein anti-palästinensischer Rassismus und seine Islamphobie sollten ihn für eine Ernennung disqualifizieren. (6) Weiter sind die Ernennung von Trump-Schwiegersohn und  Präsidentenberater Jared Kushner, der geschäftliche und freundschaftliche Beziehungen zu einer der reichsten Familien in Israel unterhält und von Jason Greenblatt als Beauftragten für den Friedensprozess in Israel positiv aufgenommen worden.

Doch mischt sich in die Trump-Euphorie mittlerweile auch Skepsis. Es zeigt sich, dass die US-Administration nicht nur israelischen Interessen folgt. Während die Hardliner in der israelischen Regierung auf eine Annexion oder Teilannexion der palästinensischen Westbank drängen und dafür Gesetze vorbereiten, hat die US-Administration vor einem solchen Schritt ausdrücklich gewarnt. (7) Ist der Brief, den George W. Bush im April 2004 an Ministerpräsident Scharon schickte, noch gültig? Dort heißt es: „Angesichts der neuen Gegebenheiten vor Ort, einschließlich bereits bestehender größerer israelischer Ballungszentren, ist es unrealistisch zu erwarten, dass ein Ergebnis der Verhandlungen über den endgültigen Status eine vollständige und umfassende Rückkehr zur Waffenstillstandslinie von 1949 vorsehen wird. Alle bisherigen Verhandlungsbemühungen einer Zwei-Staaten-Lösung sind zu demselben Schluss gelangt.“ Dies kam einer verbindlichen und offiziellen Ablehnung der Zwei-Staaten-Lösung seitens der USA gleich; man würde nichts mehr unternehmen, um Israel an der schnellen „Ausweitung“ seiner Siedlungen zu hindern, bewertet Jeff Halper diesen Brief. „Die israelischen Regierungen haben seitdem von jedem US-amerikanischen Präsidenten eine Bestätigung dieser Position verlangt (und auch erhalten), und Verteidigungsminister Avigdor Lieberman hat dasselbe bereits vom gewählten Präsidenten Donald Trump gefordert (vgl. Jerusalem Post, 11. November 2016).“ (8)

Wo stehen die PalästinenserInnen mit Trump?
In der ersten Woche der Präsidentschaft von Trump haben die USA angedroht, Fatah-Büros zu schließen, finanzielle Hilfe zu stoppen und die PLO wieder auf die Liste der Terrororganisationen zu setzen, falls die PalästinenserInnen weiter gegen Israel vor Internationalen Gerichtshöfen klagen. (9) Mittlerweile hat sich die Palästinensische Autonomiebehörde den neuen Gegebenheiten angepasst. Sie hat wahrgenommen, dass die USA ihre Hilfe für Palästina um 4,5% aufstocken. Und bei seinem Besuch in Washington schmeichelte Präsident Abbas, dessen Amtszeit 2009 ausgelaufen ist, dem neuen US-Präsidenten wegen seiner Entschlossenheit den Nahostkonflikt zu lösen. “Now, Mr. President, with you we have hope.” Abbas verwies auf die über 1.000 politischen Gefangenen, die sich derzeit in israelischen Gefängnissen in Hungerstreik befinden, auf die palästinensischen Flüchtlinge und auf die Notwendigkeit eines Staates Palästina. Trump lobte Abbas für die gute Sicherheitspartnerschaft mit Israel. (10)

Die Sicherheitspartnerschaft wird in der palästinensischen Gesellschaft stark kritisiert: Die Autonomiebehörde werde zum Handlager der israelischen BesatzerInnen. Und schon mehrmals hatte Abbas aus Frust über israelischen Siedlungsbau und andere Erschwernisse angedroht, sie aufzukündigen. Seit einem Jahr gibt es gar einen PLO-Beschluss, dass sie beendet werden muss.

Spannend wird es schon, zu beobachten, was Präsident Trump nun anstellt, um den Nahostkonflikt zu beenden. In seinem Verhandlungsteam hat er auch noch Mitglieder aus der Obama-Administration. Ob ein Staat oder zwei Staaten sei egal, Hauptsache, die beiden Parteien einigen sich, sagte Trump. Und ein Sprecher des Weißen Hauses präzisierte: Trump werde sich für die Würde der PalästinenserInnen und ihr Recht auf Selbstbestimmung einsetzen. Also doch einen Staat Palästina neben dem Staat Israel? Netanjahu hat von seinen Koalitionspartnern in der Regierung einen Maulkorb für das Wort Zwei-Staaten-Lösung bekommen, aber eine Ein-Staaten-Lösung gibt es nur mit gleichen Rechten, sagt die PLO.

Abbas hat derweil vorgebaut. Beim Treffen der arabischen Liga in März in Jordanien hat er sich der Unterstützung der Saudis und der anderen anwesenden Staaten versichert. Diese offerieren wieder ihren Friedensplan von 2002: Anerkennung Israels, wenn Israel sich aus den 1967 besetzten Gebieten zurückzieht. Die Liga forderte alle Länder auf, ihre Botschaft nicht von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Und sie warnte vor einer Veränderung des Status Quo von Jerusalem. Sie forderten die Freilassung der politischen Gefangenen und die Rückkehr der Flüchtlinge gemäß der UN-Resolution. (11) Auch Netanjahu ist nicht untätig. Er schwärmt von den nun guten Beziehungen zu den Saudis und anderen arabischen Ländern und von wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich für Israel in der Region auftun. Und Trump? Er muss erst einmal die nächsten Monate überstehen.

Anmerkungen

  1. http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/RES/478(1980)
  2. https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01...
  3. Amir Tibon in Haaretz: Sheldon Adelson 'Furious' at Tillerson Over Delay in U.S. Embassy Move, May 15, 2017 6:23 AM
  4. http://www.spiegel.de/politik/ausland/benjamin-netanjahu-israel-empoert-...
  5. Judy Maltz in Haaretz: Building Dedicated by Trump's Israel Envoy Was Constructed Illegally on Palestinian Land Feb 15, 2017 9:40 PM
  6. https://jewishvoiceforpeace.org/statement-following-sfrc-vote-david-frie...
  7. Jonathan Lis Mar in Haaretz: Defense Chief Lieberman: U.S. Warned of 'Immediate Crisis' With Trump if Israel Annexed West Bank 06, 2017
  8. http://www.rosalux.org.il/die-beziehungen-zwischen-den-usa-und-israel-we...
  9. Jack Khoury in Haaretz: U.S. Threatens 'Severe Steps' Against Palestinians if Leaders Sue Israel in World Court, Feb 01, 2017
  10. https://www.maannews.com/Content.aspx?id=776843
  11. http://www.jordantimes.com/news/local/arab-summit-concludes-message-peac...

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Wiltrud Rösch-Metzler ist Journalistin und pax christi Bundesvorsitzende.