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Offener Brief an die Trägerorganisationen und den Initiativkreis des Protestmarsches nach Ramstein am 20.3.2004
vonDie Demonstration in Ramstein war am 20. März 2004 mit gut 2000 Beteiligten die größte Veranstaltung und auch die in den Medien am besten beachtete. Aber war sie auch ein Erfolg für alle Beteiligten? Zur nachträglichen Reflexion und Diskussion über den Anlass hinaus fordert der offene Brief der Beteiligten aus der Region auf, den wir hier gekürzt wiedergeben. Der vollständige Text kann im Büro angefordert werden (d.Red.)
Trier, den 30.3.2004 Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, Am Jahrestag des Irakkrieges eine Demonstration mit dem Schwerpunkt Atomwaffen zu veranstalten, ohne zumindest einen Gesamtkontext mit den aktuellen Themen herzustellen, hielten und halten wir allerdings für falsch. Wir kritisieren, dass der Initiativkreis nicht bereit war, die von Regionalgruppen geforderten Themen: Funktion und Auswirkungen des Airbase-Ausbaus, Kritik an den verteidigungspolitischen Richtlinien und der EU-Militarisierung sowie Kritik an der Irakbesatzung in den Aufruftext zu integrieren. Ein dünn gedruckter Satz: "Kein Ausbau des Kriegsflughafens Ramstein" war das einzige Zugeständnis, wohl wissend, dass Gruppen um die (Partner-)Airbase Spangdahlem, die ebenso ausgebaut wird, sich dadurch ignoriert und nicht angesprochen fühlten. Um vor Ort mobilisieren zu können, wurde daher ein eigener Regionalaufruf notwendig, der von 34 Regionalgruppen unterzeichnet wurde. |
Auftakt- und Abschlusskundgebung erschienen Vielen wie zwei getrennte Veranstaltungen. Nur bei der Auftaktkundgebung in Landstuhl kamen RegionalvertreterInnen mit den uns wichtigen Themen zu Wort.
Wir kritisieren, dass nicht alle RednerInnen in einem transparenten Verfahren ausgewählt wurden. Es ist unfair, Leute kurzfristig auf die Rednerliste zu setzen, die in Teilen der Friedensbewegung derart umstritten sind wie Franz Alt und Oskar Lafontaine. Es gab keine Möglichkeit mitzubestimmen oder ein Veto einzubringen. Wir kritisieren, dass Franz Alt reden durfte. Viele, die zu der Veranstaltung mobilisiert hatten, kamen dadurch in die Bredouille. Denn Franz Alt hat bekanntlich der "Jungen Freiheit" (mehrfach) und der "Nationalzeitung" (mindestens einmal) Interviews gegeben, außerdem in der "Jungen Freiheit" mindestens einen namentlich gekennzeichneten Artikel veröffentlicht. (...) Wir kritisieren, dass Oscar Lafontaine reden durfte. Wie aufgrund früherer Reden zu erwarten war, argumentierte er einseitig gegen die US-Regierung und bediente damit anti-amerikanische Tendenzen. Zudem lobte er die Politik der Bundesregierung, anstatt faktische Unterstützung des Irakkriegs (zum Beispiel durch Überflugrechte) und ihren Militarisierungskurs zu kritisieren. (...) Bei der Abschlusskundgebung kamen wir uns wie "Statisten für die IPPNW-Show" vor. Eine halbe Stunde für die Live-Übertragung zu warten empfanden viele angesichts der "Großen Herren" und deren Redebeiträge, die dann übertragen wurden, als ärgerlich, während die erste, aus unserer Sicht inhaltlich bessere Hälfte der Veranstaltung den Medien nicht ebenso präsentiert wurde - Beispielsweise gab es keinen extra Aussichtswagen für Fernsehen und Fotografen - und die Veranstalter hätten sich denken können, für wen sich die Medien interessieren und welche Inhalte diese Prominenten bringen und nicht bringen (z.B. Kritik an Rot-Grün) - das erschien uns gewollt und wird von uns kritisiert. Das Ziel, durch prominente Redner mehr Leute zu gewinnen, ist nicht erreicht worden. Uns sind sogar Personen und Gruppen bekannt, die aufgrund inhaltlicher Kritik und wegen Alt und Lafontaine nicht gekommen sind. Die prominenten Redner haben thematisch Entscheidendes ausgelassen und unsere Anti-Kriegs- und Anti-Militarisierungs-Positionen unzulässig auf eine Anti-Atomwaffen-Position eingeengt. Auf der Abschlusskundgebung fehlten daher wichtige Themen wie atomare Teilhabe Deutschlands, Irakbesatzung, Kritik an der rot-grünen Bundesregierung, an der Funktion des Kriegsflughafens und seinem aktuellen von Deutschland unterstützen Ausbau sowie der Militarisierung der EU. Nur Pröbstin Helga Trösken weitete die Thematik und kritisierte den EU-Verfassungsentwurf, allerdings war sie die letzte Rednerin der Abschlusskundgebung, als viele schon gegangen waren. (...) Die "eigene Seite", also Bundes- und Landesregierung, sowie die Europäische Union bei der Kritik auszusparen ist ein politischer Fehler! Bei der Kritik an Atomwaffen die mitverantwortliche Bundesregierung auszulassen, macht diese Kritik zudem unglaubwürdig! Es muss gesagt werden: In Büchel übt die Bundeswehr OHNE die US-Army den Einsatz der US-Atombomben! Bundeswehr und EU eifern den USA in ihrer Präventivkriegsstrategie nach! Ebenso fehlten uns das Aufzeigen politischer Alternativen wie zivile Konfliktbearbeitung und Rüstungskonversion und der aktuelle Kontext des Sozialabbaus angesichts von Aufrüstung und Sicherheitswahn. Wir fragen uns: Wohin geht diese "Bewegung gegen Atomwaffen" - wird sie die Kritik an der Bundesregierung weiterhin ausklammern? Wir hoffen, dieser Kardinalfehler wiederholt sich nicht! Positiv anmerken wollen wir, dass das anlässlich des 20.3.04 gemachte SWR-Portrait von Wolfgang Sternstein mit seinem Engagement gegen Atomwaffen und deutsche Teilhabe, z.B. durch zivile Inspektionen, wahrscheinlich durch die Initiative für den Protestmarsch mitgefördert wurde. Außerdem erhielten die polnischen FriedensaktivistInnen, die zu Besuch waren und auf der Auftaktkundgebung vorgestellt wurden, viel Unterstützung für ihren Kampf gegen neue US-Kriegsflughäfen in Polen. Dank auch an alle HelferInnen für die praktische Arbeit vor Ort mit Ausschilderung, Bühnenauf- und -abbau etc.! (...) Damit die Friedensbewegung eine Alternative zur herrschenden Politik darstellt, ist in Zukunft ein anderer Umgang nach innen notwendig. Analyse und Kritik müssen bei uns hier anfangen, d.h. aktuell: Wir brauchen dringend Gegenentwürfe zur rot-grünen Kriegspolitik mit EU-Militarisierung im politischen Kontext der neoliberalen Globalisierung. Für das Trierer Bündnis gegen Krieg: Maria Kronenberg, Markus Pflüger (AG Frieden Trier); Eduard und Maria Bredin (DKP Trier); Jörg (Infoladen Trier); Michell Sontowski - Initiatorin der Nachbesprechung - am 30.3.04 tödlich verunglückt - (Initiative für Atomausstieg Trier); Michael Koob, Thorsten Klein (Katholische Studierende Jugend Trier); Werner Schwarz (Pax Christi Trier). Bündnis gegen Krieg Trier, c/o Friedens- und Umweltzentrum, Pfützenstrasse 1, 54290 Trier, Tel. 0651/994101-7, Fax - 8 |