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PädagogInnen Friedenskongreß in Budapest
vonDie "colours of Benneton" und MacDonalds in der Budapester Fußgängerzone lassen keinen Zweifel daran aufkommen, daß dieses Land sich mit aller Macht westlicher Kultur öffnen will. Das betonte auch der Staatssekretär im ungarischen Bildungsministerium, Karoly Manhercz, der die 450 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 3. Internationalen Pädagogenfriedenskongresses in der ungarischen Hauptstadt begrüßte. Vielleicht könnten die ungarischen Lehrer durch die Initiative des Kongresses leichter den Anschluß an Europa finden, meinte er. Diese Hoffnung wird sich kaum erfüllen, denn es waren kaum 40 ungarische Lehrer, die am Kongreß teilnahmen.
Die 500 Mark für einen interessanten Pfingstausflug können bundesdeutsche Lehrer leichter aufbringen als ihre ungarischen Kollegen die 1400 Forint Teilnehmerbeitrag, die bald 20 % eines Monatseinkommen ausmachen. Gegenwärtig gibt es für die ungarischen Lehrer offenbar wichtigeres als den Frieden: Es ist absehbar, wann der letzte sowjetische Soldat das Land verlassen haben wird, und friedenspolitisches Engagement ist zunächst einmal durch das alte Regime diskreditiert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus westlichen Ländern konnten ihr Interesse an der ungarischen Entwicklung nur am Rande des Kongresses oder bei Hospitationen am letzten Kongreßtag befriedigen.
Mit der ôffnung der Grenzen werden die großen Feindbilder des Ost-West-Gegensatzes allmählich überwunden - aber die Friedenspädagogen stehen dieser neuen Situation noch ratlos gegenüber. Dabei gäbe es genug zu tun: Am Ende des Ost-West-Gegensatzes steht alles andere als die Fähigkeit, politisch und persönlich friedlich miteinander umzugehen, vielmehr gibt es in Ost und West eine Verschiebung vom äußeren zum inneren Feindbild. Das war auch das Thema einer Arbeitsgruppe. Die antisemitischen Ausschreitungen in Frankreich, Türkenhass und Angst vor den besitzergreifenden armen Verwandten aus Dresden und Frankfurt/Oder bei uns, Polenfeindlichkeit und neue Reisebeschränkungen für die Bewohner der ehemaligen Bruderländer in der DDR, die Minderheitenprobleme in der Sowjetunion, und auch in Ungarn gibt es Auseinandersetzungen mit den östlichen Nachbarn sind Formen, in denen sich diese Verschiebung der Feindbilder äußert. Wie kommt es, daß ausgerechnet in der Zeit, in der die Verständigung zwischen Ost und West leichter wird, innerhalb der Gesellschaften neue Feindbilder entstehen und alte wiederbelebt werden? Brauchen Menschen auf der Suche nach einer neuen Identität die Abgrenzung gegenüber den Anderen, also neue Feindbilder? Die Ost-West-Feindschaft verliert vielleicht an ideologischer Brisanz, aber sie wird als sozialer und ökonomischer Gegensatz erhalten bleiben. Das wurde auch auf diesem Kongreß deutlich.
Nach der Entschärfung des Ost-West-Gegensatzes werden regional begrenzte Konflikte bedrohlicher. Auf dem Kongreß begegneten sich Vertreter palästinensischer und israelischer Lehrerverbände - was letzteren vom Staat Israel verboten ist. Lehrer stehen ebenso hilflos wie Politiker vor dem Problem, wie dort die Menschenrechte gesichert werden können, vor allem die der Kinder.
Vor ein paar Monaten war es kaum denkbar, daß Friedenspädagogen aus der Bundesrepublik und der DDR in Budapest gemeinsam den schwedischen Diplomaten Raol Wallenberg ehren, der während der faschistischen Okkupation zahlreiche Juden gerettet hat und später in sowjetischen Internierungslagern verschwand.
Den meisten Teilnehmern kam es nicht so sehr auf das Niveau der Referate und die theoretische Auseinandersetzung an - dann wären sie auch nicht auf ihre Kosten gekommen. Für sie stand die Begegnung im Vordergrund. Das hob auch Stefan Bartels hervor, Mitglied der neu entstandenen Gruppe der Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden in der DDR: Nichts hätten sie sich so sehr gewünscht wie einmal mit Lehrern aus vielen anderen Ländern in Kontakt zu kommen.
So kamen aus der Bundesrepublik mehr Teilnehmer als aus dem gastgebenden Ungarn selbst. Im Unterschied zu den früheren Kongressen reisten diesesmal einige sowjetische Lehrer nicht als offizielle delegierte, sondern auf eigene Kosten an. Eine Teilnehmerin aus Leningrad mußte feststellen, daß man an ungarischen Bankschaltern keine Rubel mehr in die Landeswährung eintauscht. Sie war auf die Unterstützung westlicher Kolleginnen und Kollegen angewiesen. Es ist absehbar, wie aus dem Ost-West-Gegensatz ein Nord-Süd-Konflikt von Armen und Reichen wird. Auch damit müssen Friedenspädagogen ganz praktisch umgehen lernen.