6x jährlich erscheint unser Magazin "FriedensForum" und berichtet über Aktionen, Kampagnen und Themen der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeexemplar zu. Die nächste Ausgabe erscheint Ende April mit dem hochaktuellen Thema "Entspannungspolitik".
Pazifismus - ein naives Hirngespinst?
von
Erstmals mit der kontroversen Debatte während des Golfkrieges 1991 über Strategien gegenüber Hussein wurde in der deutschen Friedensbewegung eine Auseinandersetzung über das, was Pazifismus sei und wie pazifistisch die Friedensbewegung sein müsse, ausgelöst. Auslöser des Streitpunktes war einerseits die Androhung Husseins, Israel mit Giftgaseinsätzen anzugreifen, was mit dem Holocaust parallel gesetzt wurde und andererseits der geplanten Abwehrmaßnahme Israels, Patriot-Raketen einzusetzen. Auch die weit verbreitete Charakterisierung Husseins als "Wiedergänger" Hitlers (Enzensberger) machten ihn per Definition gegenüber allen rationalen politischen Bemühungen, seien sie diplomatischer Art, wirtschaftlichen Drucks oder gewaltfreier Aktionen, unzugänglich. So wurde auch innerhalb der Friedensbewegung die bellizistische Position, Hussein mit Waffen gegenüberzutreten, immer lauter.
Die Spaltung in "BellizistInnen" und "PazifistInnen" beschwor eine breite öffentliche Diskussion über diese Frage herauf. Die "Zukunft des Pazifismus" wurde auf vielen Podien und in Artikeln infrage gestellt. Der 1992 beginnende Krieg in Ex-Jugoslawien, rief erneut Irritationen und Hilflosigkeit in der Friedensbewegung hervor und verstärkte die Hinterfragung pazifistisch-gewaltfreier Strategien als wirksames Mittel einer notwendig gewordenen Interventionspolitik. Irritierend war, daß der Konflikt in Ex-Jugoslawien als neuer Konflikttyp, der eines ethno-nationalen Krieges, wahrgenommen wurde. Das war neu für die Friedensbewegung, die in den Achtzigern den Widerstand gegen die Nachrüstung organisierte. Erst vor kurzem wurde auch von Grünen Abgeordneten im Bundestag während der heftig geführten Debatte über die Kampfeinsätze der Bundeswehr im ehemaligen Jugoslawien gefordert, "in Extremsituationen den Pazifismus aufzugeben, um das Abschlachten zu beenden."
Während Pazifismus und Gewaltfreiheit in der Friedensbewegung bisher eher Grundlagen für Formen des Widerstands und der Verweigerung darstellten, müssen wir uns heute auch mit zivilen und gewaltfreien Mitteln und Strategien befassen, um Einmischungen in gewaltsame Konflikte zu praktizieren - sei es beim Verhalten in rassistischen Gewaltsituationen in unserer Gesellschaft oder in Bürgerkriegen mit ethnischen Konflikten, initiiert von Eliten, um Macht- und Herrschaftsinteressen zu sichern. Hier sind Interventionen von außen angesagt, um nicht nur Opfer und Opposition, sondern auch Menschenrechte zu schützen, sie einzufordern oder durchzusetzen. Nur sind die meisten AktivistInnen bzw. Nichtregierungsorganisationen (NGO) in der Regel einerseits über zivile gewaltfreie Instrumente und Verfahren nicht informiert und andererseits ist die Friedensforschung gefordert, unter Einbeziehung von Erfahrungen noch vieles weiterzuentwickeln.
Hat sich der Pazifismus "als naives Hirngespinst herausgestellt, von dem bloß eine intellektuelle Elite träumt?", wie 1993 eine Schweizer Zeitschrift fragte? Gehört der Pazifismus nun doch zu jenen Utopien, die gern als Illusionen von friedensbewegten TräumerInnen betrachtet werden und jetzt endgültig zu den "verlorenen Utopien" ad acta gelegt werden?
Aktuelle Pazifismen
Welche Pazifismus-Vorstellungen wurden bisher von der Friedensbewegung vertreten? Nicht nur in Deutschland, auch in der Schweiz begann seit der großen Herausforderung durch den Krieg in Ex-Jugoslawien der Streit - ich möchte ihn "innerpazifistisch" nennen - um den richtigen Pazifismus. So sprach beispielsweise der Philosoph Arnold Künzli 1993 auf einem Podium der GSoA-Gruppe Schweiz ohne Armee von einem realistisch-kritischen Pazifismus, der "von Fall zu Fall" (unter Berücksichtigung der jeweiligen politischen, sozialen, ökonomischen und militärischen Situation) entscheidet, "ob und wenn ja, in welchem Umfang Gewalt notwendig und verantwortbar ist. Wenn auch ů contrecoeur" (widerwillig). Ihm gegenüber steht seiner Ansicht nach der apolitische unbedingte Pazifismus (um jeden Preis), der sich einer absoluten Gesinnungsethik unterstellt und den Frieden zum höchsten Wert erklärt und nicht den Menschen.
Ähnlich sah Karlheinz Koppe, ehemaliger Leiter der Arbeitsstelle Friedensforschung in Bonn, den Pazifismus (1993). Er mochte für sich den Begriff des praktizierenden Pazifisten in Anspruch nehmen, der sich "nicht auf die Theorie der Gewaltfreiheit zurückzieht, sondern in jedem Stadium aktueller Entwicklung die Möglichkeiten gewaltarmen Handelns prüft und auslotet".
Mit gewaltfreien Methoden und damit gleichzeitig gegen strukturelle Ursachen und die personalen Verursacher militärischer Gewalt wendet sich der aktive politische Pazifismus - er will Kriege verhindern (Verständnis der DFG-VK). Ähnlich der streitbare Pazifismus, wie er innerhalb des Komitees für Grundrechte und Demokratie formuliert wurde. Dieses Verständnis von Pazifismus geht davon aus, daß gestritten werden muß, um Konflikte zu lösen und Probleme zu bewältigen - auf gewaltfreiem Weg.
Die genannten Verständnisse von Pazifismus grenzen sich, bei aller Unterschiedlichkeit im Einzelnen, gemeinsam ab von einer weit verbreiteten Form von Pazifismus, dem eine moralisch-ethische Haltung zugrundeliegt, die jegliche Gewaltanwendung und militärisches Eingreifen in einen Krieges kategorisch ohne Prüfung der jeweiligen historischen Situation verwirft.
Verantwortungspazifismus - gewaltfrei, streitbar, politisch
Dem Friedensdenken, das hinter diesem allgemeinen Verständnis von Pazifismus steht, fehlt eines: Es ist ohne konkretes und konstruktives Friedenskonzept gedacht, ohne Instrumente für eine gewaltfreie und konstruktive Austragung von Konflikten, es zeigt keine alternativen Handlungskonzepte zum Militär auf bzw. zur militärischen Intervention in Konflikte. Ohne solche Konzepte läßt sich Frieden aber nicht auf eine dauerhafte Grundlage stellen. Wirkt der Pazifismus vielleicht deshalb so wirklichkeitsfern und wird als schöne Utopie belächelt? Gemeinsam ist allen genannten Pazifismen die Ablehnung von Gewaltanwendung, bei einigen Vorstellungen wird sie einschränkend von "Fall zu Fall" oder "im Extremfall" zugelassen.
Ich möchte in Anlehnung an Max Weber zwei grundsätzliche pazifistische Orientierungen unterscheiden. Eine gesinnungsethische Variante des Pazifismus und eine verantwortungsethische: der Gesinnungspazifismus und der Verantwortungspazifismus. "Gewaltfreier Pazifismus ist eingreifend, streitbar, praktiziert Zivilen Ungehorsam, überlässt das Regieren nicht allein den Regierungen, versucht die Probleme von der (Gras-) Wurzel her zu lösen und stärkt, wo immer er kann, die Civil Society. Gewaltfreier Verantwortungspazifismus ist ein Pazifismus nicht des Abwartens, der Passivität, sondern der Tat und des Handelns." (Werkstattmitarbeiter Uli Wohland, 1995)
Zur konkreten Utopie des Friedens
Wer von Pazifismus redet, darf darüber nicht den Begriff des Friedens vergessen. Denn daß in dem Wort "Pazifismus" Frieden steckt, ist nicht zu überhören: pax = Frieden, und pacificare = Frieden schaffen, bringen, lieben. (pacifisme / pazifique = friedlich / friedliebend, pacifier = befrieden, beruhigen). Pax konnte jedoch in der Geschichte, beispielsweise in der römischen Kaiserzeit, auch "be-frieden" bedeuten. Als "Pax Romana" galt der befriedete Herrschaftsbereich Roms. Das Wort "Frieden" ließ sich schon immer in unterschiedlicher Weise definieren, ge- und mißbrauchen und ist mit verschiedenen Vorstellungen verbunden, die nicht gerade die besten Bedingungen für einen dauerhaften Frieden schufen.
Im Lexikon finde ich, daß "Frieden auf die germanische Wurzel "fri" zurückgeht, was lieben heißt und so viel bedeutet wie "Zustand der Freundschaft" oder "Schonung". Im Laufe der Geschichte hat sich die Vorstellung über den Zustand "Frieden" und vor allem über die Ursachen des Verlustes immer wieder gewandelt. Die Abwesenheit von Krieg und Gewaltanwendung ist wohl die gängigste Definition von Frieden. Hier wird Frieden negativ formuliert ohne eine positive Bestimmung zu enthalten. Erst der norwegische Friedensforscher Johan Galtung ermöglichte 1971 mit der Unterscheidung in personale und strukturelle Gewalt auch die Erweiterung des Friedensbegriffs - Frieden bedeutet demnach heute die Abwesenheit von jeglicher Art Gewalt. Diese Definition von einem positiven Frieden schließt auch die strukturelle Gewalt mit ein. Positiver Frieden ist eng verknüpft mit sozialer Gerechtigkeit und Verwirklichung von Menschenrechten und ökologischen Perspektiven.
Als Beschreibung eines gesellschaftlichen Zustandes, der irgendwann einmal erreicht werden könnte, ist aber auch ein positiver Friedensbegriff wenig brauchbar in der täglichen Friedensarbeit oder zur Motivation neuer AktivistInnen. Zu sehr klingt dieser Frieden nach Konfliktfreiheit, Harmonie, ja Paradies. Nachvollziehbarer ist es hingegen, Frieden als Prozeß zu verstehen. Bei der Entwicklung eines Friedensprozesses werden Konflikte immer mehr mit gewaltfreien und immer weniger mit gewaltförmigen Mitteln bearbeitet mit der Perspektive, daß irgendwann ein "Zustand der Freundschaft" erreicht werden könnte.
So läßt sich Frieden wie folgt definieren: Frieden ist ein zielgerichteter Prozess engagierter Konfliktaustragung - mit gewaltfreien Mitteln. Die Ziele orientieren sich an der Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit, den Menschenrechten und ökologischen Werten.
In diese Definition fließen die Positionen des Verantwortungspazifismus mit der Idee eines positiven Friedens als Prozess zusammen. Dieser Frieden kommt weder von alleine, noch ist er umsonst zu haben. Dieser Frieden will erarbeitet sein, und er muß vorbereitet werden. Si vis Pacem, para Pacem! Damit ist auch klar: Nicht das Ziel rechtfertigt die Mittel, vielmehr müssen die Mittel den Zielen entsprechen. "Der Weg ist das Ziel" heißt das Motto.
Zivile gewaltfreie Konfliktaustragung - damit der Frieden laufen lernt ?
Im Mittelpunkt der genannten Definition steht ein bestimmter Konfliktbegriff. Konflikte werden hier nicht wie immer noch üblich als Bedrohung eines scheinbar stabilen oder gar harmonischen Zustandes begriffen, sondern als Chance privater wie gesellschaftlicher Weiterentwicklung.
Konflikte werden immer zwischen Menschen entstehen, es bilden sich verschiedene Interessen heraus oder auch unterschiedliche Identitäten, die vielfältige Spannungen zwischen Menschen und in Gesellschaften erzeugen können. Das ist auch gut so. Nicht der Konflikt ist das Bedrohliche, sondern die Formen in denen der Konflikt ausgetragen oder auch verdrängt wird. Hier ist Umdenken angesagt. Aus der unterschiedlichen Einstellung zu Konflikten - Bedrohung oder Chance - ergeben sich auch unterschiedliche Vorstellungen, wie mit ihnen umzugehen sei. Die Geister scheiden sich vor allem über die Formen und Regeln, in denen Konflikte ausgetragen oder bewältigt werden müssten. Denn auf das "Wie" kommt es an, und welches Modell der Konfliktaustragung die Beteiligten im Kopf haben. Auch hier ist Umdenken angesagt.
Wir müssen endlich lernen, was es heißt, aktiv Frieden zu stiften, statt immer nur Feinde zu besiegen. Bei Gewaltanwendung stehen sich Freund und Feind gegenüber, Gut und Böse usw. - ein Konfliktmodell, das ein Nullsummenspiel vorsieht, bei dem der Gewinn des einen der Verlust der anderen gegenübersteht. Dagegen steht bei dem Einsatz von gewaltfreien Instrumenten bzw. Aktionen in einem Konflikt das Modell, für beide Seiten möglichst viel gemeinsame neue Lebensperspektiven zu gewinnen. Die zivile gewaltfreie Konfliktbearbeitung zielt nicht auf den Sieg oder die Niederlage der anderen Seite, sondern auf ein win-win Verhältnis der Konfliktparteien.
Um nicht irrationales Verhalten vorzuprogrammieren, dürfen keine Situationen geschaffen werden, die Niederlage zur Perspektive haben und Ausweglosigkeit. Die Interessen des Gegners werden bei der Lösungssuche mitberücksichtigt. Als eventuelle "Verführung zu Gewaltfreiheit, zu mehr Gerechtigkeit, zu Versöhnung und Kooperationsbereitschaft, durch die Feindbilder und erstarrte Denkfiguren überwunden werden können," beschreibt Andreas Buro (1992) sehr einladend Ziele ziviler Konfliktbearbeitung. Im Vergleich zur herkömmlichen Gewaltspirale ein revolutionäres Konfliktmodell, das die Chance gesellschaftlicher Veränderungen eröffnet?
Diese und weitere Formen, Konflikte anzugehen oder neu wahrzunehmen, werden vorausgesetzt, um die breite Palette ziviler und gewaltfreier Bearbeitung von Konflikten zur Entfaltung zu bringen. Gewaltfreie Optionen sind zwar kein Allheilmittel und bieten auch keine Erfolgsgarantie, aber sie zerstören und töten nicht und haben auch keine Rache zur Folge - gewaltfreies Handeln, darauf weist z.B. Johan Galtung immer wieder hin, ist - anders als gewaltförmiges Handeln - reversibel!
Gewaltfreier "Pazifismus der Tat" und die Umsetzung
Daß ein "Pazifismus der Tat und des Handelns" in der Praxis möglich ist und zudem die Civil Society stärkt, wie dies Uli Wohland definierte, beweist das seit 1994 arbeitende Balkan Peace Team (BPT), ein international getragenes Friedensprojekt von Freiwilligen, das bereit ist, sich bei Menschenrechtsverletzungen und anderen Gewalttaten auf gewaltfreiem Wege einzumischen und Versöhnungsarbeit anzuregen. Eine weitere Idee für gewaltfreies bzw. gewaltminderndes und deeskalierendes Eingreifen von Freiwilligen auf internationaler wie auch auf innenpolitischer Ebene stellt das Konzept des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) dar, das derzeit in der Ev. Kirche und in der nicht nur deutschen Öffentlichkeit heftig diskutiert wird.
Um solche Konzepte voranzubringen, sind nicht nur die Erarbeitung von Curricula und öffentliche Gelder für Ausbildungszentren notwendig. Neben der Politik ist hier vor allem auch die Friedens- und Konfliktforschung gefragt. Ihre Aufgabe wäre es, solche "zivilen" Konzepte zu präzisieren und politikfähig zu machen. Unbestritten ist, daß es an finanziellen Mitteln fehlt. Aber ebenso wie in der Politik stellt der Wille, sich damit zu beschäftigen, eine wesentliche Basis dar.
Grenzen des Pazifismus
1926 stellte Tucholsky herausfordernd fest: "Wir sind uns alle darüber einig, daß die pazifistische Arbeit der letzten Jahre nicht kräftig genug gewesen ist...". Heute, in den ersten Jahren der Neunziger mit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien, ist die Friedensbewegung mit ihren Möglichkeiten gewaltfreien Protests nicht nur über alle Maßen herausgefordert. Sie mischt sich auch konkret mit verschiedenen Aktivitäten direkt in dem vom Krieg gebeutelten Land ein. Allerdings wurden Vorschläge für politisch-pazifistische Vorgehensweisen immer dann, wenn die meist vorausgesagten Gewalteskalationen der Aggressoren ausbrachen, der Lächerlichkeit preisgeben, ja sogar dem Vorwurf des Verrats der Menschenrechte ausgesetzt. "Als die Friedensbewegung 1991 vor einem furchtbaren Krieg in Bosnien warnte und vorbeugende Maßnahmen forderte, hat man dies ignoriert." (Komitee für Grundrechte und Demokratie, Juni/95). Vorrangig die militärische Dimension stärkend, erscheinen gewaltfrei-pazifistische Strategien weiterhin lediglich als schöne Utopie am fernen Sternenhimmel, die Alternativen bleiben marginal.
Andererseits wird bei generellen Erwartungen und Wünschen an gewaltfrei-pazifistische Interventionen oft folgendes übersehen: Hat der Krieg erst einmal begonnen, schrumpfen 1. die Handlungsoptionen, und 2. drohen militärische Optionen politisch-pazifistische Initiativen zu überschwemmen. Pazifistische bzw. politische Optionen werden generell immer geringer, je weiter ein Konflikt eskaliert ist. Sie liegen im Wesentlichen im Vorfeld und in der Genese des Konflikts. Hier liegt die Stärke der Friedensbewegung, in sozialen Lernprozessen Ideen und Strategien zu entwickeln für gewaltfrei-pazifistisches Handeln.
Pazifismus, konkrete Utopie und kriegstrunkene Welt
"Soziale Bewegungen, die keine Utopien zu entwickeln versuchen und nicht zu ihnen stehen, entwickeln keinen Begriff ihrer Alternative, ihrer Zukunft (...). Gefährlich kann dies deshalb sein, weil solche Bewegungen zu stagnieren drohen, ihre Kraft verlieren und die Menschen die Lust am Engagement verlieren könnten, weil (...) friedensverträgliche Alternativen viele, (...) weit mehr zu motivieren und auch zum realpolitischen Handeln anzuregen vermögen, als die Beschränkung auf die eher triste Gegenwart." In diesem Sinne von Andreas Gross aus der Schweiz (GSoA und Eurotopia) möchte ich dazu ermutigen, in gewaltfreien Kampagnen, Friedensorganisationen und -initiativen mitzuarbeiten, um einen streitbar-gewaltfreien politischen Pazifismus zu organisieren, der über den Tag hinausgeht und als konkrete Utopie schon heute begonnen werden kann.
Pazifistische Optionen sind weder bequem noch sind sie kostenfrei zu haben und schon gar nicht zu verwechseln mit einer "edel-passiven Hinnahme der schlechten kriegstrunkenen Welt" (W.-D. Narr, 1993). Im Gegenteil. "Sie erfordern kämpferischen Einsatz", wie es Tucholsky schon in den Zwanzigern erkannte und Karlheinz Koppe weiterführte, "wobei es um nicht mehr und nicht weniger geht, als anderen zur Menschenwürde zu verhelfen, ohne die eigene Menschenwürde verlieren zu müssen." Letztendlich geht es nicht um militärisch erkämpfte nationale Rechte, sondern um Freiheit und Glück, um eine menschenrechtlich organisierte Gesellschaft. Nur jener politische Pazifismus ist keine "verlorene Utopie", der endlich begreift, daß Alternativen und Widerstand gegen den Krieg schon im Frieden vorbereitet werden müssen und zwar kontinuierlich! Dieser Pazifismus hat Zukunft.