Pazifismus - ein naives Hirngespinst?

von Renate Wanie
Schwerpunkt
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Erstmals mit der kontroversen Debatte während des Golfkrieges 1991 über Strategien gegenüber Hussein wurde in der deutschen Friedens­bewegung eine Auseinandersetzung über das, was Pazifismus sei und wie pazifistisch die Friedensbewegung sein müsse, ausgelöst. Auslöser des Streitpunktes war einerseits die Androhung Husseins, Israel mit Giftgaseinsätzen anzugreifen, was mit dem Holocaust parallel gesetzt wurde und andererseits der geplanten Abwehrmaßnahme Israels, Pa­triot-Raketen einzusetzen. Auch die weit verbreitete Charakterisierung Husseins als "Wiedergänger" Hitlers (Enzensberger) machten ihn per Definition gegenüber allen rationalen politischen Bemühungen, seien sie diplomatischer Art, wirtschaftlichen Drucks oder gewaltfreier Aktio­nen, unzugänglich. So wurde auch innerhalb der Friedensbewegung die bellizistische Position, Hussein mit Waffen gegenüberzutreten, immer lauter.

Die Spaltung in "BellizistInnen" und "PazifistInnen" beschwor eine breite öf­fentliche Diskussion über diese Frage herauf. Die "Zukunft des Pazifismus" wurde auf vielen Podien und in Artikeln infrage gestellt. Der 1992 beginnende Krieg in Ex-Jugoslawien, rief erneut Ir­ritationen und Hilflosigkeit in der Frie­densbewegung hervor und verstärkte die Hinterfragung pazifistisch-gewaltfreier Strategien als wirksames Mittel einer notwendig gewordenen Interventions­politik. Irritierend war, daß der Konflikt in Ex-Jugoslawien als neuer Konflikt­typ, der eines ethno-nationalen Krieges, wahrgenommen wurde. Das war neu für die Friedensbewegung, die in den Acht­zigern den Widerstand gegen die Nachrüstung organisierte. Erst vor kur­zem wurde auch von Grünen Abgeord­neten im Bundestag während der heftig geführten Debatte über die Kampfein­sätze der Bundeswehr im ehemaligen Jugoslawien gefordert, "in Extremsitua­tionen den Pazifismus aufzugeben, um das Abschlachten zu beenden."

Während Pazifismus und Gewaltfreiheit in der Friedensbewegung bisher eher Grundlagen für Formen des Wider­stands und der Verweigerung darstell­ten, müssen wir uns heute auch mit zi­vilen und gewaltfreien Mitteln und Strategien befassen, um Einmischungen in gewaltsame Konflikte zu praktizieren - sei es beim Verhalten in rassistischen Gewaltsituationen in unserer Gesell­schaft oder in Bürgerkriegen mit ethni­schen Konflikten, initiiert von Eliten, um Macht- und Herrschaftsinteressen zu sichern. Hier sind Interventionen von außen angesagt, um nicht nur Opfer und Opposition, sondern auch Menschen­rechte zu schützen, sie einzufordern oder durchzusetzen. Nur sind die mei­sten AktivistInnen bzw. Nichtregie­rungsorganisationen (NGO) in der Re­gel einerseits über zivile gewaltfreie In­strumente und Verfahren nicht infor­miert und andererseits ist die Friedens­forschung gefordert, unter Einbeziehung von Erfahrungen noch vieles weiterzu­entwickeln.

Hat sich der Pazifismus "als naives Hirngespinst herausgestellt, von dem bloß eine intellektuelle Elite träumt?", wie 1993 eine Schweizer Zeitschrift fragte? Gehört der Pazifismus nun doch zu jenen Utopien, die gern als Illusionen von friedensbewegten TräumerInnen betrachtet werden und jetzt endgültig zu den "verlorenen Utopien" ad acta gelegt werden?

Aktuelle Pazifismen

Welche Pazifismus-Vorstellungen wur­den bisher von der Friedensbewegung vertreten? Nicht nur in Deutschland, auch in der Schweiz begann seit der großen Herausforderung durch den Krieg in Ex-Jugoslawien der Streit - ich möchte ihn "innerpazifistisch" nennen - um den richtigen Pazifismus. So sprach beispielsweise der Philosoph Arnold Künzli 1993 auf einem Podium der GSoA-Gruppe Schweiz ohne Armee von einem realistisch-kritischen Pazi­fismus, der "von Fall zu Fall" (unter Be­rücksichtigung der jeweiligen politi­schen, sozialen, ökonomischen und mi­litärischen Situation) entscheidet, "ob und wenn ja, in welchem Umfang Ge­walt notwendig und verantwortbar ist. Wenn auch ů contrecoeur" (widerwillig). Ihm gegenüber steht sei­ner Ansicht nach der apolitische unbe­dingte Pazifismus (um jeden Preis), der sich einer absoluten Gesinnungsethik unterstellt und den Frieden zum höchsten Wert erklärt und nicht den Menschen.

Ähnlich sah Karlheinz Koppe, ehemali­ger Leiter der Arbeitsstelle Friedensfor­schung in Bonn, den Pazifismus (1993). Er mochte für sich den Begriff des praktizierenden Pazifisten in Anspruch nehmen, der sich "nicht auf die Theorie der Gewaltfreiheit zurückzieht, sondern in jedem Stadium aktueller Entwicklung die Möglichkeiten gewaltarmen Han­delns prüft und auslotet".

Mit gewaltfreien Methoden und damit gleichzeitig gegen strukturelle Ursachen und die personalen Verursacher militäri­scher Gewalt wendet sich der aktive po­litische Pazifismus - er will Kriege ver­hindern (Verständnis der DFG-VK). Ähnlich der streitbare Pazifismus, wie er innerhalb des Komitees für Grund­rechte und Demokratie formuliert wurde. Dieses Verständnis von Pazifis­mus geht davon aus, daß gestritten wer­den muß, um Konflikte zu lösen und Probleme zu bewältigen - auf gewalt­freiem Weg.

Die genannten Verständnisse von Pazi­fismus grenzen sich, bei aller Unter­schiedlichkeit im Einzelnen, gemeinsam ab von einer weit verbreiteten Form von Pazifismus, dem eine moralisch-ethi­sche Haltung zugrundeliegt, die jegliche Gewaltanwendung und militärisches Eingreifen in einen Krieges kategorisch ohne Prüfung der jeweiligen histori­schen Situation verwirft.

Verantwortungspazifismus - gewalt­frei, streitbar, politisch

Dem Friedensdenken, das hinter diesem allgemeinen Verständnis von Pazifismus steht, fehlt eines: Es ist ohne konkretes und konstruktives Friedenskonzept ge­dacht, ohne Instrumente für eine ge­waltfreie und konstruktive Austragung von Konflikten, es zeigt keine alternati­ven Handlungskonzepte zum Militär auf bzw. zur militärischen Intervention in Konflikte. Ohne solche Konzepte läßt sich Frieden aber nicht auf eine dauer­hafte Grundlage stellen. Wirkt der Pazi­fismus vielleicht deshalb so wirklich­keitsfern und wird als schöne Utopie belächelt? Gemeinsam ist allen ge­nannten Pazifismen die Ablehnung von Gewaltanwendung, bei einigen Vor­stellungen wird sie einschränkend von "Fall zu Fall" oder "im Extremfall" zu­gelassen.

Ich möchte in Anlehnung an Max We­ber zwei grundsätzliche pazifistische Orientierungen unterscheiden. Eine ge­sinnungsethische Variante des Pazifis­mus und eine verantwortungsethische: der Gesinnungspazifismus und der Ver­antwortungspazifismus. "Gewaltfreier Pazifismus ist eingreifend, streitbar, praktiziert Zivilen Ungehorsam, überlässt das Regieren nicht allein den Regie­rungen, versucht die Probleme von der (Gras-) Wurzel her zu lösen und stärkt, wo immer er kann, die Civil Society. Gewaltfreier Verantwortungspazifismus ist ein Pazifismus nicht des Abwartens, der Passivität, sondern der Tat und des Handelns." (Werkstattmitarbeiter Uli Wohland, 1995)

Zur konkreten Utopie des Friedens

Wer von Pazifismus redet, darf darüber nicht den Begriff des Friedens verges­sen. Denn daß in dem Wort "Pazifismus" Frieden steckt, ist nicht zu überhören: pax = Frieden, und pacifi­care = Frieden schaffen, bringen, lieben. (pacifisme / pazifique = friedlich / friedliebend, pacifier = befrieden, beru­higen). Pax konnte jedoch in der Ge­schichte, beispielsweise in der römi­schen Kaiserzeit, auch "be-frieden" be­deuten. Als "Pax Romana" galt der be­friedete Herrschaftsbereich Roms. Das Wort "Frieden" ließ sich schon immer in unterschiedlicher Weise definieren, ge- und mißbrauchen und ist mit verschie­denen Vorstellungen verbunden, die nicht gerade die besten Bedingungen für einen dauerhaften Frieden schufen.

Im Lexikon finde ich, daß "Frieden auf die germanische Wurzel "fri" zurück­geht, was lieben heißt und so viel be­deutet wie "Zustand der Freundschaft" oder "Schonung". Im Laufe der Ge­schichte hat sich die Vorstellung über den Zustand "Frieden" und vor allem über die Ursachen des Verlustes immer wieder gewandelt. Die Abwesenheit von Krieg und Gewaltanwendung ist wohl die gängigste Definition von Frieden. Hier wird Frieden negativ formuliert ohne eine positive Bestimmung zu ent­halten. Erst der norwegische Friedens­forscher Johan Galtung ermöglichte 1971 mit der Unterscheidung in perso­nale und strukturelle Gewalt auch die Erweiterung des Friedensbegriffs - Frie­den bedeutet demnach heute die Abwe­senheit von jeglicher Art Gewalt. Diese Definition von einem positiven Frieden schließt auch die strukturelle Gewalt mit ein. Positiver Frieden ist eng verknüpft mit sozialer Gerechtigkeit und Verwirk­lichung von Menschenrechten und ökologischen Perspektiven.

Als Beschreibung eines gesellschaftli­chen Zustandes, der irgendwann einmal erreicht werden könnte, ist aber auch ein positiver Friedensbegriff wenig brauch­bar in der täglichen Friedensarbeit oder zur Motivation neuer AktivistInnen. Zu sehr klingt dieser Frieden nach Konflikt­freiheit, Harmonie, ja Paradies. Nach­vollziehbarer ist es hingegen, Frieden als Prozeß zu verstehen. Bei der Ent­wicklung eines Friedensprozesses wer­den Konflikte immer mehr mit gewalt­freien und immer weniger mit gewalt­förmigen Mitteln bearbeitet mit der Per­spektive, daß irgendwann ein "Zustand der Freundschaft" erreicht werden könnte.

So läßt sich Frieden wie folgt definie­ren: Frieden ist ein zielgerichteter Prozess engagierter Konfliktaustragung - mit gewaltfreien Mitteln. Die Ziele ori­entieren sich an der Verwirklichung so­zialer Gerechtigkeit, den Menschen­rechten und ökologischen Werten.

In diese Definition fließen die Positio­nen des Verantwortungspazifismus mit der Idee eines positiven Friedens als Prozess zusammen. Dieser Frieden kommt weder von alleine, noch ist er umsonst zu haben. Dieser Frieden will erarbeitet sein, und er muß vorbereitet werden. Si vis Pacem, para Pacem! Da­mit ist auch klar: Nicht das Ziel recht­fertigt die Mittel, vielmehr müssen die Mittel den Zielen entsprechen. "Der Weg ist das Ziel" heißt das Motto.

Zivile gewaltfreie Konfliktaustragung - damit der Frieden laufen lernt ?

Im Mittelpunkt der genannten Defini­tion steht ein bestimmter Konfliktbe­griff. Konflikte werden hier nicht wie immer noch üblich als Bedrohung eines scheinbar stabilen oder gar harmoni­schen Zustandes begriffen, sondern als Chance privater wie gesellschaftlicher Weiterentwicklung.

Konflikte werden immer zwischen Menschen entstehen, es bilden sich ver­schiedene Interessen heraus oder auch unterschiedliche Identitäten, die vielfäl­tige Spannungen zwischen Menschen und in Gesellschaften erzeugen können. Das ist auch gut so. Nicht der Konflikt ist das Bedrohliche, sondern die Formen in denen der Konflikt ausgetragen oder auch verdrängt wird. Hier ist Umdenken angesagt. Aus der unterschiedlichen Einstellung zu Konflikten - Bedrohung oder Chance - ergeben sich auch unter­schiedliche Vorstellungen, wie mit ih­nen umzugehen sei. Die Geister schei­den sich vor allem über die Formen und Regeln, in denen Konflikte ausgetragen oder bewältigt werden müssten. Denn auf das "Wie" kommt es an, und wel­ches Modell der Konfliktaustragung die Beteiligten im Kopf haben. Auch hier ist Umdenken angesagt.

Wir müssen endlich lernen, was es heißt, aktiv Frieden zu stiften, statt im­mer nur Feinde zu besiegen. Bei Ge­waltanwendung stehen sich Freund und Feind gegenüber, Gut und Böse usw. - ein Konfliktmodell, das ein Nullsum­menspiel vorsieht, bei dem der Gewinn des einen der Verlust der anderen ge­genübersteht. Dagegen steht bei dem Einsatz von gewaltfreien Instrumenten bzw. Aktionen in einem Konflikt das Modell, für beide Seiten möglichst viel gemeinsame neue Lebensperspektiven zu gewinnen. Die zivile gewaltfreie Konfliktbearbeitung zielt nicht auf den Sieg oder die Niederlage der anderen Seite, sondern auf ein win-win Verhält­nis der Konfliktparteien.

Um nicht irrationales Verhalten vorzu­programmieren, dürfen keine Situatio­nen geschaffen werden, die Niederlage zur Perspektive haben und Ausweglo­sigkeit. Die Interessen des Gegners werden bei der Lösungssuche mitbe­rücksichtigt. Als eventuelle "Verführung zu Gewaltfreiheit, zu mehr Gerechtig­keit, zu Versöhnung und Kooperations­bereitschaft, durch die Feindbilder und erstarrte Denkfiguren überwunden wer­den können," beschreibt Andreas Buro (1992) sehr einladend Ziele ziviler Kon­fliktbearbeitung. Im Vergleich zur her­kömmlichen Gewaltspirale ein revolu­tionäres Konfliktmodell, das die Chance gesellschaftlicher Veränderungen eröff­net?

Diese und weitere Formen, Konflikte anzugehen oder neu wahrzunehmen, werden vorausgesetzt, um die breite Palette ziviler und gewaltfreier Bear­beitung von Konflikten zur Entfaltung zu bringen. Gewaltfreie Optionen sind zwar kein Allheilmittel und bieten auch keine Erfolgsgarantie, aber sie zerstören und töten nicht und haben auch keine Rache zur Folge - gewaltfreies Handeln, darauf weist z.B. Johan Galtung immer wieder hin, ist - anders als gewaltförmi­ges Handeln - reversibel!

Gewaltfreier "Pazifismus der Tat" und die Umsetzung

Daß ein "Pazifismus der Tat und des Handelns" in der Praxis möglich ist und zudem die Civil Society stärkt, wie dies Uli Wohland definierte, beweist das seit 1994 arbeitende Balkan Peace Team (BPT), ein international getragenes Friedensprojekt von Freiwilligen, das bereit ist, sich bei Menschenrechtsver­letzungen und anderen Gewalttaten auf gewaltfreiem Wege einzumischen und Versöhnungsarbeit anzuregen. Eine weitere Idee für gewaltfreies bzw. ge­waltminderndes und deeskalierendes Eingreifen von Freiwilligen auf interna­tionaler wie auch auf innenpolitischer Ebene stellt das Konzept des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) dar, das derzeit in der Ev. Kirche und in der nicht nur deutschen Öffentlichkeit heftig disku­tiert wird.

Um solche Konzepte voranzubringen, sind nicht nur die Erarbeitung von Cur­ricula und öffentliche Gelder für Aus­bildungszentren notwendig. Neben der Politik ist hier vor allem auch die Frie­dens- und Konfliktforschung gefragt. Ihre Aufgabe wäre es, solche "zivilen" Konzepte zu präzisieren und politikfä­hig zu machen. Unbestritten ist, daß es an finanziellen Mitteln fehlt. Aber ebenso wie in der Politik stellt der Wille, sich damit zu beschäftigen, eine wesentliche Basis dar.

Grenzen des Pazifismus

1926 stellte Tucholsky herausfordernd fest: "Wir sind uns alle darüber einig, daß die pazifistische Arbeit der letzten Jahre nicht kräftig genug gewesen ist...". Heute, in den ersten Jahren der Neunzi­ger mit dem Krieg im ehemaligen Jugo­slawien, ist die Friedensbewegung mit ihren Möglichkeiten gewaltfreien Pro­tests nicht nur über alle Maßen heraus­gefordert. Sie mischt sich auch konkret mit verschiedenen Aktivitäten direkt in dem vom Krieg gebeutelten Land ein. Allerdings wurden Vorschläge für poli­tisch-pazifistische Vorgehensweisen immer dann, wenn die meist vorausge­sagten Gewalteskalationen der Aggres­soren ausbrachen, der Lächerlichkeit preisgeben, ja sogar dem Vorwurf des Verrats der Menschenrechte ausgesetzt. "Als die Friedensbewegung 1991 vor einem furchtbaren Krieg in Bosnien warnte und vorbeugende Maßnahmen forderte, hat man dies ignoriert." (Komitee für Grundrechte und Demo­kratie, Juni/95). Vorrangig die militäri­sche Dimension stärkend, erscheinen gewaltfrei-pazifistische Strategien wei­terhin lediglich als schöne Utopie am fernen Sternenhimmel, die Alternativen bleiben marginal.

Andererseits wird bei generellen Er­wartungen und Wünschen an gewaltfrei-pazifistische Interventionen oft folgen­des übersehen: Hat der Krieg erst ein­mal begonnen, schrumpfen 1. die Handlungsoptionen, und 2. drohen mi­litärische Optionen politisch-pazifisti­sche Initiativen zu überschwemmen. Pa­zifistische bzw. politische Optionen werden generell immer geringer, je weiter ein Konflikt eskaliert ist. Sie lie­gen im Wesentlichen im Vorfeld und in der Genese des Konflikts. Hier liegt die Stärke der Friedensbewegung, in sozia­len Lernprozessen Ideen und Strategien zu entwickeln für gewaltfrei-pazifisti­sches Handeln.

Pazifismus, konkrete Utopie und kriegstrunkene Welt

"Soziale Bewegungen, die keine Uto­pien zu entwickeln versuchen und nicht zu ihnen stehen, entwickeln keinen Be­griff ihrer Alternative, ihrer Zukunft (...). Gefährlich kann dies deshalb sein, weil solche Bewegungen zu stagnieren drohen, ihre Kraft verlieren und die Menschen die Lust am Engagement verlieren könnten, weil (...) friedensver­trägliche Alternativen viele, (...) weit mehr zu motivieren und auch zum real­politischen Handeln anzuregen vermö­gen, als die Beschränkung auf die eher triste Gegenwart." In diesem Sinne von Andreas Gross aus der Schweiz (GSoA und Eurotopia) möchte ich dazu ermuti­gen, in gewaltfreien Kampagnen, Frie­densorganisationen und -initiativen mit­zuarbeiten, um einen streitbar-gewalt­freien politischen Pazifismus zu organi­sieren, der über den Tag hinausgeht und als konkrete Utopie schon heute begon­nen werden kann.

Pazifistische Optionen sind weder be­quem noch sind sie kostenfrei zu haben und schon gar nicht zu verwechseln mit einer "edel-passiven Hinnahme der schlechten kriegstrunkenen Welt" (W.-D. Narr, 1993). Im Gegenteil. "Sie er­fordern kämpferischen Einsatz", wie es Tucholsky schon in den Zwanzigern er­kannte und Karlheinz Koppe weiter­führte, "wobei es um nicht mehr und nicht weniger geht, als anderen zur Menschenwürde zu verhelfen, ohne die eigene Menschenwürde verlieren zu müssen." Letztendlich geht es nicht um militärisch erkämpfte nationale Rechte, sondern um Freiheit und Glück, um eine menschenrechtlich organisierte Gesell­schaft. Nur jener politische Pazifismus ist keine "verlorene Utopie", der endlich begreift, daß Alternativen und Wider­stand gegen den Krieg schon im Frieden vorbereitet werden müssen und zwar kontinuierlich! Dieser Pazifismus hat Zukunft.

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