Ein bundesweites Netzwerk junger Engagierter

Peace for Future – Junge Menschen und die Friedensbewegung

von Sandra Klaft
Schwerpunkt
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Seit nun knapp vier Jahren ist Peace for Future dabei, ein bundesweites Netzwerk junger Friedensinteressierter und -Engagierter aufzubauen. Die Initiative dafür entstand 2020 im Bündnis „Sicherheit neu denken“ aus dem Wunsch heraus, dem Altern der Friedensbewegung etwas entgegenzusetzen. Peace for Future entwickelte zunächst friedenspädagogische Angebote speziell für junge Menschen, die sogenannten Friedensmentor*innen-Ausbildungen. Inzwischen ist ein bundesweites Netzwerk entstanden mit Lokalgruppen in Freiburg, Berlin und Frankfurt am Main. Was wir in dieser Zeit vor allem gesehen haben: Es gibt sie – junge Menschen, die sich für Friedensthemen interessieren und sich auch in diesem Bereich engagieren möchten. Woran es fehlt, sind Zugänge zu bestehenden Strukturen in der Bewegung sowie Angebote und Austauschräume, die speziell auf sie zugeschnitten sind.

Jungen Menschen, die friedenspolitisch aktiv werden möchten, fehlt es oft an zugänglichen Informationen über Organisationsstrukturen und auch an Wissen, das jahrzehntelang in der Bewegung aufgebaut wurde, z.B. zu gemeinsamen Erlebnissen, Aktionen oder Personen. Es fehlt auch an Angeboten, die sie konkret ansprechen – sei es inhaltlich oder im Design. Und wenn sie dann in den Austausch mit Friedensgruppen kommen, wird relativ schnell klar: Die Art der Kommunikation unterscheidet sich zwischen den Generationen, und es bedeutet Aufwand auf allen Seiten, um sich aufeinander einzustellen.

Und, dass es überhaupt zu einem Interesse und einer Begegnung kommt, setzt voraus, dass junge Erwachsene überhaupt von der Friedensbewegung als solcher wissen. Traurigerweise stelle ich im Gespräch mit jungen Menschen immer wieder fest, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. Und auch das ist nicht verwunderlich. Menschen, die in den 1990ern und 2000ern aufgewachsen sind, hatten das Glück, in ihrer Jugend nicht mit Krieg im eigenen Land oder der unmittelbaren Nachbarschaft konfrontiert worden zu sein. Dementsprechend war in dieser Zeit auch die Friedensbewegung wenig öffentlich sichtbar. So wuchs diese Generation entweder unpolitisch auf oder politisierte sich durch andere drängende Themen – allen voran dem Klimawandel. 

Doch eins ist mir wichtig zu betonen: Es stimmt nicht, dass junge Menschen sich nicht um ihre Zukunft sorgen und sich nicht für Frieden engagieren. Dies zeigt auch die aktuelle Shell-Studie. (1). Sie tun dies nur in anderen Räumen – in solchen, die sie sich selbst geschaffen haben. Auch ihnen ist die Beseitigung von Gewalt ein großes Anliegen. Allerdings haben sie ein breiteres Verständnis davon, was Gewalt ist und empören sich vor allem über strukturelle Gewalt und unfaire globale Machtstrukturen. Dies zeigt sich in der hauptsächlich von Schüler*innen getragenen Klimagerechtigkeitsbewegung, aber auch z.B. bei #MeToo oder #BlackLivesMatter. Das Überwinden von strukturellen Gewaltformen wie Sexismus, Rassismus oder Klassismus sowie die Stärkung der Menschenrechte ist ein großes Anliegen der jüngeren Generation, weil sie dies als nachhaltigste Form der Prävention direkter Gewalt begreift. Deshalb sprechen jüngere Engagierte auch häufiger von (sozialer) Gerechtigkeit als von Frieden.

Auch Sicherheit wird nicht mehr nur im militärischen Sinn verstanden, sondern vor allem im menschlichen. Jobunsicherheit, Wohnungsnot und die Krise des Gesundheitssystems sind Bereiche, in denen sich nicht nur junge Menschen aktuell in ihrer Sicherheit bedroht fühlen. Diese Themen sind schlicht näher an ihrer Lebensrealität als Kriege und Waffenlieferungen.

Erst wenn die Friedensbewegung anfängt, diese unterschiedlichen Prioritäten als gemeinsames Anliegen zu verstehen und jungen Menschen zuhört, können wir Wege finden, wie sich die Generationen untereinander bestärken und voneinander lernen können.

Instagram und Bildungsangebote
Peace for Future versteht sich dabei als Anlaufstelle für junge Menschen in der Bewegung, unterstützt sie bei ihrem Weg in ein Engagement, schafft einen Dialog zwischen den Generationen und berät Friedensorganisationen darin, mehr junge Menschen zu erreichen. Unseren Instagram-Kanal verstehen wir auch als Sprachrohr, da wir dort Aktionen und Hintergrundanalysen der Friedensbewegung für junge Menschen aufbereiten.

Über Instagram werden auch viele junge Menschen zuerst auf uns aufmerksam. Sie finden aber auch über unsere Website, Poster und Flyer oder E-Mail-Verteiler zu uns und natürlich durch bereits ausgebildete Friedensmentor*innen. Als Netzwerk von und für junge Menschen schaffen wir gezielt Angebote für die junge Zielgruppe. Unsere Bildungsangebote spannen mit einer methodischen Vielfalt den Bogen vom persönlichen Umgang mit Konflikten zu Konfliktbearbeitung auf gesellschaftlicher und politischer Ebene. Wer versteht, wie die eigenen persönlichen Konflikte konstruktiv bearbeitet werden können, kann sich auch besser vorstellen, dass es auch auf der internationalen Bühne gute Alternativen zu Gewalt und Militär gibt. Wichtig ist es uns auch, einen Raum zu schaffen, in dem sich junge Menschen wohl und sicher fühlen, in dem Gefühle und Bedürfnisse und auch unterschiedliche Meinungen Platz haben und in dem sie ihre eigenen Themen mitbringen können. Indem sich Peace for Future nicht zu aktuellen friedenspolitischen Fragen positioniert, gelingt es uns Teilnehmende mit unterschiedlichen Einstellungen zu aktuell kontroversen Themen zu erreichen und einen gemeinsamen Dialograum zu öffnen. Unsere Teilnehmenden melden häufig zurück, dass sie insbesondere die wertschätzende Atmosphäre schätzen, die in diesen Räumen von unseren Trainer*innen geschaffen wird.

Außerhalb der Bildungsangebote profitieren junge Menschen von unserem Netzwerk, in dem sie sich auf bundesweiter Ebene oder auch lokal mit anderen jungen Friedensinteressierten austauschen können – zu friedenspolitischen Themen, zu ihrem Engagement oder Arbeitsmöglichkeiten im Friedensbereich. Im Rahmen unserer bundesweiten Online-Formate sowie unserer Lokalgruppen schaffen wir kontinuierlich Räume für Vernetzung, die gut angenommen werden.

Die Aufgabe ist komplexer geworden
Seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist auch unsere Arbeit komplexer geworden. Auf der einen Seite ist das Interesse an unseren Angeboten gestiegen, weil die Themen Krieg und Frieden näher an uns heranrücken. So steigt auch die Hilflosigkeit und der Wunsch, wieder in eine Handlungsfähigkeit zu kommen. Auf der anderen Seite löst das Wort „Frieden“ auch bei jüngeren Menschen vermehrt Vorbehalte aus wegen angeblicher Russland-Nähe der Menschen, die sich in diesen Zeiten öffentlichkeitswirksam für Frieden stark machen. Junge Menschen suchen in dieser komplexen Weltlage nach Orientierung und nach Organisationen und Aktionen, die für ihre Werte einstehen und sich klar von Rechts abgrenzen. Würde es der Friedensbewegung gelingen, dies glaubhafter zu vermitteln und mehr junge Menschen in ihre Planungsprozesse einzubinden, würden wohl auch mehr von ihnen sich aktuell trauen ,auf Friedensdemonstrationen zu gehen.

Anmerkung
1 https://www.shell.de/ueber-uns/initiativen/shell-jugendstudie-2024.html

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Sandra Klaft ist Projektleiterin von Peace for Future und Referentin für Friedensbildung der DFG-VK Frankfurt. Sie hat Friedens- und Konfliktforschung studiert und ist ausgebildete Beraterin für gewaltfreie Konflikttransformation und soziale Bewegungen.