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Schlussfolgerungen der Abgeordneten
Peace-Keeping Anhörung der Bundestagestagsfraktion B90/Die Grünen am 11. November 1995 in Bonn
von
1. Eine Partei, die nicht bereit ist, Krieg als Mittel der Politik anzuerkennen und ebenfalls ablehnt, Sicherheitspolitik als Militarisierung der Außenpolitik zu definieren, muß ihre ganze politische Kraft dafür einsetzen, Konzepte der nichtmilitärischen Konfliktlösung, der Prävention und Moderation zu stärken und weiterzuentwickeln.
2. Trotz der veränderten Sicherheitslage seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes hat sich die NATO nur vermeintlich ein politisches Standbein neben dem militärischen geschaffen. Gerade das Vorgehen der NATO-Staaten in Ex-Jugoslawien macht deutlich, daß das westliche Militärbündnis im alten Denken der militärischen Abschreckung verhaftet ist.
3. Die NATO-Politik beschränkt sich auf die Ausdehnung nach Osten und das Zurückdrängen der Einflussmöglichkeiten der Vereinten Nationen. Sie ist nicht Sicherheitsgeber, sondern durch Beibehaltung der Strategie der atomaren Abschreckung und Erweiterung des Einsatzgebietes out of area ein Destabilisierungsfaktor.
3. Die Umstrukturierung der NATO-Streitkräfte und damit auch der Deutschen Armee in potentielle Interventionskräfte einerseits, die Militarisierung der EU andererseits, saugen alle Mittel auf, die alternativ für eine Zivilisierung der internationalen und der deutschen Politik eingesetzt werden müssten.
4. Die Forderung der Grünen nach einem parallelen Prozess der Auflösung der NATO einerseits und Stärkung der OSZE andererseits ist keine Utopie, sondern ein realitätsträchtiges Konzept. Es würde gleichzeitig den schweren Weg der Demokratisierung der UNO erleichtern.
5. Die Forderung nach Wahrnehmung der internationalen Verantwortung Deutschlands ist eine Herausforderung an die antimilitaristischen und pazifistischen Kräfte in unserem Land. Wir haben die Alternative zur kohlschen Lesart "Verantwortung = Militär" zu formulieren. Nicht, indem die Isolierung Deutschlands gefordert wird, sondern indem Konzepte zur Wahrnehmung nichtmilitärischer internationaler Aufgaben formuliert werden.
6. Die Podiumsbeiträge zur Rolle der OSZE haben hier dringenden Handlungsbedarf und perspektivische Ansätze aufgezeigt. Die OSZE, die im Haushalt 96 gerade eben 3,6 Millionen zugebilligt bekommt, während sich der Verteidigungshaushalt wieder aufsteigend der 50 Mrd. DM Grenze nähert, bietet Ansätze der Konfliktmoderation und Früherkennung die wirksam ausgebaut werden könnten, wenn der politische Wille dazu vorhanden wäre.
7. Das positive Beispiel Österreichs (Zentrum für Ausbildung nichtmilitärischer Konfliktlösung in Stadtschlaining) zeigt die Defizite Deutschlands in diesem Bereich auf. Die Weiterentwicklung dieser positiven Ansätze bei uns ist möglich und auch wünschenswert. Jenseits von militärischen Strukturen muß Menschen die Gelegenheit gegeben werden, sich auf internationale friedenserhaltende Einsätze im Rahmen der OSZE oder der UNO vorzubereiten.
8. Eine reformierte UNO und eine Änderung der UN-Charta, in der Einsätze nach Artikel VII ersetzt werden durch einen Artikel, der zur Konfliktfrüherkennung und Prävention verpflichtet, würde beinhalten, daß solchen nichtmilitärischen Einsätzen multinational - und auch von Deutschland - Kontingente zur Verfügung gestellt werden.
Das gleiche gilt für die OSZE, die bereits heute eine Beteiligung an Peace-Enforcement ausschließt.
9. Eine so formulierte Wahrnehmung internationaler Verantwortung durch die Beteiligung Deutschlands würde einhergehen mit der Weiterentwicklung und Umsetzung von präventiven Maßnahmen, zum Beispiel im Bereich von Wirtschaftsembargos, deren Wirksamkeit durch die Errichtung von Sanktionshilfefonds erhöht werden könnte. Die aus den Reihen der Grünen entwickelten Konzepte sind keine unrealistischen Wunschträume sondern bereits Bestandteil der Forderung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE. Auch hier ist die Frage nach dem politischen Willen ausschlaggebend.
10. Die Verlagerung der jetzigen Politik hin zu Konzepten der Konfliktvorbeugung, Moderation und Schlichtung in der internationalen Politik muß einhergehen mit einem grundsätzlichen Wandel der Außenpolitik. Solange der politische Wille, eine solidarische Weltwirtschaftspolitik zu betreiben fehlt, solange weiter auf vermeintliche militärische Sicherheit und Sicherung eigener wirtschaftlicher Interessen durch Militär gesetzt wird, werden sich zukünftig Situationen, wo das "Kind bereits in den Brunnen gefallen ist", mit zunehmendem Maße wiederholen.
11. Gerade darum ist es erforderlich, daß die drittstärkste politische Kraft in Deutschland, Bündnis 90/Die Grünen, sich der Verantwortung stellt, Alternativen zur herrschenden Politik zu erarbeiten und für eine gesellschaftliche Mehrheit zu kämpfen, die bereit ist, Konzepte der nichtmilitärischen Prävention und Moderation nicht nur mit zu tragen sondern auch aktiv umzusetzen.