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Professionalisierung der Friedensbewegung?
vonProfessionelle FriedensarbeiterInnen (Profis) wird es geben, solange friedensbewegte Menschen (Laien) Rundbriefe abbonnieren, Mitgliedsbeiträge bezahlen oder regelmäßig Geld für Friedensarbeit spenden und solange Großorganisationen (Parteien, Gewerkschaften, Kirchen) oder staatliche und halbstaatliche Stellen (Kommunen, Forschungseinrichtungen, Bildungsinstitutionen) das Thema "Frieden" für wichtig genug halten, MitarbeiterInnen für diesen Bereich abzustellen - unabhängig davon, ob wir uns diese Professionalisierung wünschen oder nicht.
Professionalisierung ist wünschenswert, wenn sie dazu dient, eigenständige Informations- und Kommunikationsstrukturen zu schaffen bzw. aufrechtzuerhalten, die "FreizeitaktivistInnen" von dröger Organisationsarbeit zu entlasten, Medien-, Bildungs- und Lobbyarbeit für Abrüstung und Gewaltfreiheit auszuweiten und qualitativ zu verbessern sowie für kontinuierliche Friedensarbeit zu sorgen.
Professionelle und Nicht-Professionelle FriedensarbeiterInnen müssen sich aber über die folgenden Problemfelder im klaren sein, die mit der Professionalisierung von Friedensarbeit verbunden sind:
Profis werden teilweise für Arbeiten bezahlt, die Laien unbezahlt in ihrer Freizeit tun. Dies kann zu Konflikten und zur Demotivierung der Laien führen.
Umso mehr Friedensarbeit von Profis erledigt wird, umso geringer ist u. U. die sichtbare Notwendigkeit für Laien, Friedensarbeit zu tun. Umso weniger Friedensarbeit von Laien getan wird, umso geringer ist die Identifizierung der Laien mit der Friedensbewegung und umso größer ist die Gefahr, daß aus einer breiten Massenbewegung ein verknöcherter Apparat von bezahlten Hauptamtlichen wird.
Aufgrund ihres Informationsvorsprungs und des größeren Zeitkontingents der Profis für Friedensarbeit entstehen folgende Gefahren:
- Die Profis überschütten die Laien mit Informationen und Aktionsvorschlägen und ersticken eigenen Gedanken und Initiativen der Laien;
- die Profis haben immer die "besseren" Argumente und setzen letztlich ihre Vorstellungen durch, demotivieren zugleich die Laien, überhaupt noch ihre weniger informierten und durchdachten Meinungen zu äußern, womit die Bewegung insgesamt tendenziell vom Alltagsbewußtsein soweit abhebt, daß sie ihre Informationen nicht mehr "transportieren" kann;
- die Profis kennen die Strukturen und haben mehr Zeit, Beziehungen aufzubauen und können so selbst bei schlechter Argumentation ihre Planungen tendenziell gegenüber Vorstellungen von Laien durchsetzen, die nicht die Kenntnis und Zeit (und auch nicht die Lust) haben, den Hintern in den entsprechenden Entscheidungsgremien platt zu sitzen oder tausend Leute anzurufen und von der Planung zu überzeugen.
Die Tätigkeiten der Profis sind für die Laien selbst bei demokratischen Strukturen sehr schwer zu überblicken und zu kontrollieren (selbst wenn ausführliche Tätigkeits- und Rechenschaftsberichte erstellt werden - wer hat schon die Zeit, die auch noch lesen?), daraus entstehen einerseits unkontrollierte Machtpositionen, andererseits tendenzielle Unzufriedenheit der Laien mit der Arbeit der Profis, bei der zu wenig herauskommt, und Unzufriedenheit der Profis, die sich mit einer Masse unerfüllbarer und widersprüchlicher Erwartungen der Laien konfrontiert sehen.
Neben der Konfliktebene Profis-Laien entsteht mit der Professionalisierung das Problem der Konflikte zwischen verschiedenen Profis, die dazu neigen, die Laien für ihre Konflikte mit anderen Profis zu instrumentalisieren. Zugleich entsteht bei den Laien die Tendenz, sich von den oft schwer zu durchschauenden Konflikten zwischen den Profis und damit von den organisatorischen Strukturen der Friedensbewegung insgesamt frustriert abzuwenden mit dem Gefühl, am liebsten mit diesem ganzen "zerstrittenen Haufen" nichts mehr zu tun haben zu wollen.
Die Kunst professioneller Friedensarbeit wird also vor allem darin bestehen:
- Konflikte mit anderen Profis so auf den Punkt zu bringen, daß sie für Laien durchschaubar und nachvollziehbar bleiben;
- der Versuchung zu widerstehen, sich in der professionellen Arbeit so zu verlieren, daß der Kontakt zur "Basis" nichtprofessioneller Aktivisten verlorengeht;
- der Versuchung zu widerstehen, die Laien mit Informationen und Vorschlägen so "zuzudecken", daß Eigeninitiativen erstickt werden. Profis sollten mehr zuhören und lesen und weniger (und dafür substantieller) reden und schreiben.
Nichtprofessionelle Friedensarbeiter werden sich stärker darauf einstellen müssen, daß ein wichtiger Teil der Friedensarbeit in der Kontrolle von und im Austragen von Konflikten mit professionellen Friedensarbeitern besteht. Dabei ist aber wesentlich, die zur Verfügung stehende Zeit nicht von der Beschäftigung mit den Aktivitäten und Konflikten der Friedensprofis zuschütten zu lassen, so daß für die Friedensarbeit im eigenen privaten, beruflichen und Wohnumfeld kein Platz mehr bleibt.
Die durch professionelle Friedensarbeit freigesetzte politische Energie ist nicht ohne den Preis von in die Kontrolle der Profis und in die mit der Professionalisierung gegebenen Konfliktebenen gebundene politische Energie zu haben.