Projekt Weltethos

von Gregor Witt
Schwerpunkt
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- so der Titel des jüngsten Werkes von Hans Küng, streitbarer katholischer Theologe an der Universität Tübingen. Die Veröffentlichung im Piper-Verlag ist Vorarbeit für ein anspruchsvolles Projekt zur Thematik „Kein Weltfriede ohne Religionsfriede“.

Drei Kernthesen strukturieren Küngs Buch. Die erste These lautet:

Kein Überleben ohne ein Weltethos
Dem stimmt sicher jede/r zu. Unbefriedigend ist jedoch, wenn die geforderte „planetarische Verantwortung“ auf knapp sieben von 172 Seiten skizziert wird: Erforderlich sei eine Verantwortungsethik, die die Folgen allen Handelns bedenkt - für Mitwelt, Umwelt und Nachwelt Dabei solle Ziel und Kriterium der Mensch sein.

Küng liefert damit nicht mehr als eine appellative Andeutung dessen; was Hans Jonas schon 1984 in seinem Werk „Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation“ breiter und differenzierter darstellte. Doch schon Jonas steilte interessierte Wissenschaftlerinnen vor das Problem der konkret-praktischen Umsetzung Küng macht sie eher noch hilfloser.

Den „Nicht-Glaubenden“ gesteht Küng zwar zu, daß auch sie moralisch leben könnten. Aber eine aus der Vernunft begründete Ethik könne nicht unbedingt verpflichten: Was "… die Unbedingtheit und Universalität ethischer Forderungen begründen kann, (ist) jener Urgrund, Urhalt, jenes Urziel des Menschen und der Welt, das wir Gott nennen." (S. 77) Deshalb ist für Küng die globale Verständigung über den Weltethos nur auf religiöser Basis denkbar. Einen konzeptuellen Grund sieht Küng zudem in dem von ihm beobachteten Zusammenbruch von Kommunismus und Kapitalismus. Das führt zur zweiten These:

Kein Weltfriede ohne Religionsfriede
Sie halte ich für problematischer als die erste. Die Rolle der Religionen darf sicher nicht unterschätzt werden. Allein die Geschichte der von den Religionen als „heilig“ und „gerecht“ erklärten Kriege läßt das nicht zu Küng ist selbstkritisch genug, sich von reaktionären, inhumanen und fortschrittsfeindlichen Auslegungen insbesondere seiner eigenen Religion abzugrenzen.

Trotzdem setzt Küng auf die Religionen, um zu einer Verständigung über den Weltethos zu gelangen. Dabei unterschätzt er jedoch die Tatsache, daß neue Wettmaßstäbe und Denkweisen in jüngerer Zeit nicht zuletzt gegen Kirchen und Kirchenwürdenträger durchgesetzt werden mußten gemeinsam von: Christenlnnen und Atheistenlnnen! Dennoch bewahrt sich Küng seinen festen Glaube darin, daß die Religionen sowohl  aus sich heraus als auch im Dialog miteinander zur planetarischen Verantwortung gelangen werden. Daraus folgt seine dritte These:

Kein Religionsfriede ohne Religionsdialog
Die These klingt beinahe banal. Sie hat jedoch insofern Berechtigung, als Friede ohne den Dialog auch der Religionen undenkbar Ist. Bezweifelt werden kann aber deren hervorgehobene Bedeutung. Denn religiöse Motive bestimmen politisches Handeln weit weniger als politische und wirtschaftliche Interessen. Solche Motive klammert Küng jedoch weitestgehend aus. Vielleicht eignen sie sich nicht genug zum Beleg seiner Thesen.

Küngs Ansichten über die zentrale Stellung der Religionen muß man nicht teilen, um seine Überlegungen zum Weltethos interessant und wichtig zu finden. Eines ist jedoch bedauerlich, angesichts des hohen Buchpreises von 19,80 DM sogar ärgerlich: daß Küng eine ausführliche Gliederung seines eigentlichen .Vorhabens auf den Markt gebracht hat, statt zu warten, bis er Forschungsergebnisse vorzulegen hat.

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