Protektorate für Sarajewo und Mostar - das Überleben ermöglichen

von Beate Roggenbuck

In einem dramatischen Appell haben sich demokratische Organisationen aus Sarajewo in enger Zusammenarbeit mit der internationalen Menschenrechtsorganisation Helsinki Citizens Assembly mit der Forde­rung an die Öffentlichkeit gewandt, trotz des zumindest vorläufigen Scheiterns der Genfer Verhandlungen an der Errichtung von Protektora­ten durch die Vereinten Nationen in Sarajewo und durch die EG in Mo­star festzuhalten. In den Genfer Gesprächen war eine entsprechende Protektoratslösung für eine Übergangszeit von zwei Jahren vereinbart worden, um in diesen beiden Städten zumindest eine Normalisierung erreichen zu können.

 

Die deutsche Sektion der Helsinki Citi­zens Assembly unterstützt diesen Appell aus Sarajewo und schlägt folgenden Vier-Punkte-Katalog vor:

  1. Wir fordern die Genfer Verhandlungs­führer auf, die Gespräche über die Einrichtung der ursprünglich vorge­sehenen Protektorate für Sarajewo und Mostar unverzüglich wieder auf­zunehmen und die Einrichtung der Protektorate schnellstens zu verein­baren. Alle Parteien in diesen Ver­handlungen fordern wir auf, politi­sche Kalküle zurückzustellen und hu­manitären Gesichtspunkten Vorrang einzuräumen. Ein Sterben dieser Städte im kommenden Winter darf nicht als Druckmittel für politische Konzessionen dienen. Die Einrich­tung von Protektoraten in weiteren Städten und Gebieten ist zu prüfen.
  2. Wir bitten die Bundesregierung, sich für die Einrichtung der Protektorate mit allem Nachdruck einzusetzen und die hierfür erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Alle Mitglieder des Bundestages rufen wir auf, ent­sprechende Initiativen zu ergreifen.
  3. Die deutschen Städte und Kommu­nen haben eine große Erfahrung in internationalen Kontakten und kön­nen den beiden Städten (und auch anderen Orten in den ehemaligen jugoslawischen Gebieten) mit konkre­ter Hilfe und Erfahrungen zur Seite stehen. Wir bitten alle Kommunen in der Bundesrepublik, ihre Unterstützung für die Protektoratseinrichtung in Stellungnahme und Beschlüssen zum Ausdruck zu bringen und ihre Hilfe anzubieten.
  4. Den  sozialen und humanitären Be­wegungen und Organisationen schla­gen wir vor, in ihren jeweiligen Wir­kungsbereichen für eine solche vor­übergehende und vorab vereinbarte Protektoratslösung einzutreten und zur Hilfe jeder Art zu mobilisieren.

 

Unser Vorschlag, ebenso wie der Appell aus Sarajewo, setzt erneut auf humanitäre und humanitär orientierte politische Hilfebereitschaft. Den Kriegsparteien rufen wir zu, daß die Protektoratslösung ein erster Ausbruch aus der furchtbaren Verfeindung und ein Schritt zu nichtmilitärischen Formen des Umgehens mit­einander sein kann. Diese Möglichkeit gilt es zu nutzen.

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Rubrik

Krisen und Kriege
Beate Roggenbuck ist Mediatorin BM, Trainerin und war Vorstandsmitglied von „Den Krieg überleben“ von 1994 – 2002.