15. Juni 2019

Protest gegen den „Tag der Bundeswehr“

von Michael Schulze von Glaßer
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An zwölf der vierzehn Standorten wurde den Bundeswehr-Feiern friedliche Proteste entgegengesetzt – dabei kam es allerdings auch zu Übergriffen von Militärfans.

Seit 2015 feiert sich die deutsche Armee alljährlich im Juni mit dem „Tag der Bundeswehr“: An bis zu sechzehn Standorten öffnet sie ihre Kasernentore oder präsentiert sich auf öffentlichen Plätzen. Man wolle mit „dem neuen Aktionstag […] in einen intensiveren Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern über die Rolle der Streitkräfte heute treten“, hieß es zum ersten „Tag der Bundeswehr“ in einer Pressemitteilung des Verteidigungsministeriums. Der Tag dient dem Militär vor allem, um  Rückhalt für die eigenen Aufträge zu gewinnen: Auslandseinsätze und Aufrüstung sind in der Bevölkerung umstritten, das möchte die Politik gerne ändern. Mindestens ebenso wichtig ist beim „Tag der Bundeswehr“ die direkte Nachwuchswerbung: Trotz der ebenfalls seit 2015 laufenden „Mach, was wirklich zählt“-Werbekampagne – die größte jemals in der Geschichte der Bundeswehr – hat die Armee Probleme, genug Soldatinnen und Soldaten zu finden. Dies hängt auch mit der von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen 2016 ausgerufenen „Trendwende Personal“ zusammen, die eine Aufstockung der Anzahl von SoldatInnen von aktuell 182.000 auf mehr als 203.000 im Jahr 2025 vorsieht: Es müssen mehr Kämpferinnen und Kämpfer her.

Dabei ist der „Tag der Bundeswehr“ ein wichtiges Element – das jedoch von Beginn an auch Proteste mit sich zog. So war es auch am vergangenen 15. Juni: FriedensaktivistInnen ließen die militärischen „Volksfeste“ an fast allen Standorten nicht unkommentiert. Vor allen Toren des gleich in mehrere Auslandseinsätze eingebundenen Fliegerhorsts Jagel in Schleswig-Holstein gab es ebenso Proteste wie im bayerischen Dillingen. Im hessischen Bad Hersfeld, wo der „Tag der Bundeswehr“ in den „Hessentag“ eingebunden war, nahmen rund 250 Menschen an einer Demonstration gegen das „Werben fürs Töten und Sterben“ teil. Vor der Generalfeldmarschall Rommel-Kaserne im ostwestfälischen Augustdorf wurde mit Besucherinnen und Besuchern des Militär-Events auch über die zweifelhafte Tradition der Armee diskutiert. Im niedersächsischen Faßberg „eroberten“ AktivistInnen einen Panzer und einen „Karriere-Truck“ der Bundeswehr und hielten ein Transparent mit der Aufschrift „Unter 18 nie – Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“ hoch – seit 2011 hat die deutsche Armee mehr als 11.500 17-Jährige an der Waffe ausgebildet. Auch in Münster, Koblenz, Cham, Erding, Hamburg, Stralsund und Pfullendorf gab es kreative Protestaktionen.

Einige FriedensaktivistInnen berichten allerdings über eine zunehmend aggressive Stimmung gegen sie. Beschimpfungen hat es immer schon mal gegeben, in diesem Jahr kam es vereinzelt aber auch zu tätlichen Übergriffen: Als einige AktivistInnen am Samstag in der durch Rekruten-Misshandlungen schon häufiger in die Medien geratenen Staufer-Kaserne militärkritische Transparente hochhielten, wurden sie von mehreren Besuchern des Bundeswehr-Tags angegriffen (was auch filmisch festgehalten wurde): Die AktivistInnen erlitten Prellungen. Einer stellte Strafanzeige gegen einen Besucher, weil dieser ihm büschelweise Haare ausriss. In Stralsund versuchten Militärfans in einem Handgemenge. AktivistInnen eine „Frieden schaffen ohne Waffen“-Fahne zu entreißen. Den Menschen wird beim „Tag der Bundeswehr“ Gewalt als Konfliktlösung präsentiert – einige scheinen das direkt zu beherzigen. FriedensaktivistInnen berichten zudem von einem hohen Anteil augenscheinlich extrem rechts eingestellter BesucherInnen mit eindeutigen Aussagen auf T-Shirts. In Pfullendorf wurde sogar ein Besucher mit dem Logo des Vereins „Uniter“ gesehen (und fotografiert) – der Verein ist in den Skandal um das rechte Hannibal-Netzwerk innerhalb von Bundeswehr und Polizei verstrickt. Diese Entwicklungen sind bedenklich – wenn auch nicht überraschend.

Dass der „Tag der Bundeswehr“ trotz des Millionen-Euro-Budgets – Steuergelder – auch in diesem Jahr wieder zu einem bundesweiten „Aktionstag gegen Militär“ wurde, können die Friedensbewegten als Erfolg werten: Die Bewegung mag kaum finanzielle Mittel haben, dafür ist das Engagement umso größer!

Und auch das Interesse der Bevölkerung an dem Werbetag der Armee war geringer als vom Verteidigungsministerium erhofft: So waren an vielen Standorten nur knapp halb so viele BesucherInnen wie erwartet – in Pfullendorf etwa nur 12.500 der erwarteten 20.000 Menschen. Dabei ließ sich die Armee den „Tag der Bundeswehr“ laut einer Nachfrage des Bundestagsabgeordneten Tobias Pflüger allein an diesem Standort 170.000 Euro kosten – wobei aber die Personal- und bspw. Treibstoffkosten nicht mit eingerechnet sind. Die tatsächlichen Kosten dürften deutlich höher liegen. Dabei sollte man sich bewusst machen, dass es sich dabei um Steuergelder handelt: Statt der Meinung der Bevölkerung zu entsprechen und Auslandseinsätze zu beenden und die geplante Aufrüstung abzubrechen, nimmt die Bundesregierung Millionen-Euro an Steuergeldern in die Hand, um die Bevölkerung von ihrem Militärkurs zu „überzeugen“. Das darf aus demokratietheoretischer Sicht durchaus als problematisch bewertet werden.

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