„Anschauen, anfassen, mitmachen"?

Protestaktionen gegen den „Tag der Bundeswehr“ am 8. Juni 2024 in der Aachener Lützow-Kaserne

von Bernd Bremen
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Seit 2015 geht die Bundeswehr mit ihrem jährlichen „Tag der Bundeswehr“ in die Werbeoffensive. 2024 fand dieser Tag an zehn Standorten im Bundesgebiet statt, darunter auch in der Aachener Lützow-Kaserne, wo mit der „Technischen Schule des Heeres“ die Ausbildungsstätte für Bundeswehrsoldat*innen und Soldat*innen verbündeter Länder (darunter auch aus der Ukraine) an allen vorhandenen Waffengattungen angesiedelt ist. Hatte die Bundeswehr früher noch Schwierigkeiten, außerhalb der militär- und technikaffinen Szene ihr Publikum zu finden, so markiert die aktuelle Kriegssituation, verbunden mit einer politisch-medialen Dauerkampagne für mehr Waffen, Aufrüstung und eine Militarisierung der gesamten Gesellschaft (Stichwort: „Kriegstüchtigkeit“) offenbar einen Wendepunkt: 2024 strömten jedenfalls allein in Aachen zehntausende Menschen in die Kaserne, darunter viele junge Familien mit ihren Kids jeglichen Alters. Schon Monate vorher wurde mit Transparenten an allen vier zugehörigen Kasernen auf das Großereignis hingewiesen. Der offizielle Einladungstext der Bundeswehr warb mit vielen erlebnisreichen „Stationen zum Anfassen und Mitmachen für Jung und Alt. Wir präsentieren unser Können in allen Dimensionen: Land, Luft, See und Cyber. Spektakuläre Vorführungen mit Großgerät, ein ganztägiges attraktives Bühnenprogramm mit TopActs, bis hin zur Kinderbetreuung garantieren einen Erlebnistag für die ganze Familie.“ Hinzu kam eine Reihe völlig unkritischer Ankündigungsberichte in lokalen Medien, wo in einem Beitrag sogar von einer „liebevollen Kinderbetreuung“ die Rede war.

Es versteht sich von selbst, dass solch eine militärische Propagandashow die örtliche Friedensbewegung zu Gegenaktionen herausforderte; zumal die grausamen Folgen eines Einsatzes all der präsentierten Waffen natürlich kein Thema war. Mit einer 1,5-stündigen Mahnwache vor der Kaserne zu Beginn der offiziellen Veranstaltung und satirischen Aktionen in der Innenstadt setzten das Antikriegsbündnis (AKB), die Unbelehrbaren 2.0, die DFG-VK und Muita Merda (politisches Kabarett) Kontrapunkte gegen die militärische Kriegslogik.

Zu Beginn der Mahnwache, eine halbe Stunde vor der Veranstaltungseröffnung, stand bereits eine lange Menschenschlange vor dem Eingang. Die Stimmung uns gegenüber war bis auf ganz wenige Ausnahmen ignorant bis ablehnend, was sich auch in zahlreichen, z.T. aggressiven Kommentaren äußerte. Da sich die Kaserne an einer stark befahrenen, vierspurigen Ausfallstraße befindet, wo im Regelfall keine Passant*innen vorbeigehen, beschränkten wir uns darauf, unsere „Botschaften“ mit großen Transparenten („Hochrüstung – ruiniert den Sozialstaat, verhindert wirksamen Klimaschutz und steigert die Kriegsgefahr“; „Die Waffen nieder! Zukunft erfordert Friedens- statt Kriegstüchtigkeit“  sowie „Schutz und Asyl für alle Kriegsdienstverweigerer und Deserteure“) kund zu tun.

Die Hauptaktionen schlossen sich dann aufgrund der äußerst ungünstigen Bedingungen vor der Kaserne ab mittags in der sehr belebten Fußgängerzone der Altstadt an: Den Auftakt machte die DFG-VK mit einer Lesung von Originaltexten aus der „glorreichen Zeit“ deutscher Kriegstüchtigkeit. Diese knüpften sich u.a. auch die wenig vorbildhafte Namensgebung deutscher Kasernen vor; so z.B. von zwei der vier Aachener Kasernen (Lützow- und Theodor Körner-Kaserne). Der „Freiheitsdichter“ gegen die napoleonische Besatzung, Th. Körner, schrieb  noch vor seinem  frühen Tod auf dem Schlachtfeld zahlreiche, zutiefst kriegsverherrlichende, militaristisch-chauvinistische Gedichte, welche im Kaiserreich allen Kindern in den Schulen des Landes eingetrichtert wurden. Im Anschluss warb die AKB-Fake-Agentur „Mission for Victory" mit ihrem „Rekrutierungsbüro" bei den Passant*innen um „Freiwillige“. Viele Menschen reagierten zunächst irritiert auf die auf den ersten Blick „offiziell“ anmutenden „Anwerber“, blieben dadurch stehen und ließen sich durch die zahlreichen Plakate und Flyer implizit auf die Verharmlosung von Kriegseinsätzen und Kriegsgeräten hinweisen. Außerdem wurde davor gewarnt, dass Schüler*innen in den Schulen vermehrt durch Bundeswehroffizier*innen für Kriegseinsätze indoktriniert werden. Begleitet wurden diese Aktionen des AKB und der Unbelehrbaren von antimilitaristischen Spottliedern von Muita Merda. Parallel dazu sorgte die Transparentkette der DFG-VK mit insgesamt 13 Transparenten der Passagen aus dem berühmten Antikriegsgedicht von Wolfgang Borchert „Sag Nein“ für weitere Aufmerksamkeit.

Resümierend ist festzustellen, dass auch diese Aktionen natürlich nicht nur auf Zuspruch stießen. Trotzdem war ein deutlicher, auch Sachdiskussionen möglich machender Unterschied zum Publikum an der Kaserne erkennbar. Kritisch ist zu werten, dass alle Protestaktionen mit keinem Wort in der örtlichen Presse erwähnt wurden. Stattdessen erschien ein Bericht über den „Tag der Bundeswehr“ in der Lokalzeitung, in dem es u.a. hieß: „Anschauen, anfassen, mitmachen" lautet die Devise, und ...die Besucher und Besucherinnen machen ausgiebig davon Gebrauch. Auf dem großen Platz klettern Kinder auf Panzern herum, steigen in einen Tornado oder warten vor dem Zelt der preisgekrönten Kochnationalmannschaft, um einen Leckerbissen...zu erhaschen". (Soweit zur „liebevollen Kinderbetreuung“.) Aus Sicht des Militärs muss der „Tag der Bundeswehr“ leider als Erfolg gewertet werden – die Rückkehr des Schwertglaubens bei zumindest einem Teil der Bevölkerung ist nicht zu übersehen. Dies zeigt, wie weit uns v.a. der Ukrainekrieg im Ringen um eine friedlichere und gerechtere Welt zurückgeworfen hat. Wie schamlos allerdings die Bundeswehr mittlerweile wieder an junge Menschen herantritt, um neues „Kanonenfutter“ für zu künftige Kriege zu rekrutieren, das erschreckt und fordert uns in Zeiten erneuter Wehrerfassung heraus, die Jugend mit unseren Gegenpositionen zu konfrontieren.

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Bernd Bremen ist Mitglied der "Gruppe Z".