Protestdemonstration gegen Afghanistan-Politik in Berlin

von Bernhard Clasen
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Inzwischen hat der deutsche Bundestag eine weitere Aufstockung „unserer“ Truppen um 850 auf 5.350 Soldaten am anderen Ende der Welt beschlossen. Noch wenige Tage zuvor hatte die Friedensbewegung gegen diesen zu erwartenden Beschluss in Berlin demonstriert.

Unter den RednerInnen fanden sich die Bundestagsabgeordnete der Partei „Die Linke“, Sevim Dagdelen, Christine Hoffmann, Generalsekretärin der katholischen Friedensbewegung Pax Christi, Julia Hildebrand, Mitorganisatorin des Bildungsstreiks in Berlin, Peter Strutynski vom Kasseler Friedensratschlag und der Theologe Eugen Drewermann.

Wohl in keiner Frage ist die Kluft zwischen dem Willen der Bevölkerung, die in ihrer Mehrheit die deutsche Kriegsbeteiligung ablehnt, und der VolksvertreterInnen im Bundestag, die zu 90 Prozent den Kriegseinsatz unterstützen, so groß.

Für die Friedensbewegung schafft das geradezu ideale Rahmenbedingungen. Gewohnt, von einer Minderheitenposition heraus zu agieren, weiß man heute bei der Ablehnung des Afghanistan-Einsatzes die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung hinter sich.

Doch gerade deswegen war die Demonstration am 20. Februar 2010 gegen den Afghanistan-Krieg der Bundeswehr, zu der gerade einmal 1.500 Menschen gekommen waren, ein Misserfolg.

Dass so wenige Menschen gegen die Ausweitung „unseres“ Kriegseinsatzes in Berlin auf die Strasse gegangen waren, mag sicherlich auch am Internet liegen. Wer seinen Unmut über „Facebook“ oder „Twitter“ online demonstriert, nimmt vielleicht schon nicht mehr an einer Straßendemonstration teil.

Auch die Demonstration in Dresden, zu der bundesweit für den 13. Februar mobilisiert worden war, um einen faschistischen Aufmarsch zu verhindern, hat möglicherweise viele von einer Teilnahme an der Afghanistan-Demonstration am darauffolgenden Wochenende abgehalten.

Doch ein Teil des Misserfolges ist hausgemacht. Die Friedensbewegung hat die Aufgabe, alle Kräfte, die diesen Krieg ablehnen, ins Boot zu holen. Es ist schön, dass die Abgeordnete der Linken, Sevim Dagdelen, gesprochen hatte. Doch das Spektrum hätte breiter sein müssen. In einem Gespräch mit dem „FriedensForum“ erklärte der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, seines Wissens sei von den Grünen niemand angefragt worden, auf der Veranstaltung zu sprechen. Insgesamt, so Ströbele, habe er, obwohl er selbst an diesem Tag nicht in Berlin gewesen sei, den Eindruck, dass auf der Demonstration doch eine starke Dominanz der Partei „Die Linke“ zu beobachten gewesen sei.

Ich bin mir sicher: Mit ein bisschen mehr diplomatischem Geschick wäre es zu schaffen gewesen, eine Demonstration auf die Beine zu stellen, die nicht von roten Fahnen und der Partei „Die Linke“ majorisiert wird.

Erfolgreiche Friedensarbeit vermittelt nicht nur Inhalte, sie ist auch in der Lage, nicht kompatible Milieus zusammenzubringen. Bürgerinitiativen, kirchliche Gruppen, Gewerkschaften, Grüne und Sozialdemokraten haben nun mal Berührungsängste mit Trotzkisten oder der stalinistischen MLPD. Diesem Umstand Rechnung zu tragen, ist die Aufgabe derer, die ein Anliegen vertreten, das von einer überwiegenden Mehrheit der Gesellschaft unterstützt wird.

Apropos Trotzkij: Kann mir jemand erklären, wie sich ein Friedensaktivist auf einen Mann berufen kann, der Deserteure und „Feiglinge“ hatte erschießen lassen?

Antworten bitte an: Bernhard [at] Clasen [dot] net.

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