Rede von Erik Larsen, Bonn 24.11.90

General, Dein Tank ist ein starker Wa­gen.
Er bricht einen Wald nieder und zer­malmt
hundert Menschen.
Aber er hat einen Fehler:
Er braucht einen Fahrer.
General, Dein Bombenflugzeug ist stark.
Es fliegt schneller als ein Sturm und
trägt mehr als ein Elefant.
Aber es hat einen Fehler:
Es braucht einen Monteur.

General, der Mensch ist sehr brauchbar.
Er kann fliegen und er kann töten.
Aber er hat einen Fehler:
Er kann denken.

(aus den "Svendborger Gedichte")  Bertolt Brecht

Guten Tag, mein Name ist Erik Larsen. Ich bin Obergefreiter in der Reserve der Marine-Infanterie der Vereinigten Staa­ten. Ich bin beim 4. Leichten Flugab­wehrraketen-Bataillon, des 4. Marine-Infanterie-Geschwaders. Ich bin seit vier Jahren bei der Marine-Infanterie; ich bin Radar-Mechaniker für das HAWK-Ra­ketensystem.

Mein Recht, ein denkender, fragender Bürger des Menschengeschlechtes zu sein, hat mit der Unterzeichnung bei der Marine-Infanterie am 31. Juli 1985 nicht aufgehört. Das U.S. Militär hat versucht, mir das Recht, ein freidenkender Mensch zu sein, zu versagen. Sie haben versucht, mir mein Gewissen  und meine Menschlichkeit wegzunehmen. Es ist ihnen nicht gelungen.

Das U.S. Militär verbietet Soldaten und Soldatinnen, aktiv Demonstrationen im Ausland zu organisieren oder daran teil­zunehmen. Ich bin trotzdem bereit, das Risiko auf mich zu nehmen, weil ich nicht will, da· ein Krieg im Nahen Osten beginnt. Ein Krieg im Persischen Golf wird ein Fehler sein. Ich persönlich werde jeden Befehl verweigern, der mich nach Saudi-Arabien bringt. Ich weigere mich, irgendeine Aufgabe in dem Krieg im Nahen Osten zu Übernehmen.

Ich bin nach Deutschland gekommen, um Euch zu sagen, da· ein Krieg im Nahen Osten nicht vom amerikanischen Volk unterstützt wird.

Ich bin nach Deutschland gekommen, um amerikanischen G.I.'s, die hier sta­tioniert sind, zu sagen, da· es eine Wi­derstandsbewegung in den Vereinigten Staaten gibt.

Ich bin nach Deutschland gekommen, um Euch dringend zu aufzufordern, keine auch nur irgendwie geartete Be­wegung von Präsident Bush, einen be­waffneten Konflikt zu beginnen, zu unterstützen.

Diese Krise im Nahen Osten ist nicht nur ein ungerechtfertigter Angriff des Irak gegen Kuwait. Es ist der Anfang eines Nord-Süd-Konfliktes, der auf die Dauer destabilisierend auf die Region wirken wird. Die amerikanische Präsenz im Nahen Osten hat die arabische Welt geteilt, und hat die Nationen in dieser Region bisher davon abgehalten, ihre eigenen regionalen Konflikte zu lösen.

Amerikaner kaufen der internationalen Presse ihre Propaganda nicht ab. Nie­mand in diesem Konflikt kann behaup­ten, das Monopol für Menschenrechte oder internationales Recht zu haben.

Die Scheinheiligkeit, mit der die westli­che Welt Fragen der sozialen Gerech­tigkeit und Selbstbestimmung für ein Volk wie die Palästinenser beiseite schiebt zugunsten von Profiten für Ge­schäftsleute und Ölbosse, ist erschrec­kend. Die Araber sind der kolonialisti­schen Interventionen Überdrüssig, und sie fangen an zu begreifen, da· die Leute aus dem Norden nicht an einem Frieden für die Entwicklungsländer in­teressiert sind.

Die militärischen Bewegungen von Saddam Hussein wurden gestoppt, und nun ist es Zeit, über die Grenzkonflikte zwischen Irak und Kuwait zu verhan­deln, und über die wirtschaftlichen Pro­bleme zu sprechen, wer welches Stück vom Kuchen der Rumalia-ölfelder und den Zugang zum Golf bekommt.

Das amerikanische Volk wird keinen Krieg im Nahen Osten unterstützen. Die neueste Umfrage, die das amerikanische "Time Magazine" veröffentlichte, zeigt, da· nur noch 47% der Amerikaner eine militärische Lösung der Krise befür­worten. Bush's Unterstützung nimmt im Laufe der Zeit immer mehr ab.

Ron Dellums und Peter Stark und viele andere führende Kongressabgeordnete erheben Klage gegen George Bush, um ihn davon abzuhalten, im Alleingang ein Abkommen zum militärischen Erst­schlag mit den Führern im U.N. Sicher­heitsrat zu vereinbaren.

Unsere Verfassung verbietet dem Präsidenten, einseitig einen Krieg zu erklä­ren.

Wenn Bush einen Krieg beginnen will, muß er die Zustimmung des amerikani­schen Volkes haben - und er hat ihre Unterstützung nicht.

Der 20. Oktober war ein bedeutender Tag für die Friedensbewegung in den Vereinigten Staaten. In über 18 größeren Städten kam es zu Demonstrationen - die größte war in New York City. Ak­tivitäten wurden in halsbrecherischem Tempo organisiert, um einen Krieg zu verhindern, bevor er ausbricht. Es gibt eine breites Bündnis von Gewerkschaf­tern, Studenten, Pensionären, Farbigen, Soldaten und konservativen Geschäfts­leuten. Wenn es zum Krieg kommt, wird es einen gewaltigen Aufruhr in den Vereinigten Staaten geben, wie man ihn noch nicht erlebt hat.

Zum ersten Mal in der neueren Ge­schichte werden wir Zeuge, da· G.I.`s eine Widerstandsbewegung in's Leben rufen, um einen Krieg zu verhindern, bevor er beginnt. Viele G.I.`s verwei­gern und geben öffentlich Erklärungen über die verfehlte Außenpolitik meines Oberbefehlshabers ab.

Specialist (Dienstgrad in der army) Ste­phanie Atkinson sagte in einer öffentli­chen Erklärung mit sechs anderen Sol­daten am 20. Oktober: "Es ist nicht richtig, einen Krieg wegen Öl zu begin­nen. Ich denke, da· wir das Geld, das wir ausgeben, um eine königstreue Fa­milie auf dem kuwaitischen Thron zu erhalten, besser hier zu Hause verwen­den sollten."

Tom Cullerton von der Küstenwache hat seinen Befehl, nach Saudi-Arabien zu gehen, während einer Demonstration vor einem öffentlichen Gebäude des Bundesstaates in Orlando, Florida, öf­fentlich verbrannt.

Jeff Petterson, Marine-Infanterie, muss mit einer Gefängnisstrafe von zwei bis fünf Jahren rechnen, weil er sich weigert zu kämpfen, und wird nun als nationales Sicherheitsrisiko bezeichnet, weil er seinen Widerstand öffentlich bekundet: "Ich will kein Unterpfand im amerikani­schen Machtspiel für Profite und Öl sein."

 

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