Ralf Ludwig

Redebeträge der Auftaktekundgebungen: Süd (Landesbehördenhaus)

von Ralf Ludwig

"Die Würde des Menschen ist unantastbar." So lautete der von oben verordnete Minimalkonsens der Demonstration in Ber­lin.

Für uns Jusos ist klar:

Das Asylrecht ist untrennbar mit dem Artikel 1 des Grundge­setzes verbunden!

Wer für den Schutz der Menschenwürde eintritt, darf das in­dividuelle Recht auf politisches Asyl nicht preisgeben!

Deshalb haben wir Jusos in der SPD gegen die de-facto-Ab­schaffung von Artikel 16.2 und 19.4 gestritten. Gegen Björn Engholm und Oskar Lafontaine, aber mit Erfolg!

Petersberg ist vom Tisch. Vorschläge, ganze Personengruppen vom Asylrecht auszuschließen, spielen keine Rolle mehr, die Rechtswegegarantie bleibt erhalten! Sonderverfahren wird es nicht geben.

Dennoch: Für eine Entwarnung gibt es keinen Grund:

1. Wir meinen: Asyl-Entscheidungen anderer Länder dürfen nur anerkannt werden, wenn die Chance auf ein faires, ein or­dentliches Gerichtsverfahren besteht.

2. Wir meinen, für ein Bleiberecht für Bürgerkriegsflüchtlinge darf den Betroffenen die Stellung eines Asylantrages nicht verwehrt werden.

3. Wir Jusos setzen uns dafür ein, daß der SPD-Bundestags­fraktion ein ganz enges Verhandlungsmandat gesteckt wird.

Und es wäre ein Skandal - ein Abschied von innerparteilicher Demokratie - wenn zunächst von Petersberg gegen bestehende Parteitagsbeschlüsse neue SPD-Positionen ausgerufen wer­den, wir einen Sonderparteitag erzwingen müssen und zum Schluss doch gegen das Votum des Parteitags entschieden würde.

Soll sich die Bundestags-Fraktion ein neues Parteivolk wäh­len!

Es ist schon eigenartig, daß diejenigen, die sich sonst jedem Fraktionszwang unterwerfen, immer dann die freie Gewissen­sentscheidung des Abgeordneten reklamieren, wenn die Par­teibasis anders votiert!

Für uns Jusos steht fest:

Wir verweigern jedem Parlamentarier die politische Unter­stützung, der sich gegen das Votum des Parteitags stellt, das Asylrecht und Rechtswegegarantie zur Disposition stellt.

Die SPD und die Bundestags-Fraktion müssen wissen:

Bisher haben alle Zugeständnisse die Union nicht davon ab­gehalten, ihre unsägliche Asylkampagne fortzusetzen. Sie sucht Sündenböcke für Fehler, die sie selbst zu verantworten hat: wachsende Arbeitslosigkeit, zunehmende Wohnungsnot und Sozialabbau!

Kohl kann doch nicht allen Ernstes behaupten, daß die Demo­kratie in Gefahr ist, weil monatlich 50 000 Flüchtlinge in ei­nem der reichsten Länder der Welt um Asyl bitten. Oder weil die SPD sich schwer damit tut, ein Grundrecht so mal eben auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen.

Das Kokettieren mit dem Staatsnotstand ist der perfideste Versuch, eine Verfassungsänderung zu erpressen. Schlimmer noch: Wer mit einfacher Mehrheit an der Verfassung vorbei das Grundrecht aushebeln will, der zündelt am Rechtsstaat.

Die Artikel unserer Verfassung dürfen nicht zu Leerformeln werden in einem Land, in dem die Jagd auf Ausländer schon fast zum Alltag gehört, ein Regierungsmitglied Hitlers Rake­ten feiern möchte oder ein bayerischer Ministerpräsident nicht mehr gegen Rassismus demonstrieren will.

Nach der Demonstration in Berlin spielen Kohl & Co. wieder die alte Leier.

Links und rechts werden in einen Topf geworfen, Eierwürfe und Mordversuche in Asylbewerberheimen gleichgesetzt.

Die Politik muß endlich begreifen:

Die Gewalt gegen Ausländer und Asylbewerber,

die Bedrohung von Juden gehen von Rechts aus.

Beschimpft wird die "Straße", der man sich nicht beugen will. Auch heute wird wieder deutlich:

Dort trifft man Leute, die unsere Verfassung entschlossener verteidigen, als dies gegenwärtig in den Parlamenten und auf Parteitagen geschieht.

Wir wollen Grundrechte verteidigen!

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Ralf Ludwig (Juso-Bundesvorsitzender)